stehen konnte, Steinheim zu necken. "Ich wußte nicht, daß Selbstverleugnung auch zu Ihren Tugenden gehöre."
"Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen, und das Erhabne in den Staub zu ziehen", declamirte Steinheim. "Daß Sie, holdes Fräulein aber an mir zweifeln, verdiene ich nicht, und ich könnte wie Cäsar sagen: ,Brutus auch Du!' -- Uebrigens wissen Sie ja, daß Sonnabends unsere Pferde geschont, und ich strapazirt werde."
"Das ist das erste Gesetz gegen Thierquä- lerei", rief Erlau dazwischen, "und ich wundere mich, lieber Meier, daß Du, in doppelter Hin- sicht triumphirend, nicht längst darauf aufmerk- sam gemacht hast."
"Wirklich", meinte Madame Meier, "ge- hört aber die stille Sabbathfeier zu den Gesetzen der jüdischen Religion, die mir sehr gefallen und zusagen -- obgleich wir sie nicht mehr halten."
ſtehen konnte, Steinheim zu necken. „Ich wußte nicht, daß Selbſtverleugnung auch zu Ihren Tugenden gehöre.“
„Es liebt die Welt, das Strahlende zu ſchwärzen, und das Erhabne in den Staub zu ziehen“, declamirte Steinheim. „Daß Sie, holdes Fräulein aber an mir zweifeln, verdiene ich nicht, und ich könnte wie Cäſar ſagen: ‚Brutus auch Du!‘ — Uebrigens wiſſen Sie ja, daß Sonnabends unſere Pferde geſchont, und ich ſtrapazirt werde.“
„Das iſt das erſte Geſetz gegen Thierquä- lerei“, rief Erlau dazwiſchen, „und ich wundere mich, lieber Meier, daß Du, in doppelter Hin- ſicht triumphirend, nicht längſt darauf aufmerk- ſam gemacht haſt.“
„Wirklich“, meinte Madame Meier, „ge- hört aber die ſtille Sabbathfeier zu den Geſetzen der jüdiſchen Religion, die mir ſehr gefallen und zuſagen — obgleich wir ſie nicht mehr halten.“
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ſtehen konnte, Steinheim zu necken. „Ich wußte
nicht, daß Selbſtverleugnung auch zu Ihren
Tugenden gehöre.“
„Es liebt die Welt, das Strahlende zu
ſchwärzen, und das Erhabne in den Staub zu
ziehen“, declamirte Steinheim. „Daß Sie,
holdes Fräulein aber an mir zweifeln, verdiene
ich nicht, und ich könnte wie Cäſar ſagen:
‚Brutus auch Du!‘ — Uebrigens wiſſen Sie
ja, daß Sonnabends unſere Pferde geſchont,
und ich ſtrapazirt werde.“
„Das iſt das erſte Geſetz gegen Thierquä-
lerei“, rief Erlau dazwiſchen, „und ich wundere
mich, lieber Meier, daß Du, in doppelter Hin-
ſicht triumphirend, nicht längſt darauf aufmerk-
ſam gemacht haſt.“
„Wirklich“, meinte Madame Meier, „ge-
hört aber die ſtille Sabbathfeier zu den Geſetzen
der jüdiſchen Religion, die mir ſehr gefallen und
zuſagen — obgleich wir ſie nicht mehr halten.“
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/120>, abgerufen am 21.11.2024.
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