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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Ursache der Gährung, Fäulniß und Verwesung.
dauer dieses Zustandes, eine andere ist. Bei dem verbrennli-
chen Körper ist diese Ursache die Temperatur, welche sich in
jedem Zeitmomente wieder neu erzeugt; in den Zersetzungs-
und Verbindungserscheinungen, die wir betrachten, ist diese Ur-
sache ein in chemischer Action begriffener Körper, und nur so
lange thätig, als diese Action dauert.

Wir kennen aus zahllosen Erfahrungen, welchen Einfluß
das bloße in Bewegung setzen auf die Aeußerung der chemi-
schen Kräfte ausübt, in einer Menge von Salzlösungen äußert
sich z. B. die Cohäsionskraft nicht, wenn sie in der Wärme
gesättigt, bei völliger Ruhe erkalten; das aufgelös'te Salz schei-
det sich nicht kristallinisch aus, aber ein Sandkorn in die Flüssig-
keit geworfen, die kleinste Erschütterung reicht hin, um die
ganze Auflösung plötzlich und unter Wärmeentwickelung zum
Erstarren zu bringen; wir sehen die nämliche Erscheinung bei
Wasser, was weit unter 0° bei völliger Ruhe erkaltet werden
kann, ohne zu gefrieren, was aber in dem Momente fest wird,
wo seine Theile in Bewegung gesetzt werden.

Um in einer bestimmten Weise sich anzuziehen und zu
ordnen, muß die Trägheit zuerst überwunden werden, die Atome
müssen in Bewegung gesetzt werden.

Eine verdünnte Auflösung eines Kalisalzes mit Weinsäure
gemischt, giebt in der Ruhe keinen Niederschlag; setzt man die
Flüssigkeit durch heftiges Umschütteln in Bewegung, so treibt
sie sich augenblicklich und setzt Kristalle von Weinstein ab.

Eine Auflösung von einem Bittererdesalz, welche durch
phosphorsaures Ammoniak nicht getrübt wird, setzt augenblick-
lich phosphorsaures Bittererde-Ammoniak an den Gefäßwän-
den ab, an den Stellen, wo sie mit einem Glasstabe in der
Flüssigkeit gerieben werden.

Die Bewegung, mithin die Ueberwindung der Trägheit,

Urſache der Gährung, Fäulniß und Verweſung.
dauer dieſes Zuſtandes, eine andere iſt. Bei dem verbrennli-
chen Körper iſt dieſe Urſache die Temperatur, welche ſich in
jedem Zeitmomente wieder neu erzeugt; in den Zerſetzungs-
und Verbindungserſcheinungen, die wir betrachten, iſt dieſe Ur-
ſache ein in chemiſcher Action begriffener Körper, und nur ſo
lange thätig, als dieſe Action dauert.

Wir kennen aus zahlloſen Erfahrungen, welchen Einfluß
das bloße in Bewegung ſetzen auf die Aeußerung der chemi-
ſchen Kräfte ausübt, in einer Menge von Salzlöſungen äußert
ſich z. B. die Cohäſionskraft nicht, wenn ſie in der Wärme
geſättigt, bei völliger Ruhe erkalten; das aufgelöſ’te Salz ſchei-
det ſich nicht kriſtalliniſch aus, aber ein Sandkorn in die Flüſſig-
keit geworfen, die kleinſte Erſchütterung reicht hin, um die
ganze Auflöſung plötzlich und unter Wärmeentwickelung zum
Erſtarren zu bringen; wir ſehen die nämliche Erſcheinung bei
Waſſer, was weit unter 0° bei völliger Ruhe erkaltet werden
kann, ohne zu gefrieren, was aber in dem Momente feſt wird,
wo ſeine Theile in Bewegung geſetzt werden.

Um in einer beſtimmten Weiſe ſich anzuziehen und zu
ordnen, muß die Trägheit zuerſt überwunden werden, die Atome
müſſen in Bewegung geſetzt werden.

Eine verdünnte Auflöſung eines Kaliſalzes mit Weinſäure
gemiſcht, giebt in der Ruhe keinen Niederſchlag; ſetzt man die
Flüſſigkeit durch heftiges Umſchütteln in Bewegung, ſo treibt
ſie ſich augenblicklich und ſetzt Kriſtalle von Weinſtein ab.

Eine Auflöſung von einem Bittererdeſalz, welche durch
phosphorſaures Ammoniak nicht getrübt wird, ſetzt augenblick-
lich phosphorſaures Bittererde-Ammoniak an den Gefäßwän-
den ab, an den Stellen, wo ſie mit einem Glasſtabe in der
Flüſſigkeit gerieben werden.

Die Bewegung, mithin die Ueberwindung der Trägheit,

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[207/0225] Urſache der Gährung, Fäulniß und Verweſung. dauer dieſes Zuſtandes, eine andere iſt. Bei dem verbrennli- chen Körper iſt dieſe Urſache die Temperatur, welche ſich in jedem Zeitmomente wieder neu erzeugt; in den Zerſetzungs- und Verbindungserſcheinungen, die wir betrachten, iſt dieſe Ur- ſache ein in chemiſcher Action begriffener Körper, und nur ſo lange thätig, als dieſe Action dauert. Wir kennen aus zahlloſen Erfahrungen, welchen Einfluß das bloße in Bewegung ſetzen auf die Aeußerung der chemi- ſchen Kräfte ausübt, in einer Menge von Salzlöſungen äußert ſich z. B. die Cohäſionskraft nicht, wenn ſie in der Wärme geſättigt, bei völliger Ruhe erkalten; das aufgelöſ’te Salz ſchei- det ſich nicht kriſtalliniſch aus, aber ein Sandkorn in die Flüſſig- keit geworfen, die kleinſte Erſchütterung reicht hin, um die ganze Auflöſung plötzlich und unter Wärmeentwickelung zum Erſtarren zu bringen; wir ſehen die nämliche Erſcheinung bei Waſſer, was weit unter 0° bei völliger Ruhe erkaltet werden kann, ohne zu gefrieren, was aber in dem Momente feſt wird, wo ſeine Theile in Bewegung geſetzt werden. Um in einer beſtimmten Weiſe ſich anzuziehen und zu ordnen, muß die Trägheit zuerſt überwunden werden, die Atome müſſen in Bewegung geſetzt werden. Eine verdünnte Auflöſung eines Kaliſalzes mit Weinſäure gemiſcht, giebt in der Ruhe keinen Niederſchlag; ſetzt man die Flüſſigkeit durch heftiges Umſchütteln in Bewegung, ſo treibt ſie ſich augenblicklich und ſetzt Kriſtalle von Weinſtein ab. Eine Auflöſung von einem Bittererdeſalz, welche durch phosphorſaures Ammoniak nicht getrübt wird, ſetzt augenblick- lich phosphorſaures Bittererde-Ammoniak an den Gefäßwän- den ab, an den Stellen, wo ſie mit einem Glasſtabe in der Flüſſigkeit gerieben werden. Die Bewegung, mithin die Ueberwindung der Trägheit,

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/225>, abgerufen am 21.11.2024.