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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Gift, Contagien, Miasmen.

Es ist evident, daß das Vorhandensein dieser pflanzensau-
ren Salze im Blute eine Aenderung in dem Respirationspro-
cesse herbeiführen mußte; wären sie nicht gegenwärtig gewesen,
so würde der eingeathmete Sauerstoff, wie gewöhnlich, an die
Bestandtheile des Blutes getreten sein, ein Theil davon hat
sich aber mit den Bestandtheilen des Salzes vereinigt und ist
nicht in's Blut übergegangen; die unmittelbare Folge davon
muß eine verminderte Erzeugung von arteriellem Blute sein,
oder was das nämliche ist, der Respirationsproceß ist verlang-
samt worden.

Neutrale citronensaure, weinsaure, essigsaure Alkalien ver-
halten sich in Berührung mit Luft und mit verwesenden thie-
rischen und vegetabilischen Körpern ganz auf die nämliche Weise
wie in der Lunge, sie nehmen Theil an der Verwesung und
gehen auf dieselbe Weise wie im lebenden Körper in kohlen-
saure Salze über; werden ihre wässrigen Lösungen im un-
reinen Zustande sich selbst überlassen, so verschwinden nach und
nach ihre Säuren auf's vollständigste.

Freie Mineral- oder nicht flüchtige Pflanzensäuren, sowie
Salze von Mineralsäuren mit alkalischen Basen heben in ge-
wissen Mengen alle Verwesungsprocesse auf, in kleineren Quan-
titäten wird durch sie der Verwesungsproceß verlangsamt und
gehemmt, sie bringen in dem lebenden Körper ähnliche Er-
scheinungen hervor, wie neutrale pflanzensaure Salze, allein
ihre Wirkung hängt von einer andern Ursache ab.

Einer Aufnahme großer Mengen von Mineralsalzen in das
Blut, wodurch dem Verwesungsprocesse in der Lunge eine Grenze
gesetzt werden könnte, widersetzt sich eine sehr merkwürdige Ei-
genschaft aller thierischen Membranen, Häute, Zellgewebe,
Muskelfaser etc.

Diese Eigenschaft besteht darin, daß sie unfähig sind, von

Gift, Contagien, Miasmen.

Es iſt evident, daß das Vorhandenſein dieſer pflanzenſau-
ren Salze im Blute eine Aenderung in dem Reſpirationspro-
ceſſe herbeiführen mußte; wären ſie nicht gegenwärtig geweſen,
ſo würde der eingeathmete Sauerſtoff, wie gewöhnlich, an die
Beſtandtheile des Blutes getreten ſein, ein Theil davon hat
ſich aber mit den Beſtandtheilen des Salzes vereinigt und iſt
nicht in’s Blut übergegangen; die unmittelbare Folge davon
muß eine verminderte Erzeugung von arteriellem Blute ſein,
oder was das nämliche iſt, der Reſpirationsproceß iſt verlang-
ſamt worden.

Neutrale citronenſaure, weinſaure, eſſigſaure Alkalien ver-
halten ſich in Berührung mit Luft und mit verweſenden thie-
riſchen und vegetabiliſchen Körpern ganz auf die nämliche Weiſe
wie in der Lunge, ſie nehmen Theil an der Verweſung und
gehen auf dieſelbe Weiſe wie im lebenden Körper in kohlen-
ſaure Salze über; werden ihre wäſſrigen Löſungen im un-
reinen Zuſtande ſich ſelbſt überlaſſen, ſo verſchwinden nach und
nach ihre Säuren auf’s vollſtändigſte.

Freie Mineral- oder nicht flüchtige Pflanzenſäuren, ſowie
Salze von Mineralſäuren mit alkaliſchen Baſen heben in ge-
wiſſen Mengen alle Verweſungsproceſſe auf, in kleineren Quan-
titäten wird durch ſie der Verweſungsproceß verlangſamt und
gehemmt, ſie bringen in dem lebenden Körper ähnliche Er-
ſcheinungen hervor, wie neutrale pflanzenſaure Salze, allein
ihre Wirkung hängt von einer andern Urſache ab.

Einer Aufnahme großer Mengen von Mineralſalzen in das
Blut, wodurch dem Verweſungsproceſſe in der Lunge eine Grenze
geſetzt werden könnte, widerſetzt ſich eine ſehr merkwürdige Ei-
genſchaft aller thieriſchen Membranen, Häute, Zellgewebe,
Muskelfaſer ꝛc.

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[302/0320] Gift, Contagien, Miasmen. Es iſt evident, daß das Vorhandenſein dieſer pflanzenſau- ren Salze im Blute eine Aenderung in dem Reſpirationspro- ceſſe herbeiführen mußte; wären ſie nicht gegenwärtig geweſen, ſo würde der eingeathmete Sauerſtoff, wie gewöhnlich, an die Beſtandtheile des Blutes getreten ſein, ein Theil davon hat ſich aber mit den Beſtandtheilen des Salzes vereinigt und iſt nicht in’s Blut übergegangen; die unmittelbare Folge davon muß eine verminderte Erzeugung von arteriellem Blute ſein, oder was das nämliche iſt, der Reſpirationsproceß iſt verlang- ſamt worden. Neutrale citronenſaure, weinſaure, eſſigſaure Alkalien ver- halten ſich in Berührung mit Luft und mit verweſenden thie- riſchen und vegetabiliſchen Körpern ganz auf die nämliche Weiſe wie in der Lunge, ſie nehmen Theil an der Verweſung und gehen auf dieſelbe Weiſe wie im lebenden Körper in kohlen- ſaure Salze über; werden ihre wäſſrigen Löſungen im un- reinen Zuſtande ſich ſelbſt überlaſſen, ſo verſchwinden nach und nach ihre Säuren auf’s vollſtändigſte. Freie Mineral- oder nicht flüchtige Pflanzenſäuren, ſowie Salze von Mineralſäuren mit alkaliſchen Baſen heben in ge- wiſſen Mengen alle Verweſungsproceſſe auf, in kleineren Quan- titäten wird durch ſie der Verweſungsproceß verlangſamt und gehemmt, ſie bringen in dem lebenden Körper ähnliche Er- ſcheinungen hervor, wie neutrale pflanzenſaure Salze, allein ihre Wirkung hängt von einer andern Urſache ab. Einer Aufnahme großer Mengen von Mineralſalzen in das Blut, wodurch dem Verweſungsproceſſe in der Lunge eine Grenze geſetzt werden könnte, widerſetzt ſich eine ſehr merkwürdige Ei- genſchaft aller thieriſchen Membranen, Häute, Zellgewebe, Muskelfaſer ꝛc. Dieſe Eigenſchaft beſteht darin, daß ſie unfähig ſind, von

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/320>, abgerufen am 24.11.2024.