danken hingen seine Augen an ihr, als ihr Blick ihn traf, und das selige Entzücken in ih- ren Zügen, die glühende Röthe, die ihr Gesicht urplötzlich überflog, gaben ihm eine Antwort, die ihn zum glücklichsten Sterblichen machte. Hunderte von Menschen waren jetzt zwischen ihm und der Geliebten, und das Geständniß, daß er im traulichsten tete a tete nie zu machen gewagt, jetzt war es seinem Herzen entschlüpft; die Zuversicht zu Jenny's Liebe, auf die er bis- her nie gehofft, jetzt vor hundert Zeugen war sie ihm geworden.
Das ist das Geheimniß der Liebe, daß sie zwei Herzen verbindet zu Einem, und diese isolirt unter Tausenden; daß das Gefühl der erwiederten Liebe nicht der Worte, kaum des Blickes bedarf, um sich deutlich zu machen. Es ist, als ob die Liebe wie ein flüchtiger Aether dem einen Herzen entströme, um das andere zu erfüllen und zu beleben. Aber nur das ge-
danken hingen ſeine Augen an ihr, als ihr Blick ihn traf, und das ſelige Entzücken in ih- ren Zügen, die glühende Röthe, die ihr Geſicht urplötzlich überflog, gaben ihm eine Antwort, die ihn zum glücklichſten Sterblichen machte. Hunderte von Menſchen waren jetzt zwiſchen ihm und der Geliebten, und das Geſtändniß, daß er im traulichſten tête à tête nie zu machen gewagt, jetzt war es ſeinem Herzen entſchlüpft; die Zuverſicht zu Jenny's Liebe, auf die er bis- her nie gehofft, jetzt vor hundert Zeugen war ſie ihm geworden.
Das iſt das Geheimniß der Liebe, daß ſie zwei Herzen verbindet zu Einem, und dieſe iſolirt unter Tauſenden; daß das Gefühl der erwiederten Liebe nicht der Worte, kaum des Blickes bedarf, um ſich deutlich zu machen. Es iſt, als ob die Liebe wie ein flüchtiger Aether dem einen Herzen entſtröme, um das andere zu erfüllen und zu beleben. Aber nur das ge-
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danken hingen ſeine Augen an ihr, als ihr
Blick ihn traf, und das ſelige Entzücken in ih-
ren Zügen, die glühende Röthe, die ihr Geſicht
urplötzlich überflog, gaben ihm eine Antwort,
die ihn zum glücklichſten Sterblichen machte.
Hunderte von Menſchen waren jetzt zwiſchen
ihm und der Geliebten, und das Geſtändniß,
daß er im traulichſten tête à tête nie zu machen
gewagt, jetzt war es ſeinem Herzen entſchlüpft;
die Zuverſicht zu Jenny's Liebe, auf die er bis-
her nie gehofft, jetzt vor hundert Zeugen war
ſie ihm geworden.
Das iſt das Geheimniß der Liebe, daß ſie
zwei Herzen verbindet zu Einem, und dieſe
iſolirt unter Tauſenden; daß das Gefühl der
erwiederten Liebe nicht der Worte, kaum des
Blickes bedarf, um ſich deutlich zu machen. Es
iſt, als ob die Liebe wie ein flüchtiger Aether
dem einen Herzen entſtröme, um das andere
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/97>, abgerufen am 22.11.2024.
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