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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.
seine Verrichtungen geben soll; *) sie huldigen dem Aus-
spruche Hallers und schreiben der Lebenskraft zu, was sie
nicht begreifen, was sie nicht erklären können, gerade so,
wie man vor 30 Jahren Alles durch Galvanismus ver-

6. Durch die Luft, als Element, wird beim Einathmen jedes Leben der
Pflanzen (und Thiere) erhalten, und wenn durch ihre Einwirkung, we-
gen ihrer großen Leichtigkeit, auch die Pflanzenmasse nicht sehr ver-
größert wird, so müssen, zum Belebtsein, doch alle Theile von ihr
stetig durchdrungen und umgeben sein. Die Grundlage der Luft ist
das Stickgas, da dieses aber nicht einfach, sondern mit dem Sauer-
stoff gemengt erscheint, welche luftförmige Verbindung dann Wasser-
stoff
genannt wird (weil sie beim Zersetzen des Wassers in einer
glühenden eisernen Röhre entsteht!), so kann man sagen, die Luft be-
stehe aus Sauerstoff, Wasserstoff (Stickstoff) und Kohlenstoff, und der
Wasserstoff macht einen wesentlichen Bestandtheil der Pflanzen aus.
Das Vorstehende wird hier als Beispiel der Behandlung der Pflanzen-
physiologie und der Ansichten mancher Botaniker über die Ernährung der
Gewächse gegeben; es ist aus J. A. Reum's, Professor in Tharand
(Mitglied mehrerer wissenschaftlichen Vereine etc.), Forstbotanik. 3te
Auflage, Leipzig, Arnold'sche Buchhandlung, 1837.
*) Das Axiom unserer Theorie ist also: Die Natur ist die Erscheinung
des Unendlichen im Endlichen, da nun das Unendliche das Absolute,
Alleinige, das Endliche aber das Relative, Mannichfaltige ist, so giebt
es auch nur zwei wesentliche Urformen der Naturthätigkeit.
"In der pflanzlichen und thierisch bewußtlosen Zeugung ist die Be-
fruchtung eine electrische Wirkung bei offner Kette."
"Bei der innerlichen Begattung wirkt er (der Saame) auf das weib-
liche Leben selbst, steigert sein Dasein zu einer magnetischen Ent-
faltung
, welche in einer Zersetzung des Fruchtstoffs sich ausspricht,
und darin besteht das Wesen der Befruchtung."
Burdach's Physiologie als Erfahrungswissenschaft III. S. 184 bei Ge-
legenheit, wo von den Bestandtheilen der Butter die Rede ist.

Die traurige Zeit, wo sich geistreiche und verdienstvolle Männer,
mit ähnlichen hohlen nichtssagenden Phrasen, mit Bildern und Phan-
tasiegemälden in der Form von Erklärungen überboten, sie kann als
vorübergehend angesehen werden, seitdem eine neue Aera durch Tiede-
mann
's und Gmelin's, Müller's, Valentin's, Arnold's, Wag-
ner
's, Schwann's und Anderer Forschungen begonnen hat, eine un-
erschöpfliche Quelle von Entdeckungen liegt vor ihnen, alles ist von
ihren Vorgängern geschehen, um ihnen die Entdeckung der wichtigsten
Wahrheiten ungeschmälert zu überlassen.

Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
ſeine Verrichtungen geben ſoll; *) ſie huldigen dem Aus-
ſpruche Hallers und ſchreiben der Lebenskraft zu, was ſie
nicht begreifen, was ſie nicht erklären können, gerade ſo,
wie man vor 30 Jahren Alles durch Galvanismus ver-

6. Durch die Luft, als Element, wird beim Einathmen jedes Leben der
Pflanzen (und Thiere) erhalten, und wenn durch ihre Einwirkung, we-
gen ihrer großen Leichtigkeit, auch die Pflanzenmaſſe nicht ſehr ver-
größert wird, ſo müſſen, zum Belebtſein, doch alle Theile von ihr
ſtetig durchdrungen und umgeben ſein. Die Grundlage der Luft iſt
das Stickgas, da dieſes aber nicht einfach, ſondern mit dem Sauer-
ſtoff gemengt erſcheint, welche luftförmige Verbindung dann Waſſer-
ſtoff
genannt wird (weil ſie beim Zerſetzen des Waſſers in einer
glühenden eiſernen Röhre entſteht!), ſo kann man ſagen, die Luft be-
ſtehe aus Sauerſtoff, Waſſerſtoff (Stickſtoff) und Kohlenſtoff, und der
Waſſerſtoff macht einen weſentlichen Beſtandtheil der Pflanzen aus.
Das Vorſtehende wird hier als Beiſpiel der Behandlung der Pflanzen-
phyſiologie und der Anſichten mancher Botaniker über die Ernährung der
Gewächſe gegeben; es iſt aus J. A. Reum’s, Profeſſor in Tharand
(Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Vereine ꝛc.), Forſtbotanik. 3te
Auflage, Leipzig, Arnold’ſche Buchhandlung, 1837.
*) Das Axiom unſerer Theorie iſt alſo: Die Natur iſt die Erſcheinung
des Unendlichen im Endlichen, da nun das Unendliche das Abſolute,
Alleinige, das Endliche aber das Relative, Mannichfaltige iſt, ſo giebt
es auch nur zwei weſentliche Urformen der Naturthätigkeit.
»In der pflanzlichen und thieriſch bewußtloſen Zeugung iſt die Be-
fruchtung eine electriſche Wirkung bei offner Kette
»Bei der innerlichen Begattung wirkt er (der Saame) auf das weib-
liche Leben ſelbſt, ſteigert ſein Daſein zu einer magnetiſchen Ent-
faltung
, welche in einer Zerſetzung des Fruchtſtoffs ſich ausſpricht,
und darin beſteht das Weſen der Befruchtung
Burdach’s Phyſiologie als Erfahrungswiſſenſchaft III. S. 184 bei Ge-
legenheit, wo von den Beſtandtheilen der Butter die Rede iſt.

Die traurige Zeit, wo ſich geiſtreiche und verdienſtvolle Männer,
mit ähnlichen hohlen nichtsſagenden Phraſen, mit Bildern und Phan-
taſiegemälden in der Form von Erklärungen überboten, ſie kann als
vorübergehend angeſehen werden, ſeitdem eine neue Aera durch Tiede-
mann
’s und Gmelin’s, Müller’s, Valentin’s, Arnold’s, Wag-
ner
’s, Schwann’s und Anderer Forſchungen begonnen hat, eine un-
erſchöpfliche Quelle von Entdeckungen liegt vor ihnen, alles iſt von
ihren Vorgängern geſchehen, um ihnen die Entdeckung der wichtigſten
Wahrheiten ungeſchmälert zu überlaſſen.
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[34/0052] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. ſeine Verrichtungen geben ſoll; *) ſie huldigen dem Aus- ſpruche Hallers und ſchreiben der Lebenskraft zu, was ſie nicht begreifen, was ſie nicht erklären können, gerade ſo, wie man vor 30 Jahren Alles durch Galvanismus ver- *) *) Das Axiom unſerer Theorie iſt alſo: Die Natur iſt die Erſcheinung des Unendlichen im Endlichen, da nun das Unendliche das Abſolute, Alleinige, das Endliche aber das Relative, Mannichfaltige iſt, ſo giebt es auch nur zwei weſentliche Urformen der Naturthätigkeit. »In der pflanzlichen und thieriſch bewußtloſen Zeugung iſt die Be- fruchtung eine electriſche Wirkung bei offner Kette.« »Bei der innerlichen Begattung wirkt er (der Saame) auf das weib- liche Leben ſelbſt, ſteigert ſein Daſein zu einer magnetiſchen Ent- faltung, welche in einer Zerſetzung des Fruchtſtoffs ſich ausſpricht, und darin beſteht das Weſen der Befruchtung.« Burdach’s Phyſiologie als Erfahrungswiſſenſchaft III. S. 184 bei Ge- legenheit, wo von den Beſtandtheilen der Butter die Rede iſt. Die traurige Zeit, wo ſich geiſtreiche und verdienſtvolle Männer, mit ähnlichen hohlen nichtsſagenden Phraſen, mit Bildern und Phan- taſiegemälden in der Form von Erklärungen überboten, ſie kann als vorübergehend angeſehen werden, ſeitdem eine neue Aera durch Tiede- mann’s und Gmelin’s, Müller’s, Valentin’s, Arnold’s, Wag- ner’s, Schwann’s und Anderer Forſchungen begonnen hat, eine un- erſchöpfliche Quelle von Entdeckungen liegt vor ihnen, alles iſt von ihren Vorgängern geſchehen, um ihnen die Entdeckung der wichtigſten Wahrheiten ungeſchmälert zu überlaſſen. *) 6. Durch die Luft, als Element, wird beim Einathmen jedes Leben der Pflanzen (und Thiere) erhalten, und wenn durch ihre Einwirkung, we- gen ihrer großen Leichtigkeit, auch die Pflanzenmaſſe nicht ſehr ver- größert wird, ſo müſſen, zum Belebtſein, doch alle Theile von ihr ſtetig durchdrungen und umgeben ſein. Die Grundlage der Luft iſt das Stickgas, da dieſes aber nicht einfach, ſondern mit dem Sauer- ſtoff gemengt erſcheint, welche luftförmige Verbindung dann Waſſer- ſtoff genannt wird (weil ſie beim Zerſetzen des Waſſers in einer glühenden eiſernen Röhre entſteht!), ſo kann man ſagen, die Luft be- ſtehe aus Sauerſtoff, Waſſerſtoff (Stickſtoff) und Kohlenſtoff, und der Waſſerſtoff macht einen weſentlichen Beſtandtheil der Pflanzen aus. Das Vorſtehende wird hier als Beiſpiel der Behandlung der Pflanzen- phyſiologie und der Anſichten mancher Botaniker über die Ernährung der Gewächſe gegeben; es iſt aus J. A. Reum’s, Profeſſor in Tharand (Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Vereine ꝛc.), Forſtbotanik. 3te Auflage, Leipzig, Arnold’ſche Buchhandlung, 1837.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/52>, abgerufen am 21.11.2024.