Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Euch hereingebrochen, die Euch die Todesstunde in Euren Gesichtskreis rückte, und habt Ihr dann nicht die Sehnsucht gefühlt, Euch sagen zu können: die Frau ist da, die Mutter ist da! Sie wird Rath schaffen, sie kann arbeiten und erwerben, wenn es Noth thut; sie wird führen und leiten und erziehen und Brod schaffen, wenn ich es nicht mehr kann. Sehen wir aber von den Familienvätern ab und wenden uns zu jenen Männern, die trotz aller ihrer Tüchtigkeit, wie die Verhältnisse in unserem Vaterlande einmal liegen, oftmals nicht daran denken können, sich einen eigenen Heerd zu gründen, weil ihr Erwerb zum Unterhalte für eine Familie nicht ausreichend ist. Ich bin sicher, unter den Lesern dieser Zeitung finden sich Hunderte und Hunderte von Männern, von jungen Lehrern, Assessoren, Docenten u.s.w., die in der Lage gewesen sind, sich ein oder das andere Mal zu sagen: "Dieses Mädchen wäre eine Frau für dich, mit diesem Mädchen würdest du ein glückliches Leben führen können; aber du bist arm, sie ist es auch, mit deinen drei-, vier-, fünfhundert Thalern Einnahme kann in unseren Ständen eine Familie nicht bestehen, und das gute Mädchen kann nichts als eben haushalten und sparen -- aber mit Haushalten und Sparen ist hier nichts gethan." Was folgt daraus? Das "nur für die Familie erzogene Mädchen" kommt nicht dazu, die Mitbegründerin einer Familie zu werden, es bleibt unverheirathet trotz Euch hereingebrochen, die Euch die Todesstunde in Euren Gesichtskreis rückte, und habt Ihr dann nicht die Sehnsucht gefühlt, Euch sagen zu können: die Frau ist da, die Mutter ist da! Sie wird Rath schaffen, sie kann arbeiten und erwerben, wenn es Noth thut; sie wird führen und leiten und erziehen und Brod schaffen, wenn ich es nicht mehr kann. Sehen wir aber von den Familienvätern ab und wenden uns zu jenen Männern, die trotz aller ihrer Tüchtigkeit, wie die Verhältnisse in unserem Vaterlande einmal liegen, oftmals nicht daran denken können, sich einen eigenen Heerd zu gründen, weil ihr Erwerb zum Unterhalte für eine Familie nicht ausreichend ist. Ich bin sicher, unter den Lesern dieser Zeitung finden sich Hunderte und Hunderte von Männern, von jungen Lehrern, Assessoren, Docenten u.s.w., die in der Lage gewesen sind, sich ein oder das andere Mal zu sagen: »Dieses Mädchen wäre eine Frau für dich, mit diesem Mädchen würdest du ein glückliches Leben führen können; aber du bist arm, sie ist es auch, mit deinen drei-, vier-, fünfhundert Thalern Einnahme kann in unseren Ständen eine Familie nicht bestehen, und das gute Mädchen kann nichts als eben haushalten und sparen — aber mit Haushalten und Sparen ist hier nichts gethan.« Was folgt daraus? Das »nur für die Familie erzogene Mädchen« kommt nicht dazu, die Mitbegründerin einer Familie zu werden, es bleibt unverheirathet trotz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0118" n="108"/> Euch hereingebrochen, die Euch die Todesstunde in Euren Gesichtskreis rückte, und habt Ihr dann nicht die Sehnsucht gefühlt, Euch sagen zu können: die Frau ist da, die Mutter ist da! Sie wird Rath schaffen, sie kann arbeiten und erwerben, wenn es Noth thut; sie wird führen und leiten und erziehen und Brod schaffen, wenn ich es nicht mehr kann.</p> <p>Sehen wir aber von den Familienvätern ab und wenden uns zu jenen Männern, die trotz aller ihrer Tüchtigkeit, wie die Verhältnisse in unserem Vaterlande einmal liegen, oftmals nicht daran denken können, sich einen eigenen Heerd zu gründen, weil ihr Erwerb zum Unterhalte für eine Familie nicht ausreichend ist. Ich bin sicher, unter den Lesern dieser Zeitung finden sich Hunderte und Hunderte von Männern, von jungen Lehrern, Assessoren, Docenten u.s.w., die in der Lage gewesen sind, sich ein oder das andere Mal zu sagen: »Dieses Mädchen wäre eine Frau für dich, mit diesem Mädchen würdest du ein glückliches Leben führen können; aber du bist arm, sie ist es auch, mit deinen drei-, vier-, fünfhundert Thalern Einnahme kann in unseren Ständen eine Familie nicht bestehen, und das gute Mädchen kann nichts als eben haushalten und sparen — aber mit Haushalten und Sparen ist hier nichts gethan.« Was folgt daraus? Das »nur für die Familie erzogene Mädchen« kommt nicht dazu, die Mitbegründerin einer Familie zu werden, es bleibt unverheirathet trotz </p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0118]
Euch hereingebrochen, die Euch die Todesstunde in Euren Gesichtskreis rückte, und habt Ihr dann nicht die Sehnsucht gefühlt, Euch sagen zu können: die Frau ist da, die Mutter ist da! Sie wird Rath schaffen, sie kann arbeiten und erwerben, wenn es Noth thut; sie wird führen und leiten und erziehen und Brod schaffen, wenn ich es nicht mehr kann.
Sehen wir aber von den Familienvätern ab und wenden uns zu jenen Männern, die trotz aller ihrer Tüchtigkeit, wie die Verhältnisse in unserem Vaterlande einmal liegen, oftmals nicht daran denken können, sich einen eigenen Heerd zu gründen, weil ihr Erwerb zum Unterhalte für eine Familie nicht ausreichend ist. Ich bin sicher, unter den Lesern dieser Zeitung finden sich Hunderte und Hunderte von Männern, von jungen Lehrern, Assessoren, Docenten u.s.w., die in der Lage gewesen sind, sich ein oder das andere Mal zu sagen: »Dieses Mädchen wäre eine Frau für dich, mit diesem Mädchen würdest du ein glückliches Leben führen können; aber du bist arm, sie ist es auch, mit deinen drei-, vier-, fünfhundert Thalern Einnahme kann in unseren Ständen eine Familie nicht bestehen, und das gute Mädchen kann nichts als eben haushalten und sparen — aber mit Haushalten und Sparen ist hier nichts gethan.« Was folgt daraus? Das »nur für die Familie erzogene Mädchen« kommt nicht dazu, die Mitbegründerin einer Familie zu werden, es bleibt unverheirathet trotz
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