Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.keinesweges. Sie waren häufig wirklich zu beklagen und sie wollten sich redlich helfen; aber sie waren durch das Vorurtheil befangen, welches bisher die Frauen der mehr oder weniger gebildeten Stände zu lebenslänglicher und oft sehr kümmerlicher Abhängigkeit verdammte. Wir Alle sind noch auferzogen und erwachsen unter dem Banne gewisser Redensarten, die sehr gut klangen, die aber den Frauen, wenn sie in Noth geriethen, wenig oder gar nichts halfen. An allen Ecken und Enden konnte man es aussprechen hören, daß "die Frau durch ihre Natur und durch die Verhältnisse der civilisirten Staaten nur für das Leben innerhalb der Familie bestimmt sei!" -- daß "die Frau fraglos die beste sei, von welcher man niemals etwas höre!" -- daß "der keusche Dämmer des Hauses die eigentliche und einzige Heimath des Weibes sei!" -- und wie die schönen landläufigen Phrasen alle hießen, mit welchen ein großer Theil der Männer uns von einer ehrenvollen Selbständigkeit zurückzuhalten und uns gelegentlich eben dadurch in große Noth zu stürzen, für geboten, ja für eine Art von männlichem Rechte und männlicher Pflicht erachtete. Man hätte wirklich glauben sollen, daß in unserer europäischen und speciell in unserer deutschen bürgerlichen Gesellschaft -- wie in Californien und in Australien -- Tausende von Männern umherschmachteten, denen zu ihrem vollständigen Glücke gar nichts fehle als eine Frau, die sich von ihnen ernähren zu lassen die Güte hätte. Es keinesweges. Sie waren häufig wirklich zu beklagen und sie wollten sich redlich helfen; aber sie waren durch das Vorurtheil befangen, welches bisher die Frauen der mehr oder weniger gebildeten Stände zu lebenslänglicher und oft sehr kümmerlicher Abhängigkeit verdammte. Wir Alle sind noch auferzogen und erwachsen unter dem Banne gewisser Redensarten, die sehr gut klangen, die aber den Frauen, wenn sie in Noth geriethen, wenig oder gar nichts halfen. An allen Ecken und Enden konnte man es aussprechen hören, daß »die Frau durch ihre Natur und durch die Verhältnisse der civilisirten Staaten nur für das Leben innerhalb der Familie bestimmt sei!« — daß »die Frau fraglos die beste sei, von welcher man niemals etwas höre!« — daß »der keusche Dämmer des Hauses die eigentliche und einzige Heimath des Weibes sei!« — und wie die schönen landläufigen Phrasen alle hießen, mit welchen ein großer Theil der Männer uns von einer ehrenvollen Selbständigkeit zurückzuhalten und uns gelegentlich eben dadurch in große Noth zu stürzen, für geboten, ja für eine Art von männlichem Rechte und männlicher Pflicht erachtete. Man hätte wirklich glauben sollen, daß in unserer europäischen und speciell in unserer deutschen bürgerlichen Gesellschaft — wie in Californien und in Australien — Tausende von Männern umherschmachteten, denen zu ihrem vollständigen Glücke gar nichts fehle als eine Frau, die sich von ihnen ernähren zu lassen die Güte hätte. Es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="6"/> keinesweges. Sie waren häufig wirklich zu beklagen und sie wollten sich redlich helfen; aber sie waren durch das Vorurtheil befangen, welches bisher die Frauen der mehr oder weniger gebildeten Stände zu lebenslänglicher und oft sehr kümmerlicher Abhängigkeit verdammte.</p> <p>Wir Alle sind noch auferzogen und erwachsen unter dem Banne gewisser Redensarten, die sehr gut<hi rendition="#g"> klangen</hi>, die aber den Frauen, wenn sie in Noth geriethen, wenig oder gar nichts <hi rendition="#g">halfen</hi>. An allen Ecken und Enden konnte man es aussprechen hören, daß »die Frau durch ihre Natur und durch die Verhältnisse der civilisirten Staaten nur für das Leben innerhalb der Familie bestimmt sei!« — daß »<hi rendition="#g">die</hi> Frau fraglos die beste sei, von welcher man niemals etwas höre!« — daß »der keusche Dämmer des Hauses die eigentliche und einzige Heimath des Weibes sei!« — und wie die schönen landläufigen Phrasen alle hießen, mit welchen ein großer Theil der Männer uns von einer ehrenvollen Selbständigkeit zurückzuhalten und uns gelegentlich eben dadurch in große Noth zu stürzen, für geboten, ja für eine Art von männlichem Rechte und männlicher Pflicht erachtete.</p> <p>Man hätte wirklich glauben sollen, daß in unserer europäischen und speciell in unserer deutschen bürgerlichen Gesellschaft — wie in Californien und in Australien — Tausende von Männern umherschmachteten, denen zu ihrem vollständigen Glücke gar nichts fehle als eine Frau, die sich von ihnen ernähren zu lassen die Güte hätte. Es </p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0016]
keinesweges. Sie waren häufig wirklich zu beklagen und sie wollten sich redlich helfen; aber sie waren durch das Vorurtheil befangen, welches bisher die Frauen der mehr oder weniger gebildeten Stände zu lebenslänglicher und oft sehr kümmerlicher Abhängigkeit verdammte.
Wir Alle sind noch auferzogen und erwachsen unter dem Banne gewisser Redensarten, die sehr gut klangen, die aber den Frauen, wenn sie in Noth geriethen, wenig oder gar nichts halfen. An allen Ecken und Enden konnte man es aussprechen hören, daß »die Frau durch ihre Natur und durch die Verhältnisse der civilisirten Staaten nur für das Leben innerhalb der Familie bestimmt sei!« — daß »die Frau fraglos die beste sei, von welcher man niemals etwas höre!« — daß »der keusche Dämmer des Hauses die eigentliche und einzige Heimath des Weibes sei!« — und wie die schönen landläufigen Phrasen alle hießen, mit welchen ein großer Theil der Männer uns von einer ehrenvollen Selbständigkeit zurückzuhalten und uns gelegentlich eben dadurch in große Noth zu stürzen, für geboten, ja für eine Art von männlichem Rechte und männlicher Pflicht erachtete.
Man hätte wirklich glauben sollen, daß in unserer europäischen und speciell in unserer deutschen bürgerlichen Gesellschaft — wie in Californien und in Australien — Tausende von Männern umherschmachteten, denen zu ihrem vollständigen Glücke gar nichts fehle als eine Frau, die sich von ihnen ernähren zu lassen die Güte hätte. Es
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