Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.höheren Ständen an; und wie ich mich sehr deutlich erinnere, liefen die Briefe fast sammt und sonders auf ein und dasselbe hinaus, wenngleich die Nebenumstände verschieden waren. Nur einige der Schreiberinnen waren Wittwen, die sich allein, oder sich und ihre Kinder, nicht zu ernähren vermochten. Meist waren es jüngere oder ältere Mädchen, die sich, mit ihrem Loose nicht zufrieden, die sich, wie es der Ausdruck dafür ist, "unausgefüllt" und "überflüssig" in der Welt fühlten. Häufig kamen mir auch Gouvernanten und Gesellschafterinnen vor, denen die Aussicht, "ewig in dieser Abhängigkeit zu leben", sehr niederschlagend dünkte. Ließ ich mich dann näher auf die Verhältnisse der Klagenden und auf ihre Beschwerden und auf ihre Wünsche ein, so kam ich -- einzelne Fälle ausgenommen -- meist zu dem immer gleichen Resultate. Die Einen hatten gar nichts Ordentliches gelernt und nur allerlei bunte Lectüre getrieben, aus der sie ein unbestimmtes Verlangen nach einer glückbringenden Selbständigkeit in sich aufgenommen hatten; die Anderen besaßen die eben auch nicht übermäßigen Kenntnisse, welche das Gouvernanten-Examen erfordert. Alle aber hielten, hinter mehr oder weniger verschleiernden Worten, die geheime Ueberzeugung zurück, daß sie zu Schriftstellerinnen geboren wären, daß ich sie ermuthigen würde, sich als solche zu versuchen, und daß, wenn sie nur erst ihren Namen unter dem Titel einer Novelle in irgend einem Journale gedruckt gesehen hätten, höheren Ständen an; und wie ich mich sehr deutlich erinnere, liefen die Briefe fast sammt und sonders auf ein und dasselbe hinaus, wenngleich die Nebenumstände verschieden waren. Nur einige der Schreiberinnen waren Wittwen, die sich allein, oder sich und ihre Kinder, nicht zu ernähren vermochten. Meist waren es jüngere oder ältere Mädchen, die sich, mit ihrem Loose nicht zufrieden, die sich, wie es der Ausdruck dafür ist, »unausgefüllt« und »überflüssig« in der Welt fühlten. Häufig kamen mir auch Gouvernanten und Gesellschafterinnen vor, denen die Aussicht, »ewig in dieser Abhängigkeit zu leben«, sehr niederschlagend dünkte. Ließ ich mich dann näher auf die Verhältnisse der Klagenden und auf ihre Beschwerden und auf ihre Wünsche ein, so kam ich — einzelne Fälle ausgenommen — meist zu dem immer gleichen Resultate. Die Einen hatten gar nichts Ordentliches gelernt und nur allerlei bunte Lectüre getrieben, aus der sie ein unbestimmtes Verlangen nach einer glückbringenden Selbständigkeit in sich aufgenommen hatten; die Anderen besaßen die eben auch nicht übermäßigen Kenntnisse, welche das Gouvernanten-Examen erfordert. Alle aber hielten, hinter mehr oder weniger verschleiernden Worten, die geheime Ueberzeugung zurück, daß sie zu Schriftstellerinnen geboren wären, daß ich sie ermuthigen würde, sich als solche zu versuchen, und daß, wenn sie nur erst ihren Namen unter dem Titel einer Novelle in irgend einem Journale gedruckt gesehen hätten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="3"/> höheren Ständen an; und wie ich mich sehr deutlich erinnere, liefen die Briefe fast sammt und sonders auf ein und dasselbe hinaus, wenngleich die Nebenumstände verschieden waren. Nur einige der Schreiberinnen waren Wittwen, die sich allein, oder sich und ihre Kinder, nicht zu ernähren vermochten. Meist waren es jüngere oder ältere Mädchen, die sich, mit ihrem Loose nicht zufrieden, die sich, wie es der Ausdruck dafür ist, »unausgefüllt« und »überflüssig« in der Welt fühlten. Häufig kamen mir auch Gouvernanten und Gesellschafterinnen vor, denen die Aussicht, »ewig in dieser Abhängigkeit zu leben«, sehr niederschlagend dünkte.</p> <p>Ließ ich mich dann näher auf die Verhältnisse der Klagenden und auf ihre Beschwerden und auf ihre Wünsche ein, so kam ich — einzelne Fälle ausgenommen — meist zu dem immer gleichen Resultate. Die Einen hatten gar nichts Ordentliches gelernt und nur allerlei bunte Lectüre getrieben, aus der sie ein unbestimmtes Verlangen nach einer glückbringenden Selbständigkeit in sich aufgenommen hatten; die Anderen besaßen die eben auch nicht übermäßigen Kenntnisse, welche das Gouvernanten-Examen erfordert. Alle aber hielten, hinter mehr oder weniger verschleiernden Worten, die geheime Ueberzeugung zurück, daß sie zu Schriftstellerinnen geboren wären, daß ich sie ermuthigen würde, sich als solche zu versuchen, und daß, wenn sie nur erst ihren Namen unter dem Titel einer Novelle in irgend einem Journale gedruckt gesehen hätten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0013]
höheren Ständen an; und wie ich mich sehr deutlich erinnere, liefen die Briefe fast sammt und sonders auf ein und dasselbe hinaus, wenngleich die Nebenumstände verschieden waren. Nur einige der Schreiberinnen waren Wittwen, die sich allein, oder sich und ihre Kinder, nicht zu ernähren vermochten. Meist waren es jüngere oder ältere Mädchen, die sich, mit ihrem Loose nicht zufrieden, die sich, wie es der Ausdruck dafür ist, »unausgefüllt« und »überflüssig« in der Welt fühlten. Häufig kamen mir auch Gouvernanten und Gesellschafterinnen vor, denen die Aussicht, »ewig in dieser Abhängigkeit zu leben«, sehr niederschlagend dünkte.
Ließ ich mich dann näher auf die Verhältnisse der Klagenden und auf ihre Beschwerden und auf ihre Wünsche ein, so kam ich — einzelne Fälle ausgenommen — meist zu dem immer gleichen Resultate. Die Einen hatten gar nichts Ordentliches gelernt und nur allerlei bunte Lectüre getrieben, aus der sie ein unbestimmtes Verlangen nach einer glückbringenden Selbständigkeit in sich aufgenommen hatten; die Anderen besaßen die eben auch nicht übermäßigen Kenntnisse, welche das Gouvernanten-Examen erfordert. Alle aber hielten, hinter mehr oder weniger verschleiernden Worten, die geheime Ueberzeugung zurück, daß sie zu Schriftstellerinnen geboren wären, daß ich sie ermuthigen würde, sich als solche zu versuchen, und daß, wenn sie nur erst ihren Namen unter dem Titel einer Novelle in irgend einem Journale gedruckt gesehen hätten,
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