"Im Geringsten nicht", antwortete er un- befangen; "ich glaube vielmehr, daß Erheiterung Ihres Gemüths mehr zu Ihrer Genesung bei- tragen würde, als irgend eine Arzenei."
"Also haben Sie nichts dagegen, wenn wir morgen die Verlobung meiner Tochter feiern?"
Eduard erbleichte und schwieg. Clara sah ihn mit flehenden Blicken an, ihr Athem stockte; denn von dieser Antwort hing ihre Zukunft ab. Die Commerzienräthin schien aber zu glauben, ihr Arzt überlege, ob ihre Anwesenheit in größe- rer Gesellschaft zulässig sei und sagte: "Ich spreche ja von keiner großen Fete, nur im eng- sten Kreise wollen wir die Verlobung vor sich gehen lassen. An solche Feste, wie Ihre Eltern bei Jenny's Verlobung veranstalteten, darf ich jetzt freilich nicht denken, auch wird Clara zur
„Im Geringſten nicht“, antwortete er un- befangen; „ich glaube vielmehr, daß Erheiterung Ihres Gemüths mehr zu Ihrer Geneſung bei- tragen würde, als irgend eine Arzenei.“
„Alſo haben Sie nichts dagegen, wenn wir morgen die Verlobung meiner Tochter feiern?“
Eduard erbleichte und ſchwieg. Clara ſah ihn mit flehenden Blicken an, ihr Athem ſtockte; denn von dieſer Antwort hing ihre Zukunft ab. Die Commerzienräthin ſchien aber zu glauben, ihr Arzt überlege, ob ihre Anweſenheit in größe- rer Geſellſchaft zuläſſig ſei und ſagte: „Ich ſpreche ja von keiner großen Fete, nur im eng- ſten Kreiſe wollen wir die Verlobung vor ſich gehen laſſen. An ſolche Feſte, wie Ihre Eltern bei Jenny's Verlobung veranſtalteten, darf ich jetzt freilich nicht denken, auch wird Clara zur
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[102/0112]
lieber Doctor, glauben Sie, daß Freude meinen
Nerven ſchaden könne?“
„Im Geringſten nicht“, antwortete er un-
befangen; „ich glaube vielmehr, daß Erheiterung
Ihres Gemüths mehr zu Ihrer Geneſung bei-
tragen würde, als irgend eine Arzenei.“
„Alſo haben Sie nichts dagegen, wenn wir
morgen die Verlobung meiner Tochter feiern?“
Eduard erbleichte und ſchwieg. Clara ſah
ihn mit flehenden Blicken an, ihr Athem ſtockte;
denn von dieſer Antwort hing ihre Zukunft ab.
Die Commerzienräthin ſchien aber zu glauben,
ihr Arzt überlege, ob ihre Anweſenheit in größe-
rer Geſellſchaft zuläſſig ſei und ſagte: „Ich
ſpreche ja von keiner großen Fete, nur im eng-
ſten Kreiſe wollen wir die Verlobung vor ſich
gehen laſſen. An ſolche Feſte, wie Ihre Eltern
bei Jenny's Verlobung veranſtalteten, darf ich
jetzt freilich nicht denken, auch wird Clara zur
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/112>, abgerufen am 23.11.2024.
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