Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.wenn man einmal die Mode-Journale vom Anfange der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts in die Hand nimmt, um sie mit den jetzigen Trachten zu vergleichen. Wir liebten es damals auch, uns zu schmücken, wir suchten in den Sälen, in denen wir uns in einer uns bekannten Gesellschaft bewegten, eben so wie Sie, zu gefallen und durch die Eigenartigkeit unserer Toiletten aufzufallen, aber alte und junge Frauen der gesitteten Gesellschaft hielten an dem Grundsatze fest, daß es für eine Frau, die sich selber achte, nicht anständig sei, in der Straße durch Kleidung aufzufallen. Sah man in der Straße eine auffallende Tracht, so wußte man, was man von ihrer Trägerin zu halten habe. Jetzt -- nicht einmal, nein, alltäglich -- fragen wir uns bei unseren Spaziergängen, ob das wohl anständige Frauenzimmer sind, und wir sind oft ganz verwundert, wenn man dies bejaht. -- Die frühere Straßenkleidung war bescheiden, die jetzige ist frech. Jene Kleider hatten eine schickliche Länge; sie reizten nicht durch ihre Kürze und ärgerten nicht durch das Herumzerren der kostbaren Stoffe durch den Straßenkoth. Die Farben waren durchweg anspruchslos, die reichlichen Falten der Röcke fielen, sich dem Körper anpassend, von der Taille nieder, die Garnirungen waren mäßig, die Hüte saßen auf dem Kopfe und rahmten das Gesicht ein; und man würde das Frauenzimmer für wahnsinnig, ganz entschieden für wahnsinnig gehalten haben, das ohne Shawl oder Mantille, das ganz unverhüllter wenn man einmal die Mode-Journale vom Anfange der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts in die Hand nimmt, um sie mit den jetzigen Trachten zu vergleichen. Wir liebten es damals auch, uns zu schmücken, wir suchten in den Sälen, in denen wir uns in einer uns bekannten Gesellschaft bewegten, eben so wie Sie, zu gefallen und durch die Eigenartigkeit unserer Toiletten aufzufallen, aber alte und junge Frauen der gesitteten Gesellschaft hielten an dem Grundsatze fest, daß es für eine Frau, die sich selber achte, nicht anständig sei, in der Straße durch Kleidung aufzufallen. Sah man in der Straße eine auffallende Tracht, so wußte man, was man von ihrer Trägerin zu halten habe. Jetzt — nicht einmal, nein, alltäglich — fragen wir uns bei unseren Spaziergängen, ob das wohl anständige Frauenzimmer sind, und wir sind oft ganz verwundert, wenn man dies bejaht. — Die frühere Straßenkleidung war bescheiden, die jetzige ist frech. Jene Kleider hatten eine schickliche Länge; sie reizten nicht durch ihre Kürze und ärgerten nicht durch das Herumzerren der kostbaren Stoffe durch den Straßenkoth. Die Farben waren durchweg anspruchslos, die reichlichen Falten der Röcke fielen, sich dem Körper anpassend, von der Taille nieder, die Garnirungen waren mäßig, die Hüte saßen auf dem Kopfe und rahmten das Gesicht ein; und man würde das Frauenzimmer für wahnsinnig, ganz entschieden für wahnsinnig gehalten haben, das ohne Shawl oder Mantille, das ganz unverhüllter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="149"/> wenn man einmal die Mode-Journale vom Anfange der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts in die Hand nimmt, um sie mit den jetzigen Trachten zu vergleichen. Wir liebten es damals auch, uns zu schmücken, wir suchten in den Sälen, in denen wir uns in einer uns bekannten Gesellschaft bewegten, eben so wie Sie, zu gefallen und durch die Eigenartigkeit unserer Toiletten aufzufallen, aber alte und junge Frauen der gesitteten Gesellschaft hielten an dem Grundsatze fest, daß es für eine Frau, die sich selber achte, nicht anständig sei, in der Straße durch Kleidung aufzufallen. Sah man in der Straße eine auffallende Tracht, so wußte man, was man von ihrer Trägerin zu halten habe. Jetzt — nicht einmal, nein, alltäglich — fragen wir uns bei unseren Spaziergängen, ob das wohl anständige Frauenzimmer sind, und wir sind oft ganz verwundert, wenn man dies bejaht. — Die frühere Straßenkleidung war bescheiden, die jetzige ist frech. Jene Kleider hatten eine schickliche Länge; sie reizten nicht durch ihre Kürze und ärgerten nicht durch das Herumzerren der kostbaren Stoffe durch den Straßenkoth. Die Farben waren durchweg anspruchslos, die reichlichen Falten der Röcke fielen, sich dem Körper anpassend, von der Taille nieder, die Garnirungen waren mäßig, die Hüte saßen auf dem Kopfe und rahmten das Gesicht ein; und man würde das Frauenzimmer für wahnsinnig, ganz entschieden für wahnsinnig gehalten haben, das ohne Shawl oder Mantille, das ganz unverhüllter </p> </div> </body> </text> </TEI> [149/0159]
wenn man einmal die Mode-Journale vom Anfange der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts in die Hand nimmt, um sie mit den jetzigen Trachten zu vergleichen. Wir liebten es damals auch, uns zu schmücken, wir suchten in den Sälen, in denen wir uns in einer uns bekannten Gesellschaft bewegten, eben so wie Sie, zu gefallen und durch die Eigenartigkeit unserer Toiletten aufzufallen, aber alte und junge Frauen der gesitteten Gesellschaft hielten an dem Grundsatze fest, daß es für eine Frau, die sich selber achte, nicht anständig sei, in der Straße durch Kleidung aufzufallen. Sah man in der Straße eine auffallende Tracht, so wußte man, was man von ihrer Trägerin zu halten habe. Jetzt — nicht einmal, nein, alltäglich — fragen wir uns bei unseren Spaziergängen, ob das wohl anständige Frauenzimmer sind, und wir sind oft ganz verwundert, wenn man dies bejaht. — Die frühere Straßenkleidung war bescheiden, die jetzige ist frech. Jene Kleider hatten eine schickliche Länge; sie reizten nicht durch ihre Kürze und ärgerten nicht durch das Herumzerren der kostbaren Stoffe durch den Straßenkoth. Die Farben waren durchweg anspruchslos, die reichlichen Falten der Röcke fielen, sich dem Körper anpassend, von der Taille nieder, die Garnirungen waren mäßig, die Hüte saßen auf dem Kopfe und rahmten das Gesicht ein; und man würde das Frauenzimmer für wahnsinnig, ganz entschieden für wahnsinnig gehalten haben, das ohne Shawl oder Mantille, das ganz unverhüllter
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