Sie einer solchen Offenbarung würdigt." Und schritt rasch in das Haus, an dessen Thüre ihr Diener ihres Eintritts wartete.
Bestürzt sah Walter ihr nach. Sein Herz hatte voll grenzenloser Liebe verlangt, sich in dieser feierlichen Stunde der Geliebten für im- mer zu eigen zu geben, und im Uebermaß des Gefühls war er vor sie niedergesunken. Er be- tete sie an, wie sie den Schöpfer, und kalt und tadelnd hatte sie ihn von sich gestoßen. Er warf es sich vor, wie ein blöder Träumer vor Jenny gestanden zu haben, statt wie ein Mann von ihr die Seligkeit zu fordern, die er be- gehrte, die sie allein ihm zu gewähren vermochte. "Jetzt", sagte er sich, "jetzt könnte sie mein sein. Ich könnte meine brennenden Lippen auf die ihren drücken, den Schlag ihres Herzens an dem meinen fühlen, wissen, daß sie mein ist für immer -- daß sie mich liebt. ..."
Walter hielt inne. Daß sie ihn liebte, da-
Sie einer ſolchen Offenbarung würdigt.“ Und ſchritt raſch in das Haus, an deſſen Thüre ihr Diener ihres Eintritts wartete.
Beſtürzt ſah Walter ihr nach. Sein Herz hatte voll grenzenloſer Liebe verlangt, ſich in dieſer feierlichen Stunde der Geliebten für im- mer zu eigen zu geben, und im Uebermaß des Gefühls war er vor ſie niedergeſunken. Er be- tete ſie an, wie ſie den Schöpfer, und kalt und tadelnd hatte ſie ihn von ſich geſtoßen. Er warf es ſich vor, wie ein blöder Träumer vor Jenny geſtanden zu haben, ſtatt wie ein Mann von ihr die Seligkeit zu fordern, die er be- gehrte, die ſie allein ihm zu gewähren vermochte. „Jetzt“, ſagte er ſich, „jetzt könnte ſie mein ſein. Ich könnte meine brennenden Lippen auf die ihren drücken, den Schlag ihres Herzens an dem meinen fühlen, wiſſen, daß ſie mein iſt für immer — daß ſie mich liebt. ...“
Walter hielt inne. Daß ſie ihn liebte, da-
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Sie einer ſolchen Offenbarung würdigt.“ Und
ſchritt raſch in das Haus, an deſſen Thüre ihr
Diener ihres Eintritts wartete.
Beſtürzt ſah Walter ihr nach. Sein Herz
hatte voll grenzenloſer Liebe verlangt, ſich in
dieſer feierlichen Stunde der Geliebten für im-
mer zu eigen zu geben, und im Uebermaß des
Gefühls war er vor ſie niedergeſunken. Er be-
tete ſie an, wie ſie den Schöpfer, und kalt und
tadelnd hatte ſie ihn von ſich geſtoßen. Er
warf es ſich vor, wie ein blöder Träumer vor
Jenny geſtanden zu haben, ſtatt wie ein Mann
von ihr die Seligkeit zu fordern, die er be-
gehrte, die ſie allein ihm zu gewähren vermochte.
„Jetzt“, ſagte er ſich, „jetzt könnte ſie mein
ſein. Ich könnte meine brennenden Lippen auf
die ihren drücken, den Schlag ihres Herzens an
dem meinen fühlen, wiſſen, daß ſie mein iſt für
immer — daß ſie mich liebt. ...“
Walter hielt inne. Daß ſie ihn liebte, da-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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