Nichts war nun natürlicher, als daß der Umgang zwischen den beiden jungen Mädchen bald eine Art von Innigkeit gewann, nachdem die ersten Schritte gethan waren. Clara hörte nur zu gern von Eduard erzählen; was er ge- sagt, gewollt, war für sie von dem höchsten Interesse. Alles und Jedes, das in irgend ei- ner Beziehung zu ihm stand, erregte ihre Theilnahme, und sie fühlte sich zu Jenny, dem Lieblinge Eduard's, hingezogen, um so mehr, als sie mit ihr stundenlang von dem Geliebten sprechen konnte, ohne, wie sie wähnte, irgend einen Verdacht zu erregen. Doch darin täuschte sie sich. Jenny, der die leidenschaftliche Liebe Eduard's zu Clara längst außer allem Zweifel war, hatte auch bald in Clara's Seele gele- sen. Ein gleicher Bildungsgrad machte ihr das Beisammensein mit Clara höchst angenehm, sie fand an ihr, was sie an Therese stets ver-
Nichts war nun natürlicher, als daß der Umgang zwiſchen den beiden jungen Mädchen bald eine Art von Innigkeit gewann, nachdem die erſten Schritte gethan waren. Clara hörte nur zu gern von Eduard erzählen; was er ge- ſagt, gewollt, war für ſie von dem höchſten Intereſſe. Alles und Jedes, das in irgend ei- ner Beziehung zu ihm ſtand, erregte ihre Theilnahme, und ſie fühlte ſich zu Jenny, dem Lieblinge Eduard's, hingezogen, um ſo mehr, als ſie mit ihr ſtundenlang von dem Geliebten ſprechen konnte, ohne, wie ſie wähnte, irgend einen Verdacht zu erregen. Doch darin täuſchte ſie ſich. Jenny, der die leidenſchaftliche Liebe Eduard's zu Clara längſt außer allem Zweifel war, hatte auch bald in Clara's Seele gele- ſen. Ein gleicher Bildungsgrad machte ihr das Beiſammenſein mit Clara höchſt angenehm, ſie fand an ihr, was ſie an Thereſe ſtets ver-
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Nichts war nun natürlicher, als daß der
Umgang zwiſchen den beiden jungen Mädchen
bald eine Art von Innigkeit gewann, nachdem
die erſten Schritte gethan waren. Clara hörte
nur zu gern von Eduard erzählen; was er ge-
ſagt, gewollt, war für ſie von dem höchſten
Intereſſe. Alles und Jedes, das in irgend ei-
ner Beziehung zu ihm ſtand, erregte ihre
Theilnahme, und ſie fühlte ſich zu Jenny, dem
Lieblinge Eduard's, hingezogen, um ſo mehr,
als ſie mit ihr ſtundenlang von dem Geliebten
ſprechen konnte, ohne, wie ſie wähnte, irgend
einen Verdacht zu erregen. Doch darin täuſchte
ſie ſich. Jenny, der die leidenſchaftliche Liebe
Eduard's zu Clara längſt außer allem Zweifel
war, hatte auch bald in Clara's Seele gele-
ſen. Ein gleicher Bildungsgrad machte ihr
das Beiſammenſein mit Clara höchſt angenehm,
ſie fand an ihr, was ſie an Thereſe ſtets ver-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/297>, abgerufen am 23.11.2024.
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