Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Sie kennen mich, meine Freunde! und ich darf es um so eher sagen, da genug Personen leben, die das Gegentheil bezeugen könnten, wenn ich nicht die Wahrheit spräche: ich bin meinen Eltern eine gute und fleißige Tochter, meinen Geschwistern eine treue und werkthätige Schwester gewesen, und habe gegen meinen Mann und seine Kinder mit Glücksgefühl und nach meinen besten Kräften meine Schuldigkeit gethan. Ich gehöre also keineswegs zu den Frauen, deren zügellose Phantasie oder deren Selbstsucht sie gewaltsam aus den Schranken der Familie herausgedrängt hätten. Aber ich habe innerhalb meines Vaterhauses, innerhalb einer mich liebenden und von mir geliebten, jedoch nicht reichen Familie, Jahre voll so trüber Sorgen vor der uns drohenden Zukunft verlebt, daß ich noch nicht ohne Herzbeklemmung daran zurückdenken kann. Und das alles nur -- weil es sich für uns sechs Schwestern, da wir Töchter eines geachteten Kaufmanns und Stadtraths waren, "nicht schicken" sollte, uns fröhlich unser Brod zu verdienen, unserem Vater, dessen liebes Haar in dem Hinblick auf die sechs unversorgten Töchter viel zu früh ergraute, das Leben zu erleichtern; und unsern zwei Brüdern, auf deren Jugend das einstige Loos von sechs unversorgten Schwestern wie ein Alpdruck lastete, eine freie Freundschaft für uns einzuflößen. Dabei waren wir gut und häuslich erzogen, waren nicht unschön und nicht unbegabt. Aber mancher junge Mann, der die Eine oder die Andre von uns Sie kennen mich, meine Freunde! und ich darf es um so eher sagen, da genug Personen leben, die das Gegentheil bezeugen könnten, wenn ich nicht die Wahrheit spräche: ich bin meinen Eltern eine gute und fleißige Tochter, meinen Geschwistern eine treue und werkthätige Schwester gewesen, und habe gegen meinen Mann und seine Kinder mit Glücksgefühl und nach meinen besten Kräften meine Schuldigkeit gethan. Ich gehöre also keineswegs zu den Frauen, deren zügellose Phantasie oder deren Selbstsucht sie gewaltsam aus den Schranken der Familie herausgedrängt hätten. Aber ich habe innerhalb meines Vaterhauses, innerhalb einer mich liebenden und von mir geliebten, jedoch nicht reichen Familie, Jahre voll so trüber Sorgen vor der uns drohenden Zukunft verlebt, daß ich noch nicht ohne Herzbeklemmung daran zurückdenken kann. Und das alles nur — weil es sich für uns sechs Schwestern, da wir Töchter eines geachteten Kaufmanns und Stadtraths waren, »nicht schicken« sollte, uns fröhlich unser Brod zu verdienen, unserem Vater, dessen liebes Haar in dem Hinblick auf die sechs unversorgten Töchter viel zu früh ergraute, das Leben zu erleichtern; und unsern zwei Brüdern, auf deren Jugend das einstige Loos von sechs unversorgten Schwestern wie ein Alpdruck lastete, eine freie Freundschaft für uns einzuflößen. Dabei waren wir gut und häuslich erzogen, waren nicht unschön und nicht unbegabt. Aber mancher junge Mann, der die Eine oder die Andre von uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="16"/> Sie kennen mich, meine Freunde! und ich darf es um so eher sagen, da genug Personen leben, die das Gegentheil bezeugen könnten, wenn ich nicht die Wahrheit spräche: ich bin meinen Eltern eine gute und fleißige Tochter, meinen Geschwistern eine treue und werkthätige Schwester gewesen, und habe gegen meinen Mann und seine Kinder mit Glücksgefühl und nach meinen besten Kräften meine Schuldigkeit gethan. Ich gehöre also keineswegs zu den Frauen, deren zügellose Phantasie oder deren Selbstsucht sie gewaltsam aus den Schranken der Familie herausgedrängt hätten. Aber ich habe innerhalb meines Vaterhauses, innerhalb einer mich liebenden und von mir geliebten, jedoch nicht reichen Familie, Jahre voll so trüber Sorgen vor der uns drohenden Zukunft verlebt, daß ich noch nicht ohne Herzbeklemmung daran zurückdenken kann. Und das alles nur — weil es sich für uns sechs Schwestern, da wir Töchter eines geachteten Kaufmanns und Stadtraths waren, »nicht schicken« sollte, uns fröhlich unser Brod zu verdienen, unserem Vater, dessen liebes Haar in dem Hinblick auf die sechs unversorgten Töchter viel zu früh ergraute, das Leben zu erleichtern; und unsern zwei Brüdern, auf deren Jugend das einstige Loos von sechs unversorgten Schwestern wie ein Alpdruck lastete, eine freie Freundschaft für uns einzuflößen. Dabei waren wir gut und häuslich erzogen, waren nicht unschön und nicht unbegabt. Aber mancher junge Mann, der die Eine oder die Andre von uns </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
Sie kennen mich, meine Freunde! und ich darf es um so eher sagen, da genug Personen leben, die das Gegentheil bezeugen könnten, wenn ich nicht die Wahrheit spräche: ich bin meinen Eltern eine gute und fleißige Tochter, meinen Geschwistern eine treue und werkthätige Schwester gewesen, und habe gegen meinen Mann und seine Kinder mit Glücksgefühl und nach meinen besten Kräften meine Schuldigkeit gethan. Ich gehöre also keineswegs zu den Frauen, deren zügellose Phantasie oder deren Selbstsucht sie gewaltsam aus den Schranken der Familie herausgedrängt hätten. Aber ich habe innerhalb meines Vaterhauses, innerhalb einer mich liebenden und von mir geliebten, jedoch nicht reichen Familie, Jahre voll so trüber Sorgen vor der uns drohenden Zukunft verlebt, daß ich noch nicht ohne Herzbeklemmung daran zurückdenken kann. Und das alles nur — weil es sich für uns sechs Schwestern, da wir Töchter eines geachteten Kaufmanns und Stadtraths waren, »nicht schicken« sollte, uns fröhlich unser Brod zu verdienen, unserem Vater, dessen liebes Haar in dem Hinblick auf die sechs unversorgten Töchter viel zu früh ergraute, das Leben zu erleichtern; und unsern zwei Brüdern, auf deren Jugend das einstige Loos von sechs unversorgten Schwestern wie ein Alpdruck lastete, eine freie Freundschaft für uns einzuflößen. Dabei waren wir gut und häuslich erzogen, waren nicht unschön und nicht unbegabt. Aber mancher junge Mann, der die Eine oder die Andre von uns
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