hörte. Die jetzige Commerzienräthin Horn war älter als ihr Gatte, hatte aber, als sie sich mit ihm verband, noch vollen Anspruch auf die Be- wunderung ihrer regelmäßigen kalten Schönheit zu machen, und glaubte, ein Recht auf die Verehrung ihres Mannes, auf seinen Dank zu besitzen, weil sie sich entschlossen, zu einer Ver- bindung zu schreiten, die damals noch keine glänzende Aussicht bot. Liebe brachten beide Theile nicht in das neu gegründete Hauswesen; und als bald darauf der herrschsüchtige Charakter der Frau dem jungen Manne sein Haus zur Plage machte, und er sich immermehr von ihr zurückzog, artete ihre Stimmung in eine Bit- terkeit, in eine starre Kälte aus, die vollends dazu beitrug, die Gatten zu trennen. Die Geburt ihres Sohnes Ferdinand schien das Herz der Mutter mildern Gefühlen gegen den Vater des Kindes zu öffnen. Es war aber zu spät, um den Frieden herzustellen. Horn
hörte. Die jetzige Commerzienräthin Horn war älter als ihr Gatte, hatte aber, als ſie ſich mit ihm verband, noch vollen Anſpruch auf die Be- wunderung ihrer regelmäßigen kalten Schönheit zu machen, und glaubte, ein Recht auf die Verehrung ihres Mannes, auf ſeinen Dank zu beſitzen, weil ſie ſich entſchloſſen, zu einer Ver- bindung zu ſchreiten, die damals noch keine glänzende Ausſicht bot. Liebe brachten beide Theile nicht in das neu gegründete Hausweſen; und als bald darauf der herrſchſüchtige Charakter der Frau dem jungen Manne ſein Haus zur Plage machte, und er ſich immermehr von ihr zurückzog, artete ihre Stimmung in eine Bit- terkeit, in eine ſtarre Kälte aus, die vollends dazu beitrug, die Gatten zu trennen. Die Geburt ihres Sohnes Ferdinand ſchien das Herz der Mutter mildern Gefühlen gegen den Vater des Kindes zu öffnen. Es war aber zu ſpät, um den Frieden herzuſtellen. Horn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0125"n="113"/>
hörte. Die jetzige Commerzienräthin Horn war<lb/>
älter als ihr Gatte, hatte aber, als ſie ſich mit<lb/>
ihm verband, noch vollen Anſpruch auf die Be-<lb/>
wunderung ihrer regelmäßigen kalten Schönheit<lb/>
zu machen, und glaubte, ein Recht auf die<lb/>
Verehrung ihres Mannes, auf ſeinen Dank zu<lb/>
beſitzen, weil ſie ſich entſchloſſen, zu einer Ver-<lb/>
bindung zu ſchreiten, die damals noch keine<lb/>
glänzende Ausſicht bot. Liebe brachten beide<lb/>
Theile nicht in das neu gegründete Hausweſen;<lb/>
und als bald darauf der herrſchſüchtige Charakter<lb/>
der Frau dem jungen Manne ſein Haus zur<lb/>
Plage machte, und er ſich immermehr von ihr<lb/>
zurückzog, artete ihre Stimmung in eine Bit-<lb/>
terkeit, in eine ſtarre Kälte aus, die vollends<lb/>
dazu beitrug, die Gatten zu trennen. Die<lb/>
Geburt ihres Sohnes Ferdinand ſchien das<lb/>
Herz der Mutter mildern Gefühlen gegen den<lb/>
Vater des Kindes zu öffnen. Es war aber<lb/>
zu ſpät, um den Frieden herzuſtellen. Horn<lb/></p></div></body></text></TEI>
[113/0125]
hörte. Die jetzige Commerzienräthin Horn war
älter als ihr Gatte, hatte aber, als ſie ſich mit
ihm verband, noch vollen Anſpruch auf die Be-
wunderung ihrer regelmäßigen kalten Schönheit
zu machen, und glaubte, ein Recht auf die
Verehrung ihres Mannes, auf ſeinen Dank zu
beſitzen, weil ſie ſich entſchloſſen, zu einer Ver-
bindung zu ſchreiten, die damals noch keine
glänzende Ausſicht bot. Liebe brachten beide
Theile nicht in das neu gegründete Hausweſen;
und als bald darauf der herrſchſüchtige Charakter
der Frau dem jungen Manne ſein Haus zur
Plage machte, und er ſich immermehr von ihr
zurückzog, artete ihre Stimmung in eine Bit-
terkeit, in eine ſtarre Kälte aus, die vollends
dazu beitrug, die Gatten zu trennen. Die
Geburt ihres Sohnes Ferdinand ſchien das
Herz der Mutter mildern Gefühlen gegen den
Vater des Kindes zu öffnen. Es war aber
zu ſpät, um den Frieden herzuſtellen. Horn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/125>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.