höchst befremdlich scheinen in unserer Zeit, son- dern daß ich sie geradezu für unschicklich halte, nachdem ich Ihnen gesagt habe, daß ich der Familie befreundet bin und sie hochachte."
"Ah, entschuldigen Sie, Herr Reinhard, ich vergaß, daß Sie Stunden in dem Hause geben und die Sache anders ansehen müssen. Ich aber, der ich ganz unabhängig bin, gestehe Ihnen -- -- -- --"
"Gestehen Sie nichts mehr, Sie haben schon so Vieles heute gestanden", rief Erlau dazwi- schen, "was Sie lieber hätten verschweigen sollen. Sie sind ein reicher, junger Kaufmann, sehr elegant, sehr fashionable, was kümmern Sie Ge- ständnisse und Juden? Mein Gott! Sie haben nun einmal die Antipathie, und Sie brauchen ja auch nicht zu Meiers zu gehen, es hat Sie Niemand gebeten -- selbst nicht", fügte er halb- laut, gegen Reinhard gewendet, hinzu, "als vor drei Jahren die Sonntag dort war und der
höchſt befremdlich ſcheinen in unſerer Zeit, ſon- dern daß ich ſie geradezu für unſchicklich halte, nachdem ich Ihnen geſagt habe, daß ich der Familie befreundet bin und ſie hochachte.“
„Ah, entſchuldigen Sie, Herr Reinhard, ich vergaß, daß Sie Stunden in dem Hauſe geben und die Sache anders anſehen müſſen. Ich aber, der ich ganz unabhängig bin, geſtehe Ihnen — — — —“
„Geſtehen Sie nichts mehr, Sie haben ſchon ſo Vieles heute geſtanden“, rief Erlau dazwi- ſchen, „was Sie lieber hätten verſchweigen ſollen. Sie ſind ein reicher, junger Kaufmann, ſehr elegant, ſehr faſhionable, was kümmern Sie Ge- ſtändniſſe und Juden? Mein Gott! Sie haben nun einmal die Antipathie, und Sie brauchen ja auch nicht zu Meiers zu gehen, es hat Sie Niemand gebeten — ſelbſt nicht“, fügte er halb- laut, gegen Reinhard gewendet, hinzu, „als vor drei Jahren die Sonntag dort war und der
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höchſt befremdlich ſcheinen in unſerer Zeit, ſon-
dern daß ich ſie geradezu für unſchicklich halte,
nachdem ich Ihnen geſagt habe, daß ich der
Familie befreundet bin und ſie hochachte.“
„Ah, entſchuldigen Sie, Herr Reinhard, ich
vergaß, daß Sie Stunden in dem Hauſe geben
und die Sache anders anſehen müſſen. Ich
aber, der ich ganz unabhängig bin, geſtehe
Ihnen — — — —“
„Geſtehen Sie nichts mehr, Sie haben ſchon
ſo Vieles heute geſtanden“, rief Erlau dazwi-
ſchen, „was Sie lieber hätten verſchweigen ſollen.
Sie ſind ein reicher, junger Kaufmann, ſehr
elegant, ſehr faſhionable, was kümmern Sie Ge-
ſtändniſſe und Juden? Mein Gott! Sie haben
nun einmal die Antipathie, und Sie brauchen
ja auch nicht zu Meiers zu gehen, es hat Sie
Niemand gebeten — ſelbſt nicht“, fügte er halb-
laut, gegen Reinhard gewendet, hinzu, „als vor
drei Jahren die Sonntag dort war und der
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/20>, abgerufen am 21.11.2024.
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