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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mein Blick trug weiter, als vorher, und doch fühlte ich, als wäre eine Schranke vor mir aufgestiegen. Ich malte mir aus, wie ich den Onkel begleiten, wie ich zittern würde, wenn er in die Schlacht ging, ich sah ihn wiederkehren aus derselben, sah ihn dann verwundet auf dem Krankenbette. Es war, als bewege sich ein Kaleidoskop vor meinem Auge. Die Bilder wechselten unaufhörlich, verschwammen ineinander, und ich konnte zuletzt keines mehr mir deutlich machen. Nur daß ich Braut sei und der Onkel mein Bräutigam, das stand als wunderbares Räthsel in mir fest.

Am Mittag kam der Onkel wieder. Es sei Alles gethan, sagte er, und als wir uns zu Tische setzten, erfuhren der Bruder und die Schwester, was geschehen. Ihr Erstaunen, ihre Fragen machten mir die größte Lust. Es kam mir vor, als erbleiche Caroline, und da ich oft von ihrer Härte, ihren Launen hatte leiden müssen, freute mich der Gedanke, daß sie vielleicht an meiner Stelle sein möchte. Daneben gerieth das ganze Haus in Aufruhr. Die alte Kinderwärterin, welche die Mutter aus Dankbarkeit stets bei uns behalten, weinte vor Freude und küßte bald dem Onkel die Hand, bald umarmte sie mich. Sie und die Köchin dachten, nach Art dieser Leute, an eine Hochzeit mit ihren Herrlichkeiten, an ein Gastgebot und dessen Einnahmen für die Dienerschaft, und Alle, die Dienstboten sowohl als die Geschwister und ich selbst, begriffen eigentlich kaum, daß morgen meine Trauung sein sollte.

Mein Blick trug weiter, als vorher, und doch fühlte ich, als wäre eine Schranke vor mir aufgestiegen. Ich malte mir aus, wie ich den Onkel begleiten, wie ich zittern würde, wenn er in die Schlacht ging, ich sah ihn wiederkehren aus derselben, sah ihn dann verwundet auf dem Krankenbette. Es war, als bewege sich ein Kaleidoskop vor meinem Auge. Die Bilder wechselten unaufhörlich, verschwammen ineinander, und ich konnte zuletzt keines mehr mir deutlich machen. Nur daß ich Braut sei und der Onkel mein Bräutigam, das stand als wunderbares Räthsel in mir fest.

Am Mittag kam der Onkel wieder. Es sei Alles gethan, sagte er, und als wir uns zu Tische setzten, erfuhren der Bruder und die Schwester, was geschehen. Ihr Erstaunen, ihre Fragen machten mir die größte Lust. Es kam mir vor, als erbleiche Caroline, und da ich oft von ihrer Härte, ihren Launen hatte leiden müssen, freute mich der Gedanke, daß sie vielleicht an meiner Stelle sein möchte. Daneben gerieth das ganze Haus in Aufruhr. Die alte Kinderwärterin, welche die Mutter aus Dankbarkeit stets bei uns behalten, weinte vor Freude und küßte bald dem Onkel die Hand, bald umarmte sie mich. Sie und die Köchin dachten, nach Art dieser Leute, an eine Hochzeit mit ihren Herrlichkeiten, an ein Gastgebot und dessen Einnahmen für die Dienerschaft, und Alle, die Dienstboten sowohl als die Geschwister und ich selbst, begriffen eigentlich kaum, daß morgen meine Trauung sein sollte.

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Mein Blick trug weiter, als vorher, und doch      fühlte ich, als wäre eine Schranke vor mir aufgestiegen. Ich malte mir aus, wie ich den Onkel      begleiten, wie ich zittern würde, wenn er in die Schlacht ging, ich sah ihn wiederkehren aus      derselben, sah ihn dann verwundet auf dem Krankenbette. Es war, als bewege sich ein Kaleidoskop      vor meinem Auge. Die Bilder wechselten unaufhörlich, verschwammen ineinander, und ich konnte      zuletzt keines mehr mir deutlich machen. Nur daß ich Braut sei und der Onkel mein Bräutigam,      das stand als wunderbares Räthsel in mir fest.</p><lb/>
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[0069] Mein Blick trug weiter, als vorher, und doch fühlte ich, als wäre eine Schranke vor mir aufgestiegen. Ich malte mir aus, wie ich den Onkel begleiten, wie ich zittern würde, wenn er in die Schlacht ging, ich sah ihn wiederkehren aus derselben, sah ihn dann verwundet auf dem Krankenbette. Es war, als bewege sich ein Kaleidoskop vor meinem Auge. Die Bilder wechselten unaufhörlich, verschwammen ineinander, und ich konnte zuletzt keines mehr mir deutlich machen. Nur daß ich Braut sei und der Onkel mein Bräutigam, das stand als wunderbares Räthsel in mir fest. Am Mittag kam der Onkel wieder. Es sei Alles gethan, sagte er, und als wir uns zu Tische setzten, erfuhren der Bruder und die Schwester, was geschehen. Ihr Erstaunen, ihre Fragen machten mir die größte Lust. Es kam mir vor, als erbleiche Caroline, und da ich oft von ihrer Härte, ihren Launen hatte leiden müssen, freute mich der Gedanke, daß sie vielleicht an meiner Stelle sein möchte. Daneben gerieth das ganze Haus in Aufruhr. Die alte Kinderwärterin, welche die Mutter aus Dankbarkeit stets bei uns behalten, weinte vor Freude und küßte bald dem Onkel die Hand, bald umarmte sie mich. Sie und die Köchin dachten, nach Art dieser Leute, an eine Hochzeit mit ihren Herrlichkeiten, an ein Gastgebot und dessen Einnahmen für die Dienerschaft, und Alle, die Dienstboten sowohl als die Geschwister und ich selbst, begriffen eigentlich kaum, daß morgen meine Trauung sein sollte.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/69>, abgerufen am 24.11.2024.