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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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Zutrauen zu seiner Behandlung, sie achtete ihn
als Mann -- heute hatte sie ihn so tief in ihrer
Seele lesen lassen; das Unglück ihres ganzen
Lebens, das Niemand kannte, war Meier'n ent-
hüllt worden, er hatte sich wie ein Bruder
mild und gut gegen sie gezeigt, sie war ihm so
nahe getreten, und -- er war ein Jude. Sie
erschrack, und mußte doch lächeln, denn sie
hatte es gewußt, und die Ihrigen hatten sie
damit geneckt, daß sie darauf bestanden, sich
nur von einem Arzte des "auserwählten Vol-
kes" behandeln zu lassen. Man hatte sie oft
genug um den eigentlichen Grund dieser Wahl
gefragt, und doch konnte sie die Thatsache so
ganz vergessen, daß sie jetzt ganz überrascht
davon war. Noch vor einigen Tagen hatte
William, der öfter in ihrem Krankenzimmer
erschien, mit großer Theilnahme von der Meier-
schen Familie gesprochen, die er kennen gelernt
und wegen dieser Bekanntschaft eine Straf-

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Zutrauen zu ſeiner Behandlung, ſie achtete ihn
als Mann — heute hatte ſie ihn ſo tief in ihrer
Seele leſen laſſen; das Unglück ihres ganzen
Lebens, das Niemand kannte, war Meier'n ent-
hüllt worden, er hatte ſich wie ein Bruder
mild und gut gegen ſie gezeigt, ſie war ihm ſo
nahe getreten, und — er war ein Jude. Sie
erſchrack, und mußte doch lächeln, denn ſie
hatte es gewußt, und die Ihrigen hatten ſie
damit geneckt, daß ſie darauf beſtanden, ſich
nur von einem Arzte des „auserwählten Vol-
kes“ behandeln zu laſſen. Man hatte ſie oft
genug um den eigentlichen Grund dieſer Wahl
gefragt, und doch konnte ſie die Thatſache ſo
ganz vergeſſen, daß ſie jetzt ganz überraſcht
davon war. Noch vor einigen Tagen hatte
William, der öfter in ihrem Krankenzimmer
erſchien, mit großer Theilnahme von der Meier-
ſchen Familie geſprochen, die er kennen gelernt
und wegen dieſer Bekanntſchaft eine Straf-

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[129/0141] Zutrauen zu ſeiner Behandlung, ſie achtete ihn als Mann — heute hatte ſie ihn ſo tief in ihrer Seele leſen laſſen; das Unglück ihres ganzen Lebens, das Niemand kannte, war Meier'n ent- hüllt worden, er hatte ſich wie ein Bruder mild und gut gegen ſie gezeigt, ſie war ihm ſo nahe getreten, und — er war ein Jude. Sie erſchrack, und mußte doch lächeln, denn ſie hatte es gewußt, und die Ihrigen hatten ſie damit geneckt, daß ſie darauf beſtanden, ſich nur von einem Arzte des „auserwählten Vol- kes“ behandeln zu laſſen. Man hatte ſie oft genug um den eigentlichen Grund dieſer Wahl gefragt, und doch konnte ſie die Thatſache ſo ganz vergeſſen, daß ſie jetzt ganz überraſcht davon war. Noch vor einigen Tagen hatte William, der öfter in ihrem Krankenzimmer erſchien, mit großer Theilnahme von der Meier- ſchen Familie geſprochen, die er kennen gelernt und wegen dieſer Bekanntſchaft eine Straf- 6**

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/141>, abgerufen am 24.11.2024.