Eine Nation von Jägern auf einem begrenzten Flächenraum ist der Vermehrung durchaus unfähig, der zum Athmen unent- behrliche Kohlenstoff muß von den Thieren genommen werden, von denen auf der gegebenen Fläche nur eine beschränkte An- zahl leben kann. Diese Thiere sammeln von den Pflanzen die Bestandtheile ihrer Organe und ihres Blutes, und liefern sie den von der Jagd lebenden Indianern, die sie unbegleitet von den stickstofffreien Substanzen genießen, welche während der Le- bensdauer des Thieres seinen Respirationsproceß unterhielten; es ist bei dem fleischessenden Menschen der Kohlenstoff des Fleisches, welcher das Amylon, den Zucker ersetzen muß.
In fünfzehn Pfund Fleisch ist aber nicht mehr Kohlenstoff enthalten, wie in 4 Pfund Amylon 16) und während der Indianer mit einem einzigen Thier und einem ihm gleichen Gewichte Amylon eine gewisse Anzahl von Tagen hindurch sein Leben und seine Gesundheit würde erhalten können, muß er, um den für diese Zeit, für seine Respiration unentbehrlichen Kohlenstoff zu erhalten, 5 Thiere verzehren.
Man sieht leicht, in welchem engen Verbande die Vermeh- rung des Menschengeschlechtes mit dem Ackerbau steht. Der Anbau der Culturpflanzen hat zuletzt keinen andern Zweck, als die Hervorbringung eines Maximums der zur Assimilation und Respiration dienenden Stoffe, auf dem möglichst kleinsten Raume. Die Getreide- und Gemüsepflanzen liefern uns in dem Amylon, dem Zucker, Gummi, nicht nur den Kohlenstoff, der unsere Or- gane vor der Einwirkung des Sauerstoffs schützt, und in dem Organismus die zum Leben unentbehrliche Wärme erzeugt, son-
Der chemiſche Proceß der
Eine Nation von Jägern auf einem begrenzten Flächenraum iſt der Vermehrung durchaus unfähig, der zum Athmen unent- behrliche Kohlenſtoff muß von den Thieren genommen werden, von denen auf der gegebenen Fläche nur eine beſchränkte An- zahl leben kann. Dieſe Thiere ſammeln von den Pflanzen die Beſtandtheile ihrer Organe und ihres Blutes, und liefern ſie den von der Jagd lebenden Indianern, die ſie unbegleitet von den ſtickſtofffreien Subſtanzen genießen, welche während der Le- bensdauer des Thieres ſeinen Reſpirationsproceß unterhielten; es iſt bei dem fleiſcheſſenden Menſchen der Kohlenſtoff des Fleiſches, welcher das Amylon, den Zucker erſetzen muß.
In fünfzehn Pfund Fleiſch iſt aber nicht mehr Kohlenſtoff enthalten, wie in 4 Pfund Amylon 16) und während der Indianer mit einem einzigen Thier und einem ihm gleichen Gewichte Amylon eine gewiſſe Anzahl von Tagen hindurch ſein Leben und ſeine Geſundheit würde erhalten können, muß er, um den für dieſe Zeit, für ſeine Reſpiration unentbehrlichen Kohlenſtoff zu erhalten, 5 Thiere verzehren.
Man ſieht leicht, in welchem engen Verbande die Vermeh- rung des Menſchengeſchlechtes mit dem Ackerbau ſteht. Der Anbau der Culturpflanzen hat zuletzt keinen andern Zweck, als die Hervorbringung eines Maximums der zur Aſſimilation und Reſpiration dienenden Stoffe, auf dem möglichſt kleinſten Raume. Die Getreide- und Gemüſepflanzen liefern uns in dem Amylon, dem Zucker, Gummi, nicht nur den Kohlenſtoff, der unſere Or- gane vor der Einwirkung des Sauerſtoffs ſchützt, und in dem Organismus die zum Leben unentbehrliche Wärme erzeugt, ſon-
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Der chemiſche Proceß der
Eine Nation von Jägern auf einem begrenzten Flächenraum
iſt der Vermehrung durchaus unfähig, der zum Athmen unent-
behrliche Kohlenſtoff muß von den Thieren genommen werden,
von denen auf der gegebenen Fläche nur eine beſchränkte An-
zahl leben kann. Dieſe Thiere ſammeln von den Pflanzen die
Beſtandtheile ihrer Organe und ihres Blutes, und liefern ſie den
von der Jagd lebenden Indianern, die ſie unbegleitet von den
ſtickſtofffreien Subſtanzen genießen, welche während der Le-
bensdauer des Thieres ſeinen Reſpirationsproceß unterhielten;
es iſt bei dem fleiſcheſſenden Menſchen der Kohlenſtoff des
Fleiſches, welcher das Amylon, den Zucker erſetzen muß.
In fünfzehn Pfund Fleiſch iſt aber nicht mehr Kohlenſtoff
enthalten, wie in 4 Pfund Amylon 16) und während der Indianer
mit einem einzigen Thier und einem ihm gleichen Gewichte
Amylon eine gewiſſe Anzahl von Tagen hindurch ſein Leben
und ſeine Geſundheit würde erhalten können, muß er, um den
für dieſe Zeit, für ſeine Reſpiration unentbehrlichen Kohlenſtoff
zu erhalten, 5 Thiere verzehren.
Man ſieht leicht, in welchem engen Verbande die Vermeh-
rung des Menſchengeſchlechtes mit dem Ackerbau ſteht. Der
Anbau der Culturpflanzen hat zuletzt keinen andern Zweck, als
die Hervorbringung eines Maximums der zur Aſſimilation und
Reſpiration dienenden Stoffe, auf dem möglichſt kleinſten Raume.
Die Getreide- und Gemüſepflanzen liefern uns in dem Amylon,
dem Zucker, Gummi, nicht nur den Kohlenſtoff, der unſere Or-
gane vor der Einwirkung des Sauerſtoffs ſchützt, und in dem
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/102>, abgerufen am 21.11.2024.
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