Photorin, Conrad [i. e. Georg Christoph Lichtenberg]: Timorus, das ist, Vertheidigung zweyer Israeliten, die durch die Kräftigkeit der Lavaterischen Beweisgründe und der Göttingischen Mettwürste bewogen den wahren Glauben angenommen haben. Berlin, 1773.ihm entdecken, um auch nur den geringsten Verdacht daran zu hängen. Denn ich will um aller Welt willen nicht hoffen, daß ihr ihm als ein Vergehen anrechnet, daß er neulich, als er einen seiner ehmaligen Glaubensgenossen besucht, etwas mitgenommen hat. Mitgenommen, sprechen die Leute, das ist die wahre Sprache der kriechenden, ängstlichen, raunenden Verläumdung, die, wenn sie sonst nichts, sich im Fall der Noth zu decken, finden kann, sich im Worte selbst noch einen Schlupfwinkel baut. Warum sagt ihr nicht gleich gerade heraus, gestohlen. Aber ich habe Materie genung, ich will dieses ungebraucht liegen lassen und lieber gleich fragen, um kurz von Sache zu kommen: wem hat er es gestohlen? Einem Juden oder einem Christen? Einem Juden, sagt ihr. Also gut. Zeigt aber dieses nicht eine edelmüthige Verachtung seiner ehmaligen Glaubensgenossen an? und daß eine wahre Sinnesänderung bey ihm vorgegangen ist? Wer nicht recht bis auf den Boden bekehrt ist, wird immer heimlich seinem alten Glauben anhangen und ihm entdecken, um auch nur den geringsten Verdacht daran zu hängen. Denn ich will um aller Welt willen nicht hoffen, daß ihr ihm als ein Vergehen anrechnet, daß er neulich, als er einen seiner ehmaligen Glaubensgenossen besucht, etwas mitgenommen hat. Mitgenommen, sprechen die Leute, das ist die wahre Sprache der kriechenden, ängstlichen, raunenden Verläumdung, die, wenn sie sonst nichts, sich im Fall der Noth zu decken, finden kann, sich im Worte selbst noch einen Schlupfwinkel baut. Warum sagt ihr nicht gleich gerade heraus, gestohlen. Aber ich habe Materie genung, ich will dieses ungebraucht liegen lassen und lieber gleich fragen, um kurz von Sache zu kommen: wem hat er es gestohlen? Einem Juden oder einem Christen? Einem Juden, sagt ihr. Also gut. Zeigt aber dieses nicht eine edelmüthige Verachtung seiner ehmaligen Glaubensgenossen an? und daß eine wahre Sinnesänderung bey ihm vorgegangen ist? Wer nicht recht bis auf den Boden bekehrt ist, wird immer heimlich seinem alten Glauben anhangen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#fr"><pb facs="#f0038" n="38"/> ihm entdecken, um auch nur den geringsten Verdacht daran zu hängen</hi>. Denn ich will um aller Welt willen nicht hoffen, daß ihr ihm als ein Vergehen anrechnet, daß er neulich, als er einen seiner ehmaligen Glaubensgenossen besucht, etwas <hi rendition="#fr">mitgenommen</hi> hat. <hi rendition="#fr">Mitgenommen</hi>, sprechen die Leute, das ist die wahre Sprache der kriechenden, ängstlichen, raunenden Verläumdung, die, wenn sie sonst nichts, sich im Fall der Noth zu decken, finden kann, sich im Worte selbst noch einen Schlupfwinkel baut. Warum sagt ihr nicht gleich gerade heraus, <hi rendition="#fr">gestohlen</hi>. Aber ich habe Materie genung, ich will dieses ungebraucht liegen lassen und lieber gleich fragen, um kurz von Sache zu kommen: wem hat er es gestohlen? Einem Juden oder einem Christen? Einem Juden, sagt ihr. Also gut. Zeigt aber dieses nicht eine edelmüthige Verachtung seiner ehmaligen Glaubensgenossen an? und daß eine wahre Sinnesänderung bey ihm vorgegangen ist? Wer nicht recht bis auf den Boden bekehrt ist, wird immer heimlich seinem alten Glauben anhangen und </p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0038]
ihm entdecken, um auch nur den geringsten Verdacht daran zu hängen. Denn ich will um aller Welt willen nicht hoffen, daß ihr ihm als ein Vergehen anrechnet, daß er neulich, als er einen seiner ehmaligen Glaubensgenossen besucht, etwas mitgenommen hat. Mitgenommen, sprechen die Leute, das ist die wahre Sprache der kriechenden, ängstlichen, raunenden Verläumdung, die, wenn sie sonst nichts, sich im Fall der Noth zu decken, finden kann, sich im Worte selbst noch einen Schlupfwinkel baut. Warum sagt ihr nicht gleich gerade heraus, gestohlen. Aber ich habe Materie genung, ich will dieses ungebraucht liegen lassen und lieber gleich fragen, um kurz von Sache zu kommen: wem hat er es gestohlen? Einem Juden oder einem Christen? Einem Juden, sagt ihr. Also gut. Zeigt aber dieses nicht eine edelmüthige Verachtung seiner ehmaligen Glaubensgenossen an? und daß eine wahre Sinnesänderung bey ihm vorgegangen ist? Wer nicht recht bis auf den Boden bekehrt ist, wird immer heimlich seinem alten Glauben anhangen und
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