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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Gift, Contagien, Miasmen.
bei einem gewissen Grade der Verdünnung absorbirt, im con-
centrirten Zustande wirken sie grade umgekehrt, sie entziehen
dem Organe Wasser, es entsteht heftiger Durst, es entsteht in
dem Magen selbst ein Austausch von Wasser und Salz, der
Magen giebt Wasser ab, ein Theil der Salzlösung wird
in verdünntem Zustande von ihm aufgenommen, der größere
Theil der concentrirten Salzlösung bleibt unabsorbirt, sie wird
nicht durch die Harnwege entfernt, sondern sie gelangt in die
Eingeweide und den Darmcanal, und verursachen dort eine
Verdünnung der abgelagerten festen Stoffe, sie purgiren.

Jedes von diesen Salzen besitzt neben der allgemeinen pur-
girenden Wirkung, welche abhängig ist von einer physikalischen
Eigenschaft, die sie gemein haben, noch besondere medicinische
Wirkungen, eben weil jeder Theil des Organismus, den sie
berühren, diejenige Quantität davon aufnimmt, die überhaupt
davon absorbirbar ist.

Mit der purgirenden Wirkung haben die Bestandtheile die-
ser Salze nicht das Geringste zu thun, denn es ist vollkom-
men gleichgültig für die Wirkung (nicht für die Stärke der-
selben), ob die Basis Kali oder Natron, in vielen Fällen Kali
oder Bittererde und die Säure, Phosphorsäure, Schwefelsäure,
Salpetersäure, Chlorwasserstoffsäure etc. ist.

Außer diesen Salzen, deren Wirkung auf den Organismus
nicht abhängig ist von ihrer Fähigkeit Verbindungen einzu-
gehen, giebt es eine große Klasse von anderen, welche, in den
lebenden Körper gebracht, Aenderungen ganz anderer Art be-
wirken, welche in mehr oder weniger großen Gaben Krank-
heiten oder Tod zur Folge haben, ohne daß man eine eigent-
liche Zerstörung von Organen wahrnimmt.

Es sind dieß die eigentlichen anorganischen Gifte, deren
Wirkung auf ihrer Fähigkeit beruht, feste Verbindungen mit

Gift, Contagien, Miasmen.
bei einem gewiſſen Grade der Verdünnung abſorbirt, im con-
centrirten Zuſtande wirken ſie grade umgekehrt, ſie entziehen
dem Organe Waſſer, es entſteht heftiger Durſt, es entſteht in
dem Magen ſelbſt ein Austauſch von Waſſer und Salz, der
Magen giebt Waſſer ab, ein Theil der Salzlöſung wird
in verdünntem Zuſtande von ihm aufgenommen, der größere
Theil der concentrirten Salzlöſung bleibt unabſorbirt, ſie wird
nicht durch die Harnwege entfernt, ſondern ſie gelangt in die
Eingeweide und den Darmcanal, und verurſachen dort eine
Verdünnung der abgelagerten feſten Stoffe, ſie purgiren.

Jedes von dieſen Salzen beſitzt neben der allgemeinen pur-
girenden Wirkung, welche abhängig iſt von einer phyſikaliſchen
Eigenſchaft, die ſie gemein haben, noch beſondere mediciniſche
Wirkungen, eben weil jeder Theil des Organismus, den ſie
berühren, diejenige Quantität davon aufnimmt, die überhaupt
davon abſorbirbar iſt.

Mit der purgirenden Wirkung haben die Beſtandtheile die-
ſer Salze nicht das Geringſte zu thun, denn es iſt vollkom-
men gleichgültig für die Wirkung (nicht für die Stärke der-
ſelben), ob die Baſis Kali oder Natron, in vielen Fällen Kali
oder Bittererde und die Säure, Phosphorſäure, Schwefelſäure,
Salpeterſäure, Chlorwaſſerſtoffſäure ꝛc. iſt.

Außer dieſen Salzen, deren Wirkung auf den Organismus
nicht abhängig iſt von ihrer Fähigkeit Verbindungen einzu-
gehen, giebt es eine große Klaſſe von anderen, welche, in den
lebenden Körper gebracht, Aenderungen ganz anderer Art be-
wirken, welche in mehr oder weniger großen Gaben Krank-
heiten oder Tod zur Folge haben, ohne daß man eine eigent-
liche Zerſtörung von Organen wahrnimmt.

Es ſind dieß die eigentlichen anorganiſchen Gifte, deren
Wirkung auf ihrer Fähigkeit beruht, feſte Verbindungen mit

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[304/0322] Gift, Contagien, Miasmen. bei einem gewiſſen Grade der Verdünnung abſorbirt, im con- centrirten Zuſtande wirken ſie grade umgekehrt, ſie entziehen dem Organe Waſſer, es entſteht heftiger Durſt, es entſteht in dem Magen ſelbſt ein Austauſch von Waſſer und Salz, der Magen giebt Waſſer ab, ein Theil der Salzlöſung wird in verdünntem Zuſtande von ihm aufgenommen, der größere Theil der concentrirten Salzlöſung bleibt unabſorbirt, ſie wird nicht durch die Harnwege entfernt, ſondern ſie gelangt in die Eingeweide und den Darmcanal, und verurſachen dort eine Verdünnung der abgelagerten feſten Stoffe, ſie purgiren. Jedes von dieſen Salzen beſitzt neben der allgemeinen pur- girenden Wirkung, welche abhängig iſt von einer phyſikaliſchen Eigenſchaft, die ſie gemein haben, noch beſondere mediciniſche Wirkungen, eben weil jeder Theil des Organismus, den ſie berühren, diejenige Quantität davon aufnimmt, die überhaupt davon abſorbirbar iſt. Mit der purgirenden Wirkung haben die Beſtandtheile die- ſer Salze nicht das Geringſte zu thun, denn es iſt vollkom- men gleichgültig für die Wirkung (nicht für die Stärke der- ſelben), ob die Baſis Kali oder Natron, in vielen Fällen Kali oder Bittererde und die Säure, Phosphorſäure, Schwefelſäure, Salpeterſäure, Chlorwaſſerſtoffſäure ꝛc. iſt. Außer dieſen Salzen, deren Wirkung auf den Organismus nicht abhängig iſt von ihrer Fähigkeit Verbindungen einzu- gehen, giebt es eine große Klaſſe von anderen, welche, in den lebenden Körper gebracht, Aenderungen ganz anderer Art be- wirken, welche in mehr oder weniger großen Gaben Krank- heiten oder Tod zur Folge haben, ohne daß man eine eigent- liche Zerſtörung von Organen wahrnimmt. Es ſind dieß die eigentlichen anorganiſchen Gifte, deren Wirkung auf ihrer Fähigkeit beruht, feſte Verbindungen mit

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/322>, abgerufen am 24.11.2024.