"Wollte Gott! ich könnte sie Reinhard mit solcher Zuversicht anvertrauen, als Dir", ent- gegnete Herr Meier.
Es entstand eine peinliche Pause. Eduard, der hier zwischen seinen besten Freunden ent- scheiden sollte, fühlte für Beide die lebhafteste Sympathie. Er gönnte Reinhard und Jenny ein Glück, das ihn seine Liebe in voller Größe erkennen ließ, und empfand in Joseph's Seele, was Entsagung bedeute! Das Mißtrauen sei- nes Vaters gegen Reinhard aber bewog ihn endlich, das Schweigen mit der Bemerkung zu unterbrechen, wie ihm, der Reinhard seit Jahren kenne, dessen Charakter ein sicherer Bürge für Jenny's Zukunft sei."
"Da irrst Du!" entgegnete der Vater. "Ich achte Reinhard und erkenne seine Vorzüge an, aber er lebt in einer Ideenwelt. Solche Men- schen sind mir bedenklich und taugen nicht für die Ehe. Weil er mit der höchsten Anstren-
„Wollte Gott! ich könnte ſie Reinhard mit ſolcher Zuverſicht anvertrauen, als Dir“, ent- gegnete Herr Meier.
Es entſtand eine peinliche Pauſe. Eduard, der hier zwiſchen ſeinen beſten Freunden ent- ſcheiden ſollte, fühlte für Beide die lebhafteſte Sympathie. Er gönnte Reinhard und Jenny ein Glück, das ihn ſeine Liebe in voller Größe erkennen ließ, und empfand in Joſeph's Seele, was Entſagung bedeute! Das Mißtrauen ſei- nes Vaters gegen Reinhard aber bewog ihn endlich, das Schweigen mit der Bemerkung zu unterbrechen, wie ihm, der Reinhard ſeit Jahren kenne, deſſen Charakter ein ſicherer Bürge für Jenny's Zukunft ſei.“
„Da irrſt Du!“ entgegnete der Vater. „Ich achte Reinhard und erkenne ſeine Vorzüge an, aber er lebt in einer Ideenwelt. Solche Men- ſchen ſind mir bedenklich und taugen nicht für die Ehe. Weil er mit der höchſten Anſtren-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0247"n="235"/><p>„Wollte Gott! ich könnte ſie Reinhard mit<lb/>ſolcher Zuverſicht anvertrauen, als Dir“, ent-<lb/>
gegnete Herr Meier.</p><lb/><p>Es entſtand eine peinliche Pauſe. Eduard,<lb/>
der hier zwiſchen ſeinen beſten Freunden ent-<lb/>ſcheiden ſollte, fühlte für Beide die lebhafteſte<lb/>
Sympathie. Er gönnte Reinhard und Jenny<lb/>
ein Glück, das ihn ſeine Liebe in voller Größe<lb/>
erkennen ließ, und empfand in Joſeph's Seele,<lb/>
was Entſagung bedeute! Das Mißtrauen ſei-<lb/>
nes Vaters gegen Reinhard aber bewog ihn<lb/>
endlich, das Schweigen mit der Bemerkung<lb/>
zu unterbrechen, wie ihm, der Reinhard ſeit<lb/>
Jahren kenne, deſſen Charakter ein ſicherer<lb/>
Bürge für Jenny's Zukunft ſei.“</p><lb/><p>„Da irrſt Du!“ entgegnete der Vater. „Ich<lb/>
achte Reinhard und erkenne ſeine Vorzüge an,<lb/>
aber er lebt in einer Ideenwelt. Solche Men-<lb/>ſchen ſind mir bedenklich und taugen nicht für<lb/>
die Ehe. Weil er mit der höchſten Anſtren-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[235/0247]
„Wollte Gott! ich könnte ſie Reinhard mit
ſolcher Zuverſicht anvertrauen, als Dir“, ent-
gegnete Herr Meier.
Es entſtand eine peinliche Pauſe. Eduard,
der hier zwiſchen ſeinen beſten Freunden ent-
ſcheiden ſollte, fühlte für Beide die lebhafteſte
Sympathie. Er gönnte Reinhard und Jenny
ein Glück, das ihn ſeine Liebe in voller Größe
erkennen ließ, und empfand in Joſeph's Seele,
was Entſagung bedeute! Das Mißtrauen ſei-
nes Vaters gegen Reinhard aber bewog ihn
endlich, das Schweigen mit der Bemerkung
zu unterbrechen, wie ihm, der Reinhard ſeit
Jahren kenne, deſſen Charakter ein ſicherer
Bürge für Jenny's Zukunft ſei.“
„Da irrſt Du!“ entgegnete der Vater. „Ich
achte Reinhard und erkenne ſeine Vorzüge an,
aber er lebt in einer Ideenwelt. Solche Men-
ſchen ſind mir bedenklich und taugen nicht für
die Ehe. Weil er mit der höchſten Anſtren-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/247>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.