"Sage, Gott sei Dank! mein Mütter- chen!" rief Jenny, "mich quälen schon die alten Wunder so ungemein, daß ich wirklich genug an ihnen habe und keine neuen begehre." Kaum aber hatte sie es gesagt, als sie es be- reute, weil Reinhard sie fragte, ob denn der Pastor heute von den Wundern mit ihr ge- sprochen und wovon überhaupt die Rede ge- wesen sei? Nun war das Gespräch, das sie gefürchtet, kaum zu vermeiden und sie er- zählte ruhig Alles, was der Pastor ihr über den Gegenstand gesagt hatte, ohne den Ein- druck zu berühren, den es ihr gemacht. Dann, als Reinhard zu wissen verlangte, ob ihr denn nun die Idee der Dreieinigkeit einleuchtend ge- worden, ob sie nun erfaßt hätte, was ihr frü- her unbegreiflich gewesen sei? sagte sie: "Nun Eine Dreieinigkeit habe ich immer erkannt, die vielleicht wieder Andern unverständlich oder we- nigstens nicht so in sich und durch sich be-
„Sage, Gott ſei Dank! mein Mütter- chen!“ rief Jenny, „mich quälen ſchon die alten Wunder ſo ungemein, daß ich wirklich genug an ihnen habe und keine neuen begehre.“ Kaum aber hatte ſie es geſagt, als ſie es be- reute, weil Reinhard ſie fragte, ob denn der Paſtor heute von den Wundern mit ihr ge- ſprochen und wovon überhaupt die Rede ge- weſen ſei? Nun war das Geſpräch, das ſie gefürchtet, kaum zu vermeiden und ſie er- zählte ruhig Alles, was der Paſtor ihr über den Gegenſtand geſagt hatte, ohne den Ein- druck zu berühren, den es ihr gemacht. Dann, als Reinhard zu wiſſen verlangte, ob ihr denn nun die Idee der Dreieinigkeit einleuchtend ge- worden, ob ſie nun erfaßt hätte, was ihr frü- her unbegreiflich geweſen ſei? ſagte ſie: „Nun Eine Dreieinigkeit habe ich immer erkannt, die vielleicht wieder Andern unverſtändlich oder we- nigſtens nicht ſo in ſich und durch ſich be-
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„Sage, Gott ſei Dank! mein Mütter-
chen!“ rief Jenny, „mich quälen ſchon die
alten Wunder ſo ungemein, daß ich wirklich
genug an ihnen habe und keine neuen begehre.“
Kaum aber hatte ſie es geſagt, als ſie es be-
reute, weil Reinhard ſie fragte, ob denn der
Paſtor heute von den Wundern mit ihr ge-
ſprochen und wovon überhaupt die Rede ge-
weſen ſei? Nun war das Geſpräch, das ſie
gefürchtet, kaum zu vermeiden und ſie er-
zählte ruhig Alles, was der Paſtor ihr über
den Gegenſtand geſagt hatte, ohne den Ein-
druck zu berühren, den es ihr gemacht. Dann,
als Reinhard zu wiſſen verlangte, ob ihr denn
nun die Idee der Dreieinigkeit einleuchtend ge-
worden, ob ſie nun erfaßt hätte, was ihr frü-
her unbegreiflich geweſen ſei? ſagte ſie: „Nun
Eine Dreieinigkeit habe ich immer erkannt, die
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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