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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Ursprung und Verhalten des Humus.

Noch jetzt rechnet man diese Klasse von Gewächsen zu de-
nen, welche den Boden nicht erschöpfen.

Alle Pflanzen der früheren Generationen unterscheiden sich
von den gegenwärtig lebenden, durch die unbedeutende und
schwache Entwickelung der Wurzel. Man findet in den Braun-
kohlenlagern Früchte, Blätter, Saamen, beinahe alle Theile
der vorweltlichen Pflanzen, allein die Wurzeln findet man nicht
darin. Die Gefäßbündel, woraus sie bestanden, die leicht ver-
änderlichen, schwammigen Zellen, sie waren es zuerst, welche
der Zersetzung unterlagen, aber an Eichen und andern Bäu-
men, die in späteren Perioden durch ähnliche Revolutionen
dieselben Veränderungen, wie die urweltlichen Gewächse erlitten
haben, fehlen die Wurzeln niemals.

In den heißen Climaten sind die grünenden Gewächse
mehrentheils solche, die nur einer Befestigung in dem Boden
bedürfen, um ohne seine Mitwirkung sich zu entwickeln. Wie
verschwindend ist bei den Cactus-, Sedum- und Sempervi-
vum
-Arten die Wurzel gegen die Masse, gegen die Ober-
fläche der Blätter, und in dem dürresten, trockensten Sand,
wo von einer Zuführung von Nahrung durch die Wurzel gar
nicht die Rede sein kann, sehen wir die milchsaftführenden Ge-
wächse zur vollesten Entwickelung gelangen; die aus der Luft
aufgenommene, zu ihrer Existenz unentbehrliche Feuchtigkeit,
wird durch die Beschaffenheit des Saftes selbst vor der Ver-
dunstung geschützt; Kautschuck, Wachs, umgeben, wie in den öligen
Emulsionen, das Wasser mit einer Art undurchdringlichen Hülle,
sie strotzen von Saft. Wie in der Milch die sich bildende Haut der
Verdunstung eine Grenze setzt, so in diesen Pflanzen der Milchsaft.

Es würde nach den vorhergegangenen Betrachtungen völlig
zwecklos und überflüssig erscheinen, wenn man durch einzelne
Beispiele von Pflanzen, die in Versuchen im Kleinen, ohne

Urſprung und Verhalten des Humus.

Noch jetzt rechnet man dieſe Klaſſe von Gewächſen zu de-
nen, welche den Boden nicht erſchöpfen.

Alle Pflanzen der früheren Generationen unterſcheiden ſich
von den gegenwärtig lebenden, durch die unbedeutende und
ſchwache Entwickelung der Wurzel. Man findet in den Braun-
kohlenlagern Früchte, Blätter, Saamen, beinahe alle Theile
der vorweltlichen Pflanzen, allein die Wurzeln findet man nicht
darin. Die Gefäßbündel, woraus ſie beſtanden, die leicht ver-
änderlichen, ſchwammigen Zellen, ſie waren es zuerſt, welche
der Zerſetzung unterlagen, aber an Eichen und andern Bäu-
men, die in ſpäteren Perioden durch ähnliche Revolutionen
dieſelben Veränderungen, wie die urweltlichen Gewächſe erlitten
haben, fehlen die Wurzeln niemals.

In den heißen Climaten ſind die grünenden Gewächſe
mehrentheils ſolche, die nur einer Befeſtigung in dem Boden
bedürfen, um ohne ſeine Mitwirkung ſich zu entwickeln. Wie
verſchwindend iſt bei den Cactus-, Sedum- und Sempervi-
vum
-Arten die Wurzel gegen die Maſſe, gegen die Ober-
fläche der Blätter, und in dem dürreſten, trockenſten Sand,
wo von einer Zuführung von Nahrung durch die Wurzel gar
nicht die Rede ſein kann, ſehen wir die milchſaftführenden Ge-
wächſe zur volleſten Entwickelung gelangen; die aus der Luft
aufgenommene, zu ihrer Exiſtenz unentbehrliche Feuchtigkeit,
wird durch die Beſchaffenheit des Saftes ſelbſt vor der Ver-
dunſtung geſchützt; Kautſchuck, Wachs, umgeben, wie in den öligen
Emulſionen, das Waſſer mit einer Art undurchdringlichen Hülle,
ſie ſtrotzen von Saft. Wie in der Milch die ſich bildende Haut der
Verdunſtung eine Grenze ſetzt, ſo in dieſen Pflanzen der Milchſaft.

Es würde nach den vorhergegangenen Betrachtungen völlig
zwecklos und überflüſſig erſcheinen, wenn man durch einzelne
Beiſpiele von Pflanzen, die in Verſuchen im Kleinen, ohne

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[57/0075] Urſprung und Verhalten des Humus. Noch jetzt rechnet man dieſe Klaſſe von Gewächſen zu de- nen, welche den Boden nicht erſchöpfen. Alle Pflanzen der früheren Generationen unterſcheiden ſich von den gegenwärtig lebenden, durch die unbedeutende und ſchwache Entwickelung der Wurzel. Man findet in den Braun- kohlenlagern Früchte, Blätter, Saamen, beinahe alle Theile der vorweltlichen Pflanzen, allein die Wurzeln findet man nicht darin. Die Gefäßbündel, woraus ſie beſtanden, die leicht ver- änderlichen, ſchwammigen Zellen, ſie waren es zuerſt, welche der Zerſetzung unterlagen, aber an Eichen und andern Bäu- men, die in ſpäteren Perioden durch ähnliche Revolutionen dieſelben Veränderungen, wie die urweltlichen Gewächſe erlitten haben, fehlen die Wurzeln niemals. In den heißen Climaten ſind die grünenden Gewächſe mehrentheils ſolche, die nur einer Befeſtigung in dem Boden bedürfen, um ohne ſeine Mitwirkung ſich zu entwickeln. Wie verſchwindend iſt bei den Cactus-, Sedum- und Sempervi- vum-Arten die Wurzel gegen die Maſſe, gegen die Ober- fläche der Blätter, und in dem dürreſten, trockenſten Sand, wo von einer Zuführung von Nahrung durch die Wurzel gar nicht die Rede ſein kann, ſehen wir die milchſaftführenden Ge- wächſe zur volleſten Entwickelung gelangen; die aus der Luft aufgenommene, zu ihrer Exiſtenz unentbehrliche Feuchtigkeit, wird durch die Beſchaffenheit des Saftes ſelbſt vor der Ver- dunſtung geſchützt; Kautſchuck, Wachs, umgeben, wie in den öligen Emulſionen, das Waſſer mit einer Art undurchdringlichen Hülle, ſie ſtrotzen von Saft. Wie in der Milch die ſich bildende Haut der Verdunſtung eine Grenze ſetzt, ſo in dieſen Pflanzen der Milchſaft. Es würde nach den vorhergegangenen Betrachtungen völlig zwecklos und überflüſſig erſcheinen, wenn man durch einzelne Beiſpiele von Pflanzen, die in Verſuchen im Kleinen, ohne

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/75>, abgerufen am 21.11.2024.