Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.machen -- glauben Sie, daß man Ihnen einen ernsthaften Gedanken zutrauen kann, wenn man sieht, wie es keine Abgeschmacktheit in Kleidung und Frisur mehr giebt, die Sie mitzumachen und wo möglich noch zu übertreiben, nicht sofort beflissen wären, um durch diese Uebertreibung die Blicke der Männer auf Sich zu ziehen? Kann ein Mann Sie in diesen "Costümen" oder in Ihren Salon-Toiletten, die in allen Farben des Regenbogens schimmern, wirklich für seines Gleichen halten? -- Ich versichere Sie, es fällt das selbst verständigen Frauen und Mädchen häufig schwer genug. Man sagt freilich: andere Zeiten, andere Sitten, und die Frauen haben seit den letzten dreißig, vierzig Jahren viel an Freiheit des Beliebens gewonnen; aber Sie wollen doch Alle mehr oder minder festhalten an den alten Herkommnissen der deutschen Zucht und Sittsamkeit; wie ist es Ihnen also möglich, in den Straßen zu erscheinen, wie Sie es thun? -- Ich traf neulich bei einem Besuche, den ich in einer angesehenen Familie zu machen hatte, eine dem Adel angehörende Frau mit ihrer Tochter, die ebenfalls eine Visite in dem Hause abstatteten; und die Unterhaltung der Mütter und der im neuesten Geschmack oder besser Ungeschmack gekleideten Töchter beider Familien wendete sich nach wenig Augenblicken auf die wachsende Sittenlosigkeit und Zudringlichkeit der jungen Männer aus den gebildeten Ständen. Es hieß: ein Mädchen könne nicht mehr unbegleitet durch die Straßen gehen, ohne von machen — glauben Sie, daß man Ihnen einen ernsthaften Gedanken zutrauen kann, wenn man sieht, wie es keine Abgeschmacktheit in Kleidung und Frisur mehr giebt, die Sie mitzumachen und wo möglich noch zu übertreiben, nicht sofort beflissen wären, um durch diese Uebertreibung die Blicke der Männer auf Sich zu ziehen? Kann ein Mann Sie in diesen »Costümen« oder in Ihren Salon-Toiletten, die in allen Farben des Regenbogens schimmern, wirklich für seines Gleichen halten? — Ich versichere Sie, es fällt das selbst verständigen Frauen und Mädchen häufig schwer genug. Man sagt freilich: andere Zeiten, andere Sitten, und die Frauen haben seit den letzten dreißig, vierzig Jahren viel an Freiheit des Beliebens gewonnen; aber Sie wollen doch Alle mehr oder minder festhalten an den alten Herkommnissen der deutschen Zucht und Sittsamkeit; wie ist es Ihnen also möglich, in den Straßen zu erscheinen, wie Sie es thun? — Ich traf neulich bei einem Besuche, den ich in einer angesehenen Familie zu machen hatte, eine dem Adel angehörende Frau mit ihrer Tochter, die ebenfalls eine Visite in dem Hause abstatteten; und die Unterhaltung der Mütter und der im neuesten Geschmack oder besser Ungeschmack gekleideten Töchter beider Familien wendete sich nach wenig Augenblicken auf die wachsende Sittenlosigkeit und Zudringlichkeit der jungen Männer aus den gebildeten Ständen. Es hieß: ein Mädchen könne nicht mehr unbegleitet durch die Straßen gehen, ohne von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0156" n="146"/> machen — glauben Sie, daß man Ihnen einen ernsthaften Gedanken zutrauen kann, wenn man sieht, wie es keine Abgeschmacktheit in Kleidung und Frisur mehr giebt, die Sie mitzumachen und wo möglich noch zu übertreiben, nicht sofort beflissen wären, um durch diese Uebertreibung die Blicke der Männer auf Sich zu ziehen? Kann ein Mann Sie in diesen »Costümen« oder in Ihren Salon-Toiletten, die in allen Farben des Regenbogens schimmern, wirklich für seines Gleichen halten? — Ich versichere Sie, es fällt das selbst verständigen Frauen und Mädchen häufig schwer genug.</p> <p>Man sagt freilich: andere Zeiten, andere Sitten, und die Frauen haben seit den letzten dreißig, vierzig Jahren viel an Freiheit des Beliebens gewonnen; aber Sie wollen doch Alle mehr oder minder festhalten an den alten Herkommnissen der deutschen Zucht und Sittsamkeit; wie ist es Ihnen also möglich, in den Straßen zu erscheinen, wie Sie es thun? — Ich traf neulich bei einem Besuche, den ich in einer angesehenen Familie zu machen hatte, eine dem Adel angehörende Frau mit ihrer Tochter, die ebenfalls eine Visite in dem Hause abstatteten; und die Unterhaltung der Mütter und der im neuesten Geschmack oder besser Ungeschmack gekleideten Töchter beider Familien wendete sich nach wenig Augenblicken auf die wachsende Sittenlosigkeit und Zudringlichkeit der jungen Männer aus den gebildeten Ständen. Es hieß: ein Mädchen könne nicht mehr unbegleitet durch die Straßen gehen, ohne von </p> </div> </body> </text> </TEI> [146/0156]
machen — glauben Sie, daß man Ihnen einen ernsthaften Gedanken zutrauen kann, wenn man sieht, wie es keine Abgeschmacktheit in Kleidung und Frisur mehr giebt, die Sie mitzumachen und wo möglich noch zu übertreiben, nicht sofort beflissen wären, um durch diese Uebertreibung die Blicke der Männer auf Sich zu ziehen? Kann ein Mann Sie in diesen »Costümen« oder in Ihren Salon-Toiletten, die in allen Farben des Regenbogens schimmern, wirklich für seines Gleichen halten? — Ich versichere Sie, es fällt das selbst verständigen Frauen und Mädchen häufig schwer genug.
Man sagt freilich: andere Zeiten, andere Sitten, und die Frauen haben seit den letzten dreißig, vierzig Jahren viel an Freiheit des Beliebens gewonnen; aber Sie wollen doch Alle mehr oder minder festhalten an den alten Herkommnissen der deutschen Zucht und Sittsamkeit; wie ist es Ihnen also möglich, in den Straßen zu erscheinen, wie Sie es thun? — Ich traf neulich bei einem Besuche, den ich in einer angesehenen Familie zu machen hatte, eine dem Adel angehörende Frau mit ihrer Tochter, die ebenfalls eine Visite in dem Hause abstatteten; und die Unterhaltung der Mütter und der im neuesten Geschmack oder besser Ungeschmack gekleideten Töchter beider Familien wendete sich nach wenig Augenblicken auf die wachsende Sittenlosigkeit und Zudringlichkeit der jungen Männer aus den gebildeten Ständen. Es hieß: ein Mädchen könne nicht mehr unbegleitet durch die Straßen gehen, ohne von
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