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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Gift, Contagien, Miasmen.
silber geht durch die gewöhnlichen Wege wieder aus dem Kör-
per. Die Löslichkeit, die Fähigkeit also, einer jeden Bewegung
zu folgen, ist in dem menschlichen Körper eine Bedingung zu
jeder Wirksamkeit.

Von den löslichen Bleisalzen wissen wir, daß sie alle Ei-
genschaften der Silber- und Quecksilbersalze theilen; allein alle
Verbindungen des Bleioxids mit organischen Stoffen sind zer-
legbar durch verdünnte Schwefelsäure. Man weiß, daß die
Bleikolik in allen Bleiweißfabriken unbekannt ist, wo die Ar-
beiter gewöhnt sind, täglich als Präservativ und Gegenmittel
sogenannte Schwefelsäure-Limonade (Zuckerwasser mit Schwe-
felsäure angesäuert) zu sich zu nehmen.

Die organischen Materien, welche sich im lebenden Körper
mit Metalloxiden oder Metallsalzen verbunden haben, verlieren
ihre Fähigkeit, Wasser aufzusaugen und zurückzuhalten, ohne
damit die Eigenschaft einzubüßen, Flüssigkeiten durch ihre Po-
ren durchzulassen. Eine starke Zusammenziehung, Schwinden
der Oberflächen ist die Folge der Berührung mit diesen Körpern.

Eine besondere Eigenschaft besitzt noch überdieß der Subli-
mat und manche Bleisalze, indem sie bei vorherrschenden Men-
gen die zuerst gebildeten unlöslichen Verbindungen aufzulösen
vermögen, wodurch das Gegentheil von Contraction, nämlich
eine Verflüssigung des vergifteten Organs, herbeigeführt wird.

Kupferoxidsalze werden selbst in Verbindung mit den stärk-
sten Säuren durch viele vegetablische Substanzen, namentlich
durch Zucker und Honig, in Metall oder in Oxidul reducirt,
in Materien, denen die Fähigkeit abgeht, sich mit thierischen
Stoffen zu verbinden; sie sind als die zweckmäßigsten Gegen-
mittel seit Langem schon in Anwendung gekommen.

Was die giftigen Wirkungen der Blausäure, der organi-
schen Basen, des Strychnins, Brucins etc. betrifft, so

Gift, Contagien, Miasmen.
ſilber geht durch die gewöhnlichen Wege wieder aus dem Kör-
per. Die Löslichkeit, die Fähigkeit alſo, einer jeden Bewegung
zu folgen, iſt in dem menſchlichen Körper eine Bedingung zu
jeder Wirkſamkeit.

Von den löslichen Bleiſalzen wiſſen wir, daß ſie alle Ei-
genſchaften der Silber- und Queckſilberſalze theilen; allein alle
Verbindungen des Bleioxids mit organiſchen Stoffen ſind zer-
legbar durch verdünnte Schwefelſäure. Man weiß, daß die
Bleikolik in allen Bleiweißfabriken unbekannt iſt, wo die Ar-
beiter gewöhnt ſind, täglich als Präſervativ und Gegenmittel
ſogenannte Schwefelſäure-Limonade (Zuckerwaſſer mit Schwe-
felſäure angeſäuert) zu ſich zu nehmen.

Die organiſchen Materien, welche ſich im lebenden Körper
mit Metalloxiden oder Metallſalzen verbunden haben, verlieren
ihre Fähigkeit, Waſſer aufzuſaugen und zurückzuhalten, ohne
damit die Eigenſchaft einzubüßen, Flüſſigkeiten durch ihre Po-
ren durchzulaſſen. Eine ſtarke Zuſammenziehung, Schwinden
der Oberflächen iſt die Folge der Berührung mit dieſen Körpern.

Eine beſondere Eigenſchaft beſitzt noch überdieß der Subli-
mat und manche Bleiſalze, indem ſie bei vorherrſchenden Men-
gen die zuerſt gebildeten unlöslichen Verbindungen aufzulöſen
vermögen, wodurch das Gegentheil von Contraction, nämlich
eine Verflüſſigung des vergifteten Organs, herbeigeführt wird.

Kupferoxidſalze werden ſelbſt in Verbindung mit den ſtärk-
ſten Säuren durch viele vegetabliſche Subſtanzen, namentlich
durch Zucker und Honig, in Metall oder in Oxidul reducirt,
in Materien, denen die Fähigkeit abgeht, ſich mit thieriſchen
Stoffen zu verbinden; ſie ſind als die zweckmäßigſten Gegen-
mittel ſeit Langem ſchon in Anwendung gekommen.

Was die giftigen Wirkungen der Blauſäure, der organi-
ſchen Baſen, des Strychnins, Brucins ꝛc. betrifft, ſo

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[310/0328] Gift, Contagien, Miasmen. ſilber geht durch die gewöhnlichen Wege wieder aus dem Kör- per. Die Löslichkeit, die Fähigkeit alſo, einer jeden Bewegung zu folgen, iſt in dem menſchlichen Körper eine Bedingung zu jeder Wirkſamkeit. Von den löslichen Bleiſalzen wiſſen wir, daß ſie alle Ei- genſchaften der Silber- und Queckſilberſalze theilen; allein alle Verbindungen des Bleioxids mit organiſchen Stoffen ſind zer- legbar durch verdünnte Schwefelſäure. Man weiß, daß die Bleikolik in allen Bleiweißfabriken unbekannt iſt, wo die Ar- beiter gewöhnt ſind, täglich als Präſervativ und Gegenmittel ſogenannte Schwefelſäure-Limonade (Zuckerwaſſer mit Schwe- felſäure angeſäuert) zu ſich zu nehmen. Die organiſchen Materien, welche ſich im lebenden Körper mit Metalloxiden oder Metallſalzen verbunden haben, verlieren ihre Fähigkeit, Waſſer aufzuſaugen und zurückzuhalten, ohne damit die Eigenſchaft einzubüßen, Flüſſigkeiten durch ihre Po- ren durchzulaſſen. Eine ſtarke Zuſammenziehung, Schwinden der Oberflächen iſt die Folge der Berührung mit dieſen Körpern. Eine beſondere Eigenſchaft beſitzt noch überdieß der Subli- mat und manche Bleiſalze, indem ſie bei vorherrſchenden Men- gen die zuerſt gebildeten unlöslichen Verbindungen aufzulöſen vermögen, wodurch das Gegentheil von Contraction, nämlich eine Verflüſſigung des vergifteten Organs, herbeigeführt wird. Kupferoxidſalze werden ſelbſt in Verbindung mit den ſtärk- ſten Säuren durch viele vegetabliſche Subſtanzen, namentlich durch Zucker und Honig, in Metall oder in Oxidul reducirt, in Materien, denen die Fähigkeit abgeht, ſich mit thieriſchen Stoffen zu verbinden; ſie ſind als die zweckmäßigſten Gegen- mittel ſeit Langem ſchon in Anwendung gekommen. Was die giftigen Wirkungen der Blauſäure, der organi- ſchen Baſen, des Strychnins, Brucins ꝛc. betrifft, ſo

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/328>, abgerufen am 24.11.2024.