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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ein Attachement für einen Freund that dem Ehemann und dem Rufe einer Frau kein Unrecht. Im Gegentheil, es war ein Blitzableiter, an dem manch kleiner unbedachter Liebeshandel, manch thörichter Unmuth, manch häuslicher Verdruß hernieder glitt. Hatte der Hausherr üble Launen, drohte der Horizont der Frau zu dunkel zu werden, so heiterte eine Plauderstunde mit dem unverstimmten Freunde die Gattin auf, daß sie dem Manne wieder mit freierem Sinne und klarem Blicke entgegentreten konnte, und klagte sie dem Freunde auch einmal ihr Leiden mit dem Manne, so sparte es eine Ehestandsscene, die nicht so leicht vorüberging.

Indeß nicht nur den Eheleuten, auch dem Hausfreund kam das Attachement zu Gute. Er hatte einen Ort, an dem er seine freie Zeit hinbrachte, er gewann Menschen, an denen er Theil hatte mit dem Herzen, und Mancher, der in jener Zeit ein treuer Freund des ganzen Hauses wurde, weil er ein Attachement für die Hausfrau fühlte, würde bei den jetzigen Gesellschaftsverhältnissen und Ansichten vielleicht ein Mannesalter mit einer ungebildeten Geliebten haben, deren er sich vor Andern zu schämen hätte, und dann als Greis ein herzensödes, einsames Dasein führen müssen. Es war ein gutes Ding um jene Attachements, und ich habe freilich noch besonderen Grund, die Erinnerung daran in hohen Ehren zu erhalten.

Meine Mutter war im Anfang ihrer dreißiger

Ein Attachement für einen Freund that dem Ehemann und dem Rufe einer Frau kein Unrecht. Im Gegentheil, es war ein Blitzableiter, an dem manch kleiner unbedachter Liebeshandel, manch thörichter Unmuth, manch häuslicher Verdruß hernieder glitt. Hatte der Hausherr üble Launen, drohte der Horizont der Frau zu dunkel zu werden, so heiterte eine Plauderstunde mit dem unverstimmten Freunde die Gattin auf, daß sie dem Manne wieder mit freierem Sinne und klarem Blicke entgegentreten konnte, und klagte sie dem Freunde auch einmal ihr Leiden mit dem Manne, so sparte es eine Ehestandsscene, die nicht so leicht vorüberging.

Indeß nicht nur den Eheleuten, auch dem Hausfreund kam das Attachement zu Gute. Er hatte einen Ort, an dem er seine freie Zeit hinbrachte, er gewann Menschen, an denen er Theil hatte mit dem Herzen, und Mancher, der in jener Zeit ein treuer Freund des ganzen Hauses wurde, weil er ein Attachement für die Hausfrau fühlte, würde bei den jetzigen Gesellschaftsverhältnissen und Ansichten vielleicht ein Mannesalter mit einer ungebildeten Geliebten haben, deren er sich vor Andern zu schämen hätte, und dann als Greis ein herzensödes, einsames Dasein führen müssen. Es war ein gutes Ding um jene Attachements, und ich habe freilich noch besonderen Grund, die Erinnerung daran in hohen Ehren zu erhalten.

Meine Mutter war im Anfang ihrer dreißiger

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[0025] Ein Attachement für einen Freund that dem Ehemann und dem Rufe einer Frau kein Unrecht. Im Gegentheil, es war ein Blitzableiter, an dem manch kleiner unbedachter Liebeshandel, manch thörichter Unmuth, manch häuslicher Verdruß hernieder glitt. Hatte der Hausherr üble Launen, drohte der Horizont der Frau zu dunkel zu werden, so heiterte eine Plauderstunde mit dem unverstimmten Freunde die Gattin auf, daß sie dem Manne wieder mit freierem Sinne und klarem Blicke entgegentreten konnte, und klagte sie dem Freunde auch einmal ihr Leiden mit dem Manne, so sparte es eine Ehestandsscene, die nicht so leicht vorüberging. Indeß nicht nur den Eheleuten, auch dem Hausfreund kam das Attachement zu Gute. Er hatte einen Ort, an dem er seine freie Zeit hinbrachte, er gewann Menschen, an denen er Theil hatte mit dem Herzen, und Mancher, der in jener Zeit ein treuer Freund des ganzen Hauses wurde, weil er ein Attachement für die Hausfrau fühlte, würde bei den jetzigen Gesellschaftsverhältnissen und Ansichten vielleicht ein Mannesalter mit einer ungebildeten Geliebten haben, deren er sich vor Andern zu schämen hätte, und dann als Greis ein herzensödes, einsames Dasein führen müssen. Es war ein gutes Ding um jene Attachements, und ich habe freilich noch besonderen Grund, die Erinnerung daran in hohen Ehren zu erhalten. Meine Mutter war im Anfang ihrer dreißiger

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/25>, abgerufen am 27.04.2024.