der Richtung gekommen, lag zerschmettert am Fuße der Felsen in den Wellen der Murg! Niemand, außer dem jubelnden Knaben, konnte sich es verbergen, wie drohend die Gefahr sei.
"Das Kind, das Kind!" schrie Jenny, als sie das Unheil bemerkte, und zog mit Walter's Beistand den Knaben zu sich her- unter, den sie in Todesangst an sich preßte.
Walter sah unverwandt auf die Pferde hin. Er hatte seinen Arm wie schützend um Jenny gelegt und sagte: "Keinen Laut! keinen Schrei! ich beschwöre Sie!" Dann zum Kutscher ge- wandt: "Muth, Muth! halte die Zügel kurz, sieh nicht zur Seite! halte die Pferde nur noch wenig Augenblicke fest und wir sind gerettet!" Aber so ruhig er sich zu scheinen zwang, seine Stimme bebte und Leichenblässe bedeckte sein Gesicht, als endlich der Wagen in der Tiefe stillstand und der erschöpfte Kutscher den keu- chenden Pferden Zeit zur Erholung gönnte.
der Richtung gekommen, lag zerſchmettert am Fuße der Felſen in den Wellen der Murg! Niemand, außer dem jubelnden Knaben, konnte ſich es verbergen, wie drohend die Gefahr ſei.
„Das Kind, das Kind!“ ſchrie Jenny, als ſie das Unheil bemerkte, und zog mit Walter's Beiſtand den Knaben zu ſich her- unter, den ſie in Todesangſt an ſich preßte.
Walter ſah unverwandt auf die Pferde hin. Er hatte ſeinen Arm wie ſchützend um Jenny gelegt und ſagte: „Keinen Laut! keinen Schrei! ich beſchwöre Sie!“ Dann zum Kutſcher ge- wandt: „Muth, Muth! halte die Zügel kurz, ſieh nicht zur Seite! halte die Pferde nur noch wenig Augenblicke feſt und wir ſind gerettet!“ Aber ſo ruhig er ſich zu ſcheinen zwang, ſeine Stimme bebte und Leichenbläſſe bedeckte ſein Geſicht, als endlich der Wagen in der Tiefe ſtillſtand und der erſchöpfte Kutſcher den keu- chenden Pferden Zeit zur Erholung gönnte.
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der Richtung gekommen, lag zerſchmettert am
Fuße der Felſen in den Wellen der Murg!
Niemand, außer dem jubelnden Knaben, konnte
ſich es verbergen, wie drohend die Gefahr ſei.
„Das Kind, das Kind!“ ſchrie Jenny,
als ſie das Unheil bemerkte, und zog mit
Walter's Beiſtand den Knaben zu ſich her-
unter, den ſie in Todesangſt an ſich preßte.
Walter ſah unverwandt auf die Pferde hin.
Er hatte ſeinen Arm wie ſchützend um Jenny
gelegt und ſagte: „Keinen Laut! keinen Schrei!
ich beſchwöre Sie!“ Dann zum Kutſcher ge-
wandt: „Muth, Muth! halte die Zügel kurz,
ſieh nicht zur Seite! halte die Pferde nur noch
wenig Augenblicke feſt und wir ſind gerettet!“
Aber ſo ruhig er ſich zu ſcheinen zwang, ſeine
Stimme bebte und Leichenbläſſe bedeckte ſein
Geſicht, als endlich der Wagen in der Tiefe
ſtillſtand und der erſchöpfte Kutſcher den keu-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/285>, abgerufen am 28.09.2024.
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