Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Assimilation des Wasserstoffs.
ter Absorbtion von Sauerstoff das harzige wasserstoffreiche Blatt-
grün; es bilden sich rothe und gelbe Farbestoffe; Weinsäure,
Citronensäure, Gerbesäure verschwinden, an ihrer Stelle findet
sich Zucker, Amylon oder Gummi.

6 Aeq. Weinsäure, beim Hinzutreten von 6 Aeq. Sauerstoff, geben
Traubenzucker unter Abscheidung von 12 Aeq. Kohlensäure.
1 Aeq. Gerbestoff, beim Hinzutreten von 8 Aeq. Sauerstoff
und 4 Aeq. Wasser, geben unter Ausscheidung von 6 Aeq. Koh-
lensäure 1 Aeq. Amylum.

Auf diese und ähnliche Weise läßt sich die Bildung von
allen stickstofffreien Bestandtheilen aus Kohlensäure und Wasser-
stoff mit Ausscheidung von Sauerstoff und die Umwandlung
des einen in den andern durch Ausscheidung von Kohlensäure
unter Assimilation von Sauerstoff erklären.

Wir wissen nicht, in welcher Form die Bildung der Be-
standtheile organischer Wesen vor sich geht; in dieser Beziehung
muß man diese Entwicklung als ein Bild betrachten, geeignet,
uns die Entstehung zu versinnlichen, allein man muß dabei
nicht vergessen, daß, wenn die Verwandlung der Weinsäure in
Zucker, in den Weintrauben z. B., als Thatsache angesehen
wird, so kann sie in keinerlei Umständen in anderen Verhält-
nissen vor sich gehen.

Der Lebensproceß in der Pflanze stellt sich unter dem be-
zeichneten Gesichtspunkt dar, als der Gegensatz des chemischen
Processes in der Salzbildung. Kohlensäure, Wasser und Zink,
miteinander in Berührung, üben eine bestimmte Wirkung auf
einander aus, unter Abscheidung von Wasserstoff entsteht
eine weiße pulverförmige Verbindung, welche Kohlensäure, Zink
und den Sauerstoff des Wassers enthält.

Die lebende Pflanze vertritt in diesem Proceß das Zink;
es entstehen in ihrem Assimilationsprocesse unter Ausschei-

Die Aſſimilation des Waſſerſtoffs.
ter Abſorbtion von Sauerſtoff das harzige waſſerſtoffreiche Blatt-
grün; es bilden ſich rothe und gelbe Farbeſtoffe; Weinſäure,
Citronenſäure, Gerbeſäure verſchwinden, an ihrer Stelle findet
ſich Zucker, Amylon oder Gummi.

6 Aeq. Weinſäure, beim Hinzutreten von 6 Aeq. Sauerſtoff, geben
Traubenzucker unter Abſcheidung von 12 Aeq. Kohlenſäure.
1 Aeq. Gerbeſtoff, beim Hinzutreten von 8 Aeq. Sauerſtoff
und 4 Aeq. Waſſer, geben unter Ausſcheidung von 6 Aeq. Koh-
lenſäure 1 Aeq. Amylum.

Auf dieſe und ähnliche Weiſe läßt ſich die Bildung von
allen ſtickſtofffreien Beſtandtheilen aus Kohlenſäure und Waſſer-
ſtoff mit Ausſcheidung von Sauerſtoff und die Umwandlung
des einen in den andern durch Ausſcheidung von Kohlenſäure
unter Aſſimilation von Sauerſtoff erklären.

Wir wiſſen nicht, in welcher Form die Bildung der Be-
ſtandtheile organiſcher Weſen vor ſich geht; in dieſer Beziehung
muß man dieſe Entwicklung als ein Bild betrachten, geeignet,
uns die Entſtehung zu verſinnlichen, allein man muß dabei
nicht vergeſſen, daß, wenn die Verwandlung der Weinſäure in
Zucker, in den Weintrauben z. B., als Thatſache angeſehen
wird, ſo kann ſie in keinerlei Umſtänden in anderen Verhält-
niſſen vor ſich gehen.

Der Lebensproceß in der Pflanze ſtellt ſich unter dem be-
zeichneten Geſichtspunkt dar, als der Gegenſatz des chemiſchen
Proceſſes in der Salzbildung. Kohlenſäure, Waſſer und Zink,
miteinander in Berührung, üben eine beſtimmte Wirkung auf
einander aus, unter Abſcheidung von Waſſerſtoff entſteht
eine weiße pulverförmige Verbindung, welche Kohlenſäure, Zink
und den Sauerſtoff des Waſſers enthält.

Die lebende Pflanze vertritt in dieſem Proceß das Zink;
es entſtehen in ihrem Aſſimilationsproceſſe unter Ausſchei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="63"/><fw place="top" type="header">Die A&#x017F;&#x017F;imilation des Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffs.</fw><lb/>
ter Ab&#x017F;orbtion von Sauer&#x017F;toff das harzige wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffreiche Blatt-<lb/>
grün; es bilden &#x017F;ich rothe und gelbe Farbe&#x017F;toffe; Wein&#x017F;äure,<lb/>
Citronen&#x017F;äure, Gerbe&#x017F;äure ver&#x017F;chwinden, an ihrer Stelle findet<lb/>
&#x017F;ich Zucker, Amylon oder Gummi.</p><lb/>
          <list>
            <item>6 Aeq. <hi rendition="#g">Wein&#x017F;äure</hi>, beim Hinzutreten von 6 Aeq. Sauer&#x017F;toff, geben<lb/><hi rendition="#g">Traubenzucker</hi> unter Ab&#x017F;cheidung von 12 Aeq. Kohlen&#x017F;äure.</item><lb/>
            <item>1 Aeq. <hi rendition="#g">Gerbe&#x017F;toff</hi>, beim Hinzutreten von 8 Aeq. Sauer&#x017F;toff<lb/>
und 4 Aeq. Wa&#x017F;&#x017F;er, geben unter Aus&#x017F;cheidung von 6 Aeq. Koh-<lb/>
len&#x017F;äure 1 Aeq. <hi rendition="#g">Amylum</hi>.</item>
          </list><lb/>
          <p>Auf die&#x017F;e und ähnliche Wei&#x017F;e läßt &#x017F;ich die Bildung von<lb/>
allen &#x017F;tick&#x017F;tofffreien Be&#x017F;tandtheilen aus Kohlen&#x017F;äure und Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;toff mit Aus&#x017F;cheidung von Sauer&#x017F;toff und die Umwandlung<lb/>
des einen in den andern durch Aus&#x017F;cheidung von Kohlen&#x017F;äure<lb/>
unter A&#x017F;&#x017F;imilation von Sauer&#x017F;toff erklären.</p><lb/>
          <p>Wir wi&#x017F;&#x017F;en nicht, in welcher Form die Bildung der Be-<lb/>
&#x017F;tandtheile organi&#x017F;cher We&#x017F;en vor &#x017F;ich geht; in die&#x017F;er Beziehung<lb/>
muß man die&#x017F;e Entwicklung als ein Bild betrachten, geeignet,<lb/>
uns die Ent&#x017F;tehung zu ver&#x017F;innlichen, allein man muß dabei<lb/>
nicht verge&#x017F;&#x017F;en, daß, wenn die Verwandlung der Wein&#x017F;äure in<lb/>
Zucker, in den Weintrauben z. B., als That&#x017F;ache ange&#x017F;ehen<lb/>
wird, &#x017F;o kann &#x017F;ie in keinerlei Um&#x017F;tänden in anderen Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en vor &#x017F;ich gehen.</p><lb/>
          <p>Der Lebensproceß in der Pflanze &#x017F;tellt &#x017F;ich unter dem be-<lb/>
zeichneten Ge&#x017F;ichtspunkt dar, als der Gegen&#x017F;atz des chemi&#x017F;chen<lb/>
Proce&#x017F;&#x017F;es in der Salzbildung. Kohlen&#x017F;äure, Wa&#x017F;&#x017F;er und Zink,<lb/>
miteinander in Berührung, üben eine be&#x017F;timmte Wirkung auf<lb/>
einander aus, <hi rendition="#g">unter Ab&#x017F;cheidung von Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff</hi> ent&#x017F;teht<lb/>
eine weiße pulverförmige Verbindung, welche Kohlen&#x017F;äure, Zink<lb/>
und den Sauer&#x017F;toff des Wa&#x017F;&#x017F;ers enthält.</p><lb/>
          <p>Die lebende Pflanze vertritt in die&#x017F;em Proceß das Zink;<lb/>
es ent&#x017F;tehen in ihrem A&#x017F;&#x017F;imilationsproce&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#g">unter Aus&#x017F;chei-</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0081] Die Aſſimilation des Waſſerſtoffs. ter Abſorbtion von Sauerſtoff das harzige waſſerſtoffreiche Blatt- grün; es bilden ſich rothe und gelbe Farbeſtoffe; Weinſäure, Citronenſäure, Gerbeſäure verſchwinden, an ihrer Stelle findet ſich Zucker, Amylon oder Gummi. 6 Aeq. Weinſäure, beim Hinzutreten von 6 Aeq. Sauerſtoff, geben Traubenzucker unter Abſcheidung von 12 Aeq. Kohlenſäure. 1 Aeq. Gerbeſtoff, beim Hinzutreten von 8 Aeq. Sauerſtoff und 4 Aeq. Waſſer, geben unter Ausſcheidung von 6 Aeq. Koh- lenſäure 1 Aeq. Amylum. Auf dieſe und ähnliche Weiſe läßt ſich die Bildung von allen ſtickſtofffreien Beſtandtheilen aus Kohlenſäure und Waſſer- ſtoff mit Ausſcheidung von Sauerſtoff und die Umwandlung des einen in den andern durch Ausſcheidung von Kohlenſäure unter Aſſimilation von Sauerſtoff erklären. Wir wiſſen nicht, in welcher Form die Bildung der Be- ſtandtheile organiſcher Weſen vor ſich geht; in dieſer Beziehung muß man dieſe Entwicklung als ein Bild betrachten, geeignet, uns die Entſtehung zu verſinnlichen, allein man muß dabei nicht vergeſſen, daß, wenn die Verwandlung der Weinſäure in Zucker, in den Weintrauben z. B., als Thatſache angeſehen wird, ſo kann ſie in keinerlei Umſtänden in anderen Verhält- niſſen vor ſich gehen. Der Lebensproceß in der Pflanze ſtellt ſich unter dem be- zeichneten Geſichtspunkt dar, als der Gegenſatz des chemiſchen Proceſſes in der Salzbildung. Kohlenſäure, Waſſer und Zink, miteinander in Berührung, üben eine beſtimmte Wirkung auf einander aus, unter Abſcheidung von Waſſerſtoff entſteht eine weiße pulverförmige Verbindung, welche Kohlenſäure, Zink und den Sauerſtoff des Waſſers enthält. Die lebende Pflanze vertritt in dieſem Proceß das Zink; es entſtehen in ihrem Aſſimilationsproceſſe unter Ausſchei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/81
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/81>, abgerufen am 24.11.2024.