Denken wir uns einen Acker mit Gyps bestreut, den wir mit gefaultem Urin, mit Mistjauche überfahren, so wird alles kohlensaure Ammoniak sich in schwefelsaures verwandeln, was in dem Boden bleibt.
Wir haben aber noch einfachere Mittel, um alles kohlen- saure Ammoniak den Pflanzen zu erhalten, ein Zusatz von Gyps, Chlorcalcium, von Schwefelsäure oder Salzsäure, oder am besten von saurem phosphorsaurem Kalk, lauter Substan- zen, deren Preis ausnehmend niedrig ist, bis zum Verschwin- den der Alkalinität des Harns, wird das Ammoniak in ein Salz verwandeln, was seine Fähigkeit sich zu verflüchtigen gänzlich verloren hat.
Stellen wir eine Schaale mit concentrirter Salzsäure in einen gewöhnlichen Abtritt hinein, in welchem die obere Oeff- nung mit dem Düngbehälter in offener Verbindung steht, so findet man sie nach einigen Tagen mit Krystallen von Salmiak angefüllt. Das Ammoniak, dessen Gegenwart die Geruchsnerven schon anzeigen, verbindet sich mit der Salz- säure und verliert seine Flüchtigkeit; über der Schaale be- merkt man stets dicke weiße Wolken oder Nebel von neuent- standenem Salmiak. In einem Pferdestall zeigt sich die näm- liche Erscheinung. Dieses Ammoniak geht nicht allein der Ve- getation gänzlich verloren, sondern es verursacht noch überdieß eine langsam aber sicher erfolgende Zerstörung der Mauer. In Berührung mit dem Kalk des Mörtels verwandelt es sich in Salpetersäure, welche den Kalk nach und nach auflös't, der sogenannte Salpeterfraß (Entstehung von löslichem salpetersau- rem Kalk) ist die Folge seiner Verwesung.
Das Ammoniak, was sich in Ställen und aus Abtritten entwickelt, ist unter allen Umständen mit Kohlensäure verbun- den. Kohlensaures Ammoniak und schwefelsaurer Kalk (Gyps)
Die Wechſelwirthſchaft und der Dünger.
Denken wir uns einen Acker mit Gyps beſtreut, den wir mit gefaultem Urin, mit Miſtjauche überfahren, ſo wird alles kohlenſaure Ammoniak ſich in ſchwefelſaures verwandeln, was in dem Boden bleibt.
Wir haben aber noch einfachere Mittel, um alles kohlen- ſaure Ammoniak den Pflanzen zu erhalten, ein Zuſatz von Gyps, Chlorcalcium, von Schwefelſäure oder Salzſäure, oder am beſten von ſaurem phosphorſaurem Kalk, lauter Subſtan- zen, deren Preis ausnehmend niedrig iſt, bis zum Verſchwin- den der Alkalinität des Harns, wird das Ammoniak in ein Salz verwandeln, was ſeine Fähigkeit ſich zu verflüchtigen gänzlich verloren hat.
Stellen wir eine Schaale mit concentrirter Salzſäure in einen gewöhnlichen Abtritt hinein, in welchem die obere Oeff- nung mit dem Düngbehälter in offener Verbindung ſteht, ſo findet man ſie nach einigen Tagen mit Kryſtallen von Salmiak angefüllt. Das Ammoniak, deſſen Gegenwart die Geruchsnerven ſchon anzeigen, verbindet ſich mit der Salz- ſäure und verliert ſeine Flüchtigkeit; über der Schaale be- merkt man ſtets dicke weiße Wolken oder Nebel von neuent- ſtandenem Salmiak. In einem Pferdeſtall zeigt ſich die näm- liche Erſcheinung. Dieſes Ammoniak geht nicht allein der Ve- getation gänzlich verloren, ſondern es verurſacht noch überdieß eine langſam aber ſicher erfolgende Zerſtörung der Mauer. In Berührung mit dem Kalk des Mörtels verwandelt es ſich in Salpeterſäure, welche den Kalk nach und nach auflöſ’t, der ſogenannte Salpeterfraß (Entſtehung von löslichem ſalpeterſau- rem Kalk) iſt die Folge ſeiner Verweſung.
Das Ammoniak, was ſich in Ställen und aus Abtritten entwickelt, iſt unter allen Umſtänden mit Kohlenſäure verbun- den. Kohlenſaures Ammoniak und ſchwefelſaurer Kalk (Gyps)
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Die Wechſelwirthſchaft und der Dünger.
Denken wir uns einen Acker mit Gyps beſtreut, den wir
mit gefaultem Urin, mit Miſtjauche überfahren, ſo wird alles
kohlenſaure Ammoniak ſich in ſchwefelſaures verwandeln, was
in dem Boden bleibt.
Wir haben aber noch einfachere Mittel, um alles kohlen-
ſaure Ammoniak den Pflanzen zu erhalten, ein Zuſatz von
Gyps, Chlorcalcium, von Schwefelſäure oder Salzſäure, oder
am beſten von ſaurem phosphorſaurem Kalk, lauter Subſtan-
zen, deren Preis ausnehmend niedrig iſt, bis zum Verſchwin-
den der Alkalinität des Harns, wird das Ammoniak in ein
Salz verwandeln, was ſeine Fähigkeit ſich zu verflüchtigen
gänzlich verloren hat.
Stellen wir eine Schaale mit concentrirter Salzſäure in
einen gewöhnlichen Abtritt hinein, in welchem die obere Oeff-
nung mit dem Düngbehälter in offener Verbindung ſteht, ſo
findet man ſie nach einigen Tagen mit Kryſtallen von
Salmiak angefüllt. Das Ammoniak, deſſen Gegenwart die
Geruchsnerven ſchon anzeigen, verbindet ſich mit der Salz-
ſäure und verliert ſeine Flüchtigkeit; über der Schaale be-
merkt man ſtets dicke weiße Wolken oder Nebel von neuent-
ſtandenem Salmiak. In einem Pferdeſtall zeigt ſich die näm-
liche Erſcheinung. Dieſes Ammoniak geht nicht allein der Ve-
getation gänzlich verloren, ſondern es verurſacht noch überdieß
eine langſam aber ſicher erfolgende Zerſtörung der Mauer.
In Berührung mit dem Kalk des Mörtels verwandelt es ſich
in Salpeterſäure, welche den Kalk nach und nach auflöſ’t, der
ſogenannte Salpeterfraß (Entſtehung von löslichem ſalpeterſau-
rem Kalk) iſt die Folge ſeiner Verweſung.
Das Ammoniak, was ſich in Ställen und aus Abtritten
entwickelt, iſt unter allen Umſtänden mit Kohlenſäure verbun-
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/191>, abgerufen am 25.11.2024.
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