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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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mag, für die unterdrückte Nation zu wirken,
der ich angehöre; sie frei zu machen, aus Skla-
venfesseln, die Jahrhunderte auf ihr lasten.
Wie mag ich mein Glück, das Glück des Ein-
zelnen, so hoch schätzen, während mein ganzes
Volk nicht glücklich ist! Ehe ich meineidig
werde an den Meinen und meiner Ehre, mag
dies Herz brechen in Sehnsucht nach der Ge-
liebten, nach meiner süßen, schönen Clara!"
Und wieder und immer wieder wollte der männ-
liche Entschluß wankend werden, bei dem Ge-
danken an die Geliebte. Eduard malte es sich
aus, wie auch Clara's Seele leiden werde unter
der Trennung, die er über sie und sich verhän-
gen müsse -- wie sie ihm zürnen werde, weil
er so großes Weh über sie bringe -- und doch
vermochte er noch weniger den Gedanken zu
ertragen, sich und ihr durch die Taufe alle
diese Schmerzen zu ersparen und sich mit ihr
zu verbinden. Er war entschlossen und re-

mag, für die unterdrückte Nation zu wirken,
der ich angehöre; ſie frei zu machen, aus Skla-
venfeſſeln, die Jahrhunderte auf ihr laſten.
Wie mag ich mein Glück, das Glück des Ein-
zelnen, ſo hoch ſchätzen, während mein ganzes
Volk nicht glücklich iſt! Ehe ich meineidig
werde an den Meinen und meiner Ehre, mag
dies Herz brechen in Sehnſucht nach der Ge-
liebten, nach meiner ſüßen, ſchönen Clara!“
Und wieder und immer wieder wollte der männ-
liche Entſchluß wankend werden, bei dem Ge-
danken an die Geliebte. Eduard malte es ſich
aus, wie auch Clara's Seele leiden werde unter
der Trennung, die er über ſie und ſich verhän-
gen müſſe — wie ſie ihm zürnen werde, weil
er ſo großes Weh über ſie bringe — und doch
vermochte er noch weniger den Gedanken zu
ertragen, ſich und ihr durch die Taufe alle
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[146/0158] mag, für die unterdrückte Nation zu wirken, der ich angehöre; ſie frei zu machen, aus Skla- venfeſſeln, die Jahrhunderte auf ihr laſten. Wie mag ich mein Glück, das Glück des Ein- zelnen, ſo hoch ſchätzen, während mein ganzes Volk nicht glücklich iſt! Ehe ich meineidig werde an den Meinen und meiner Ehre, mag dies Herz brechen in Sehnſucht nach der Ge- liebten, nach meiner ſüßen, ſchönen Clara!“ Und wieder und immer wieder wollte der männ- liche Entſchluß wankend werden, bei dem Ge- danken an die Geliebte. Eduard malte es ſich aus, wie auch Clara's Seele leiden werde unter der Trennung, die er über ſie und ſich verhän- gen müſſe — wie ſie ihm zürnen werde, weil er ſo großes Weh über ſie bringe — und doch vermochte er noch weniger den Gedanken zu ertragen, ſich und ihr durch die Taufe alle dieſe Schmerzen zu erſparen und ſich mit ihr zu verbinden. Er war entſchloſſen und re-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/158>, abgerufen am 24.11.2024.