Stellung zu seinen Gefährten wieder. Doch hatte er sich in dieser Lage gewöhnt, sich in der Opposition zu empfinden, ein Gefühl, das ihn nie wieder verließ, weil er beständig in Verhältnissen lebte, die eine Opposition drin- gend hervorriefen.
Da Eduard keine Neigung für den Kauf- mannsstand hegte, beschlossen seine Eltern, ihn studiren zu lassen, wobei ihm freilich nur die Wahl blieb, Mediziner zu werden, oder nach beendigten Studien in irgend einem andern Fache als Privatgelehrter zu leben, da ihm der Eintritt in eine Staatsstelle ebenso wie die Erlangung eines Lehrstuhles als Jude unmöglich war. Er entschied sich für das Erstere und verließ das Vaterhaus, um die Universität zu beziehen.
Glücklicherweise herrschte damals auf der Hochschule noch jener freie akademische Geist, den man jetzt so gern verbannen möchte, weil er nur zu sehr geeignet ist, den Mann an die
Stellung zu ſeinen Gefährten wieder. Doch hatte er ſich in dieſer Lage gewöhnt, ſich in der Oppoſition zu empfinden, ein Gefühl, das ihn nie wieder verließ, weil er beſtändig in Verhältniſſen lebte, die eine Oppoſition drin- gend hervorriefen.
Da Eduard keine Neigung für den Kauf- mannsſtand hegte, beſchloſſen ſeine Eltern, ihn ſtudiren zu laſſen, wobei ihm freilich nur die Wahl blieb, Mediziner zu werden, oder nach beendigten Studien in irgend einem andern Fache als Privatgelehrter zu leben, da ihm der Eintritt in eine Staatsſtelle ebenſo wie die Erlangung eines Lehrſtuhles als Jude unmöglich war. Er entſchied ſich für das Erſtere und verließ das Vaterhaus, um die Univerſität zu beziehen.
Glücklicherweiſe herrſchte damals auf der Hochſchule noch jener freie akademiſche Geiſt, den man jetzt ſo gern verbannen möchte, weil er nur zu ſehr geeignet iſt, den Mann an die
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Stellung zu ſeinen Gefährten wieder. Doch
hatte er ſich in dieſer Lage gewöhnt, ſich in
der Oppoſition zu empfinden, ein Gefühl, das
ihn nie wieder verließ, weil er beſtändig in
Verhältniſſen lebte, die eine Oppoſition drin-
gend hervorriefen.
Da Eduard keine Neigung für den Kauf-
mannsſtand hegte, beſchloſſen ſeine Eltern, ihn
ſtudiren zu laſſen, wobei ihm freilich nur die
Wahl blieb, Mediziner zu werden, oder nach
beendigten Studien in irgend einem andern
Fache als Privatgelehrter zu leben, da ihm
der Eintritt in eine Staatsſtelle ebenſo wie die
Erlangung eines Lehrſtuhles als Jude unmöglich
war. Er entſchied ſich für das Erſtere und verließ
das Vaterhaus, um die Univerſität zu beziehen.
Glücklicherweiſe herrſchte damals auf der
Hochſchule noch jener freie akademiſche Geiſt,
den man jetzt ſo gern verbannen möchte, weil
er nur zu ſehr geeignet iſt, den Mann an die
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/56>, abgerufen am 24.11.2024.
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