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Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

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das man für jene Leipziger Anstalt ausgearbeitet hatte, beruhte, wie es mir gleich damals vorkam, auf einer falschen Voraussetzung.

Man schien anzunehmen, daß in den wohlhabenderen Mittelständen, auf die man es mit der Leipziger Anstalt abgesehen hatte, die Neigung bereits vorhanden sei, ihren Töchtern eine gewerbliche Bildung zu geben. Man hatte, trügt mein Gedächtniß nicht, es auf einen dreijährigen Cursus angelegt; es sollten neben dem reinen Gewerbe auch Gesang und verschiedene andere Gegenstände wissenschaftlicher Art gelehrt werden; und es hatte für mich den Anstrich, als suche man diese Mittelstände für die Gewerbeschule eben dadurch zu gewinnen, daß man die Mädchen in derselben nicht nur zu Arbeiterinnen und Selbsternährerinnen zu machen versprach, sondern sie auch halbwegs als gebildete junge Damen in die Welt zu schicken verhoffte. Auch das Jahrgeld war viel zu hoch angesetzt, nicht für das, was man leisten wollte, sondern für die Leute, auf die man es abgesehen hatte; und ich machte gleich damals den Einwand, daß Familien, die circa tausend Thaler -- denn ich glaube, auf eine solche Summe liefen Lehrgeld und Pension für den ganzen Cursus hinaus -- an die Ausbildung einer Tochter zu wenden im Stande wären, sich bis jetzt noch nicht dazu entschlössen, sie ein "Gewerbe" treiben zu lassen.

Da ich ein paar Jahre von der Heimath entfernt

das man für jene Leipziger Anstalt ausgearbeitet hatte, beruhte, wie es mir gleich damals vorkam, auf einer falschen Voraussetzung.

Man schien anzunehmen, daß in den wohlhabenderen Mittelständen, auf die man es mit der Leipziger Anstalt abgesehen hatte, die Neigung bereits vorhanden sei, ihren Töchtern eine gewerbliche Bildung zu geben. Man hatte, trügt mein Gedächtniß nicht, es auf einen dreijährigen Cursus angelegt; es sollten neben dem reinen Gewerbe auch Gesang und verschiedene andere Gegenstände wissenschaftlicher Art gelehrt werden; und es hatte für mich den Anstrich, als suche man diese Mittelstände für die Gewerbeschule eben dadurch zu gewinnen, daß man die Mädchen in derselben nicht nur zu Arbeiterinnen und Selbsternährerinnen zu machen versprach, sondern sie auch halbwegs als gebildete junge Damen in die Welt zu schicken verhoffte. Auch das Jahrgeld war viel zu hoch angesetzt, nicht für das, was man leisten wollte, sondern für die Leute, auf die man es abgesehen hatte; und ich machte gleich damals den Einwand, daß Familien, die circa tausend Thaler — denn ich glaube, auf eine solche Summe liefen Lehrgeld und Pension für den ganzen Cursus hinaus — an die Ausbildung einer Tochter zu wenden im Stande wären, sich bis jetzt noch nicht dazu entschlössen, sie ein »Gewerbe« treiben zu lassen.

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[23/0033] das man für jene Leipziger Anstalt ausgearbeitet hatte, beruhte, wie es mir gleich damals vorkam, auf einer falschen Voraussetzung. Man schien anzunehmen, daß in den wohlhabenderen Mittelständen, auf die man es mit der Leipziger Anstalt abgesehen hatte, die Neigung bereits vorhanden sei, ihren Töchtern eine gewerbliche Bildung zu geben. Man hatte, trügt mein Gedächtniß nicht, es auf einen dreijährigen Cursus angelegt; es sollten neben dem reinen Gewerbe auch Gesang und verschiedene andere Gegenstände wissenschaftlicher Art gelehrt werden; und es hatte für mich den Anstrich, als suche man diese Mittelstände für die Gewerbeschule eben dadurch zu gewinnen, daß man die Mädchen in derselben nicht nur zu Arbeiterinnen und Selbsternährerinnen zu machen versprach, sondern sie auch halbwegs als gebildete junge Damen in die Welt zu schicken verhoffte. Auch das Jahrgeld war viel zu hoch angesetzt, nicht für das, was man leisten wollte, sondern für die Leute, auf die man es abgesehen hatte; und ich machte gleich damals den Einwand, daß Familien, die circa tausend Thaler — denn ich glaube, auf eine solche Summe liefen Lehrgeld und Pension für den ganzen Cursus hinaus — an die Ausbildung einer Tochter zu wenden im Stande wären, sich bis jetzt noch nicht dazu entschlössen, sie ein »Gewerbe« treiben zu lassen. Da ich ein paar Jahre von der Heimath entfernt

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/33>, abgerufen am 21.11.2024.