Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

gemacht, als er sich auf eine der Bänke warf,
die sich in der Allee befinden, und in ein tiefes
Hinträumen versank, aus dem ihn dennoch der
Fußtritt jedes Vorübergehenden emporschreckte.
Allmälig wurde die Allee einsamer. Die Uhr
des Nonnenklosters in der Stadt schlug zwölf.
Bald darauf hörte er das Rollen von Rädern,
er fuhr auf und blickte nach der Gegend, woher
der Ton zu kommen schien. Aber täuschte er
sich nicht? Ein weißes Kleid schimmerte glän-
zend aus der Dunkelheit empor, er eilte der
Gestalt entgegen, sein Herz schlug hörbar --
Jenny stand vor ihm.

"Sie hier, Graf Walter?" sagte sie über-
rascht, doch freundlich, und legte ihren Arm in
den des Grafen, der ihn ihr schweigend bot.

Wer es nicht empfunden, wie viel Vertrauen
in der Art liegen kann, mit dem eine Frau
sich auf den Arm eines Mannes lehnt, der wird
nicht begreifen, wie Walter sich so glücklich

gemacht, als er ſich auf eine der Bänke warf,
die ſich in der Allee befinden, und in ein tiefes
Hinträumen verſank, aus dem ihn dennoch der
Fußtritt jedes Vorübergehenden emporſchreckte.
Allmälig wurde die Allee einſamer. Die Uhr
des Nonnenkloſters in der Stadt ſchlug zwölf.
Bald darauf hörte er das Rollen von Rädern,
er fuhr auf und blickte nach der Gegend, woher
der Ton zu kommen ſchien. Aber täuſchte er
ſich nicht? Ein weißes Kleid ſchimmerte glän-
zend aus der Dunkelheit empor, er eilte der
Geſtalt entgegen, ſein Herz ſchlug hörbar —
Jenny ſtand vor ihm.

„Sie hier, Graf Walter?“ ſagte ſie über-
raſcht, doch freundlich, und legte ihren Arm in
den des Grafen, der ihn ihr ſchweigend bot.

Wer es nicht empfunden, wie viel Vertrauen
in der Art liegen kann, mit dem eine Frau
ſich auf den Arm eines Mannes lehnt, der wird
nicht begreifen, wie Walter ſich ſo glücklich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0210" n="200"/>
gemacht, als er &#x017F;ich auf eine der Bänke warf,<lb/>
die &#x017F;ich in der Allee befinden, und in ein tiefes<lb/>
Hinträumen ver&#x017F;ank, aus dem ihn dennoch der<lb/>
Fußtritt jedes Vorübergehenden empor&#x017F;chreckte.<lb/>
Allmälig wurde die Allee ein&#x017F;amer. Die Uhr<lb/>
des Nonnenklo&#x017F;ters in der Stadt &#x017F;chlug zwölf.<lb/>
Bald darauf hörte er das Rollen von Rädern,<lb/>
er fuhr auf und blickte nach der Gegend, woher<lb/>
der Ton zu kommen &#x017F;chien. Aber täu&#x017F;chte er<lb/>
&#x017F;ich nicht? Ein weißes Kleid &#x017F;chimmerte glän-<lb/>
zend aus der Dunkelheit empor, er eilte der<lb/>
Ge&#x017F;talt entgegen, &#x017F;ein Herz &#x017F;chlug hörbar &#x2014;<lb/>
Jenny &#x017F;tand vor ihm.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie hier, Graf Walter?&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie über-<lb/>
ra&#x017F;cht, doch freundlich, und legte ihren Arm in<lb/>
den des Grafen, der ihn ihr &#x017F;chweigend bot.</p><lb/>
        <p>Wer es nicht empfunden, wie viel Vertrauen<lb/>
in der Art liegen kann, mit dem eine Frau<lb/>
&#x017F;ich auf den Arm eines Mannes lehnt, der wird<lb/>
nicht begreifen, wie Walter &#x017F;ich &#x017F;o glücklich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0210] gemacht, als er ſich auf eine der Bänke warf, die ſich in der Allee befinden, und in ein tiefes Hinträumen verſank, aus dem ihn dennoch der Fußtritt jedes Vorübergehenden emporſchreckte. Allmälig wurde die Allee einſamer. Die Uhr des Nonnenkloſters in der Stadt ſchlug zwölf. Bald darauf hörte er das Rollen von Rädern, er fuhr auf und blickte nach der Gegend, woher der Ton zu kommen ſchien. Aber täuſchte er ſich nicht? Ein weißes Kleid ſchimmerte glän- zend aus der Dunkelheit empor, er eilte der Geſtalt entgegen, ſein Herz ſchlug hörbar — Jenny ſtand vor ihm. „Sie hier, Graf Walter?“ ſagte ſie über- raſcht, doch freundlich, und legte ihren Arm in den des Grafen, der ihn ihr ſchweigend bot. Wer es nicht empfunden, wie viel Vertrauen in der Art liegen kann, mit dem eine Frau ſich auf den Arm eines Mannes lehnt, der wird nicht begreifen, wie Walter ſich ſo glücklich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/210
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/210>, abgerufen am 09.11.2024.