Schmerz drückte, und tausend andere Veranlas- sungen vor, und versuchte durch eine erzwun- gene Heiterkeit Reinhard zu beruhigen, der die- sen plötzlichen Wechsel der Stimmung wieder einer kindischen Laune zuschrieb und sich mis- billigend darüber äußerte. Dazu kam, daß er, so oft sie allein beisammen waren, sich bei Jenny nach dem Fortgange des Religionsun- terrichts erkundigte; daß er zu wissen begehrte, was sie gehört und wie sie es aufgenommen. Und doch war es grade Das, was sie zu ver- meiden wünschte. Deshalb suchte sie es so ein- zurichten, daß Reinhard in den Stunden, die die er gewöhnlich bei ihr zubrachte, bald The- rese, bald Clara als Dritte fand; und mit Scherzen mancher Art machte sie jeder ernstern Unterhaltung ein Ende, aus Besorgniß, diese könne eine Richtung nehmen, die sie zu scheuen Ursache hatte. Wie natürlich setzte ein solches Betragen Reinhard in Verwunderung. Er
Schmerz drückte, und tauſend andere Veranlaſ- ſungen vor, und verſuchte durch eine erzwun- gene Heiterkeit Reinhard zu beruhigen, der die- ſen plötzlichen Wechſel der Stimmung wieder einer kindiſchen Laune zuſchrieb und ſich mis- billigend darüber äußerte. Dazu kam, daß er, ſo oft ſie allein beiſammen waren, ſich bei Jenny nach dem Fortgange des Religionsun- terrichts erkundigte; daß er zu wiſſen begehrte, was ſie gehört und wie ſie es aufgenommen. Und doch war es grade Das, was ſie zu ver- meiden wünſchte. Deshalb ſuchte ſie es ſo ein- zurichten, daß Reinhard in den Stunden, die die er gewöhnlich bei ihr zubrachte, bald The- reſe, bald Clara als Dritte fand; und mit Scherzen mancher Art machte ſie jeder ernſtern Unterhaltung ein Ende, aus Beſorgniß, dieſe könne eine Richtung nehmen, die ſie zu ſcheuen Urſache hatte. Wie natürlich ſetzte ein ſolches Betragen Reinhard in Verwunderung. Er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0318"n="310"/>
Schmerz drückte, und tauſend andere Veranlaſ-<lb/>ſungen vor, und verſuchte durch eine erzwun-<lb/>
gene Heiterkeit Reinhard zu beruhigen, der die-<lb/>ſen plötzlichen Wechſel der Stimmung wieder<lb/>
einer kindiſchen Laune zuſchrieb und ſich mis-<lb/>
billigend darüber äußerte. Dazu kam, daß er,<lb/>ſo oft ſie allein beiſammen waren, ſich bei<lb/>
Jenny nach dem Fortgange des Religionsun-<lb/>
terrichts erkundigte; daß er zu wiſſen begehrte,<lb/>
was ſie gehört und wie ſie es aufgenommen.<lb/>
Und doch war es grade Das, was ſie zu ver-<lb/>
meiden wünſchte. Deshalb ſuchte ſie es ſo ein-<lb/>
zurichten, daß Reinhard in den Stunden, die<lb/>
die er gewöhnlich bei ihr zubrachte, bald The-<lb/>
reſe, bald Clara als Dritte fand; und mit<lb/>
Scherzen mancher Art machte ſie jeder ernſtern<lb/>
Unterhaltung ein Ende, aus Beſorgniß, dieſe<lb/>
könne eine Richtung nehmen, die ſie zu ſcheuen<lb/>
Urſache hatte. Wie natürlich ſetzte ein ſolches<lb/>
Betragen Reinhard in Verwunderung. Er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[310/0318]
Schmerz drückte, und tauſend andere Veranlaſ-
ſungen vor, und verſuchte durch eine erzwun-
gene Heiterkeit Reinhard zu beruhigen, der die-
ſen plötzlichen Wechſel der Stimmung wieder
einer kindiſchen Laune zuſchrieb und ſich mis-
billigend darüber äußerte. Dazu kam, daß er,
ſo oft ſie allein beiſammen waren, ſich bei
Jenny nach dem Fortgange des Religionsun-
terrichts erkundigte; daß er zu wiſſen begehrte,
was ſie gehört und wie ſie es aufgenommen.
Und doch war es grade Das, was ſie zu ver-
meiden wünſchte. Deshalb ſuchte ſie es ſo ein-
zurichten, daß Reinhard in den Stunden, die
die er gewöhnlich bei ihr zubrachte, bald The-
reſe, bald Clara als Dritte fand; und mit
Scherzen mancher Art machte ſie jeder ernſtern
Unterhaltung ein Ende, aus Beſorgniß, dieſe
könne eine Richtung nehmen, die ſie zu ſcheuen
Urſache hatte. Wie natürlich ſetzte ein ſolches
Betragen Reinhard in Verwunderung. Er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/318>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.