Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Wein- und Biergährung.
werden, als dieß durch seine eigene Metamorphose geschieht;
eine gewisse Portion Zucker wird keinen Alkohol und keine
Kohlensäure liefern; es müssen sich aus seinen Elementen an-
dere, an Sauerstoff ärmere Producte bilden.

Es ist schon früher auf diese Producte hingewiesen wor-
den, sie sind es, welche eine so große Verschiedenheit in den
Qualitäten der gegohrenen Flüssigkeiten und namentlich in
ihrem Alkoholgehalt bedingen.

Der Traubensaft, die Bierwürze liefern also in der Ober-
gährung keineswegs eine dem Zuckergehalt entsprechende Menge
von Alkohol, eben weil eine Portion Zucker zur Verwandlung
des Klebers in Ferment, in Hefe, und nicht zur Alkoholbildung
verwendet wird. Dieß muß aber vollständig in der Untergäh-
rung, dieß muß aufs Vollkommenste bei allen Gährungen
stattfinden, wo die Metamorphose des Zuckers nicht begleitet
ist von Hefenbildung.

Es ist eine entschiedene Thatsache, daß in der Branntwein-
brennerei aus Kartoffeln, wobei sich keine oder nur eine dem
Malzzusatz entsprechende Quantität Hefe bildet, daß bei der
Gährung der Kartoffelmeische, eine dem Kohlenstoffgehalt der
Stärke genau entsprechende Menge von Alkohol und Kohlen-
säure gewonnen werden kann, und daß das Volum der Koh-
lensäure, die sich durch Gährung aus den Runkelrüben ent-
wickelt, keine scharfe Bestimmung seines Zuckergehaltes zuläßt,
weil man weniger an Kohlensäure erhält, als dieser Zucker
für sich in reinem Zustande liefern würde.

Bei gleichen Quantitäten Malz enthält das durch Unter-
gährung erhaltene Bier mehr Alkohol und ist berauschender
als das obergährige. Man schreibt gewöhnlich den kräftigen
Geschmack des ersteren einem größeren Gehalt von Kohlensäure,
einer festeren Bindung derselben zu, allein mit Unrecht. Beide

Wein- und Biergährung.
werden, als dieß durch ſeine eigene Metamorphoſe geſchieht;
eine gewiſſe Portion Zucker wird keinen Alkohol und keine
Kohlenſäure liefern; es müſſen ſich aus ſeinen Elementen an-
dere, an Sauerſtoff ärmere Producte bilden.

Es iſt ſchon früher auf dieſe Producte hingewieſen wor-
den, ſie ſind es, welche eine ſo große Verſchiedenheit in den
Qualitäten der gegohrenen Flüſſigkeiten und namentlich in
ihrem Alkoholgehalt bedingen.

Der Traubenſaft, die Bierwürze liefern alſo in der Ober-
gährung keineswegs eine dem Zuckergehalt entſprechende Menge
von Alkohol, eben weil eine Portion Zucker zur Verwandlung
des Klebers in Ferment, in Hefe, und nicht zur Alkoholbildung
verwendet wird. Dieß muß aber vollſtändig in der Untergäh-
rung, dieß muß aufs Vollkommenſte bei allen Gährungen
ſtattfinden, wo die Metamorphoſe des Zuckers nicht begleitet
iſt von Hefenbildung.

Es iſt eine entſchiedene Thatſache, daß in der Branntwein-
brennerei aus Kartoffeln, wobei ſich keine oder nur eine dem
Malzzuſatz entſprechende Quantität Hefe bildet, daß bei der
Gährung der Kartoffelmeiſche, eine dem Kohlenſtoffgehalt der
Stärke genau entſprechende Menge von Alkohol und Kohlen-
ſäure gewonnen werden kann, und daß das Volum der Koh-
lenſäure, die ſich durch Gährung aus den Runkelrüben ent-
wickelt, keine ſcharfe Beſtimmung ſeines Zuckergehaltes zuläßt,
weil man weniger an Kohlenſäure erhält, als dieſer Zucker
für ſich in reinem Zuſtande liefern würde.

Bei gleichen Quantitäten Malz enthält das durch Unter-
gährung erhaltene Bier mehr Alkohol und iſt berauſchender
als das obergährige. Man ſchreibt gewöhnlich den kräftigen
Geſchmack des erſteren einem größeren Gehalt von Kohlenſäure,
einer feſteren Bindung derſelben zu, allein mit Unrecht. Beide

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0294" n="276"/><fw place="top" type="header">Wein- und Biergährung.</fw><lb/>
werden, als dieß durch &#x017F;eine eigene Metamorpho&#x017F;e ge&#x017F;chieht;<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Portion Zucker wird keinen Alkohol und keine<lb/>
Kohlen&#x017F;äure liefern; es mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich aus &#x017F;einen Elementen an-<lb/>
dere, an Sauer&#x017F;toff ärmere Producte bilden.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t &#x017F;chon früher auf die&#x017F;e Producte hingewie&#x017F;en wor-<lb/>
den, &#x017F;ie &#x017F;ind es, welche eine &#x017F;o große Ver&#x017F;chiedenheit in den<lb/>
Qualitäten der gegohrenen Flü&#x017F;&#x017F;igkeiten und namentlich in<lb/>
ihrem Alkoholgehalt bedingen.</p><lb/>
          <p>Der Trauben&#x017F;aft, die Bierwürze liefern al&#x017F;o in der Ober-<lb/>
gährung keineswegs eine dem Zuckergehalt ent&#x017F;prechende Menge<lb/>
von Alkohol, eben weil eine Portion Zucker zur Verwandlung<lb/>
des Klebers in Ferment, in Hefe, und nicht zur Alkoholbildung<lb/>
verwendet wird. Dieß muß aber voll&#x017F;tändig in der Untergäh-<lb/>
rung, dieß muß aufs Vollkommen&#x017F;te bei allen Gährungen<lb/>
&#x017F;tattfinden, wo die Metamorpho&#x017F;e des Zuckers nicht begleitet<lb/>
i&#x017F;t von Hefenbildung.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t eine ent&#x017F;chiedene That&#x017F;ache, daß in der Branntwein-<lb/>
brennerei aus Kartoffeln, wobei &#x017F;ich keine oder nur eine dem<lb/>
Malzzu&#x017F;atz ent&#x017F;prechende Quantität Hefe bildet, daß bei der<lb/>
Gährung der Kartoffelmei&#x017F;che, eine dem Kohlen&#x017F;toffgehalt der<lb/>
Stärke genau ent&#x017F;prechende Menge von Alkohol und Kohlen-<lb/>
&#x017F;äure gewonnen werden kann, und daß das Volum der Koh-<lb/>
len&#x017F;äure, die &#x017F;ich durch Gährung aus den Runkelrüben ent-<lb/>
wickelt, keine &#x017F;charfe Be&#x017F;timmung &#x017F;eines Zuckergehaltes zuläßt,<lb/>
weil man weniger an Kohlen&#x017F;äure erhält, als die&#x017F;er Zucker<lb/>
für &#x017F;ich in reinem Zu&#x017F;tande liefern würde.</p><lb/>
          <p>Bei gleichen Quantitäten Malz enthält das durch Unter-<lb/>
gährung erhaltene Bier mehr Alkohol und i&#x017F;t berau&#x017F;chender<lb/>
als das obergährige. Man &#x017F;chreibt gewöhnlich den kräftigen<lb/>
Ge&#x017F;chmack des er&#x017F;teren einem größeren Gehalt von Kohlen&#x017F;äure,<lb/>
einer fe&#x017F;teren Bindung der&#x017F;elben zu, allein mit Unrecht. Beide<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0294] Wein- und Biergährung. werden, als dieß durch ſeine eigene Metamorphoſe geſchieht; eine gewiſſe Portion Zucker wird keinen Alkohol und keine Kohlenſäure liefern; es müſſen ſich aus ſeinen Elementen an- dere, an Sauerſtoff ärmere Producte bilden. Es iſt ſchon früher auf dieſe Producte hingewieſen wor- den, ſie ſind es, welche eine ſo große Verſchiedenheit in den Qualitäten der gegohrenen Flüſſigkeiten und namentlich in ihrem Alkoholgehalt bedingen. Der Traubenſaft, die Bierwürze liefern alſo in der Ober- gährung keineswegs eine dem Zuckergehalt entſprechende Menge von Alkohol, eben weil eine Portion Zucker zur Verwandlung des Klebers in Ferment, in Hefe, und nicht zur Alkoholbildung verwendet wird. Dieß muß aber vollſtändig in der Untergäh- rung, dieß muß aufs Vollkommenſte bei allen Gährungen ſtattfinden, wo die Metamorphoſe des Zuckers nicht begleitet iſt von Hefenbildung. Es iſt eine entſchiedene Thatſache, daß in der Branntwein- brennerei aus Kartoffeln, wobei ſich keine oder nur eine dem Malzzuſatz entſprechende Quantität Hefe bildet, daß bei der Gährung der Kartoffelmeiſche, eine dem Kohlenſtoffgehalt der Stärke genau entſprechende Menge von Alkohol und Kohlen- ſäure gewonnen werden kann, und daß das Volum der Koh- lenſäure, die ſich durch Gährung aus den Runkelrüben ent- wickelt, keine ſcharfe Beſtimmung ſeines Zuckergehaltes zuläßt, weil man weniger an Kohlenſäure erhält, als dieſer Zucker für ſich in reinem Zuſtande liefern würde. Bei gleichen Quantitäten Malz enthält das durch Unter- gährung erhaltene Bier mehr Alkohol und iſt berauſchender als das obergährige. Man ſchreibt gewöhnlich den kräftigen Geſchmack des erſteren einem größeren Gehalt von Kohlenſäure, einer feſteren Bindung derſelben zu, allein mit Unrecht. Beide

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/294
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/294>, abgerufen am 24.11.2024.