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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.

Allem diesem zusammengenommen unterliegen zwei Ursa-
chen, die wir jetzt beleuchten wollen.

Die eine dieser Ursachen ist, daß sich in der Botanik alle
Talente und Kräfte in der Erforschung des Baues und der
Structur, in der Kenntniß der äußeren Form versplittert ha-
ben, daß man die Chemie und Physik bei der Erklärung der
einfachsten Processe nicht mit im Rathe sitzen läßt, daß man
ihre Erfahrungen und Gesetze als die mächtigsten Hülfsmittel
zur Erkenntniß nicht anwendet; man wendet sie nicht an, weil
man versäumt, sie kennen zu lernen.

Alle Entdeckungen der Physik und Chemie, alle Auseinan-
dersetzungen des Chemikers, sie müssen für sie erfolg- und
wirkungslos bleiben, denn selbst für ihre Coriphäen sind Koh-
lensäure, Ammoniak, Säuren und Basen bedeutungslose Laute,
es sind Worte ohne Sinn, Worte einer unbekannten Sprache,
die keine Beziehungen, keine Gedanken erwecken. Sie ver-
fahren wie Ungebildete, welche den Werth und Nutzen der
Kenntniß einer fremden Literatur um so tiefer herabsetzen und
um so geringschätzender beurtheilen, je weniger sie davon ver-
stehen, denn selbst diejenigen unter ihnen, die sie verstanden,
sie sind nicht begriffen worden *).

*) Das Wachsen einer Pflanze.

Wie das Entstehen einer Pflanze durch irdische allgemeine Thätigkeit
bedingt ist, so auch ihr Wachsen und Bestehen. Das Wachsen der
Pflanzen geschieht allseitig und nur vorherrschend stärker nach gewissen
Richtungen unter bestimmten Umständen. Um die Gesetze, nach wel-
chen das Wachsen und das Gestalten der Pflanzen stattfindet, nur
einigermaßen begreiflich finden zu können, muß man die folgenden
naturwissenschaftlichen Ansichten sich deutlich gemacht haben.
1. Jeder stoffige Körper ist seinem Wesen nach der Schwere unter-
worfen, und auch der Pflanzenkörper folgt ihr, und die Pflanze über-
windet nur theilweise durch eigene Selbstthätigkeit diese Kraft.
Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.

Allem dieſem zuſammengenommen unterliegen zwei Urſa-
chen, die wir jetzt beleuchten wollen.

Die eine dieſer Urſachen iſt, daß ſich in der Botanik alle
Talente und Kräfte in der Erforſchung des Baues und der
Structur, in der Kenntniß der äußeren Form verſplittert ha-
ben, daß man die Chemie und Phyſik bei der Erklärung der
einfachſten Proceſſe nicht mit im Rathe ſitzen läßt, daß man
ihre Erfahrungen und Geſetze als die mächtigſten Hülfsmittel
zur Erkenntniß nicht anwendet; man wendet ſie nicht an, weil
man verſäumt, ſie kennen zu lernen.

Alle Entdeckungen der Phyſik und Chemie, alle Auseinan-
derſetzungen des Chemikers, ſie müſſen für ſie erfolg- und
wirkungslos bleiben, denn ſelbſt für ihre Coriphäen ſind Koh-
lenſäure, Ammoniak, Säuren und Baſen bedeutungsloſe Laute,
es ſind Worte ohne Sinn, Worte einer unbekannten Sprache,
die keine Beziehungen, keine Gedanken erwecken. Sie ver-
fahren wie Ungebildete, welche den Werth und Nutzen der
Kenntniß einer fremden Literatur um ſo tiefer herabſetzen und
um ſo geringſchätzender beurtheilen, je weniger ſie davon ver-
ſtehen, denn ſelbſt diejenigen unter ihnen, die ſie verſtanden,
ſie ſind nicht begriffen worden *).

*) Das Wachſen einer Pflanze.

Wie das Entſtehen einer Pflanze durch irdiſche allgemeine Thätigkeit
bedingt iſt, ſo auch ihr Wachſen und Beſtehen. Das Wachſen der
Pflanzen geſchieht allſeitig und nur vorherrſchend ſtärker nach gewiſſen
Richtungen unter beſtimmten Umſtänden. Um die Geſetze, nach wel-
chen das Wachſen und das Geſtalten der Pflanzen ſtattfindet, nur
einigermaßen begreiflich finden zu können, muß man die folgenden
naturwiſſenſchaftlichen Anſichten ſich deutlich gemacht haben.
1. Jeder ſtoffige Körper iſt ſeinem Weſen nach der Schwere unter-
worfen, und auch der Pflanzenkörper folgt ihr, und die Pflanze über-
windet nur theilweiſe durch eigene Selbſtthätigkeit dieſe Kraft.
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[32/0050] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. Allem dieſem zuſammengenommen unterliegen zwei Urſa- chen, die wir jetzt beleuchten wollen. Die eine dieſer Urſachen iſt, daß ſich in der Botanik alle Talente und Kräfte in der Erforſchung des Baues und der Structur, in der Kenntniß der äußeren Form verſplittert ha- ben, daß man die Chemie und Phyſik bei der Erklärung der einfachſten Proceſſe nicht mit im Rathe ſitzen läßt, daß man ihre Erfahrungen und Geſetze als die mächtigſten Hülfsmittel zur Erkenntniß nicht anwendet; man wendet ſie nicht an, weil man verſäumt, ſie kennen zu lernen. Alle Entdeckungen der Phyſik und Chemie, alle Auseinan- derſetzungen des Chemikers, ſie müſſen für ſie erfolg- und wirkungslos bleiben, denn ſelbſt für ihre Coriphäen ſind Koh- lenſäure, Ammoniak, Säuren und Baſen bedeutungsloſe Laute, es ſind Worte ohne Sinn, Worte einer unbekannten Sprache, die keine Beziehungen, keine Gedanken erwecken. Sie ver- fahren wie Ungebildete, welche den Werth und Nutzen der Kenntniß einer fremden Literatur um ſo tiefer herabſetzen und um ſo geringſchätzender beurtheilen, je weniger ſie davon ver- ſtehen, denn ſelbſt diejenigen unter ihnen, die ſie verſtanden, ſie ſind nicht begriffen worden *). *) Das Wachſen einer Pflanze. Wie das Entſtehen einer Pflanze durch irdiſche allgemeine Thätigkeit bedingt iſt, ſo auch ihr Wachſen und Beſtehen. Das Wachſen der Pflanzen geſchieht allſeitig und nur vorherrſchend ſtärker nach gewiſſen Richtungen unter beſtimmten Umſtänden. Um die Geſetze, nach wel- chen das Wachſen und das Geſtalten der Pflanzen ſtattfindet, nur einigermaßen begreiflich finden zu können, muß man die folgenden naturwiſſenſchaftlichen Anſichten ſich deutlich gemacht haben. 1. Jeder ſtoffige Körper iſt ſeinem Weſen nach der Schwere unter- worfen, und auch der Pflanzenkörper folgt ihr, und die Pflanze über- windet nur theilweiſe durch eigene Selbſtthätigkeit dieſe Kraft.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/50>, abgerufen am 21.11.2024.