Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Umsetzung der Gebilde.
Geweben angehört; wir beobachten sie in dem lebenden Kör-
per in gleichem Grade wie an den todten Substanzen.

Man weiß, daß bei Lungenverletzungen nicht selten ein
eigenthümlicher Zustand entsteht, wo beim Athmen die atmo-
sphärische Luft von den Luftwegen aus in das angränzende
Zellgewebe eindringt. Diese Luft wird durch die Respira-
tionsbewegungen von der Wundstelle aus in dem Zellgewebe
immer weiter fortgetrieben und bildet so den unter dem
Namen Emphysem bekannten Krankheitszustand. Sobald das
fernere Eindringen der atmosphärischen Luft in das Zellge-
webe frühzeitig genug verhindert wird, verliert sich dieser
Zustand allmälig von selbst wieder, der Sauerstoff dieser
Luft ist, wie man nicht zweifeln kann, in Verbindung getreten,
das Stickstoffgas ist durch Haut und Lunge ausgeathmet worden.

Es ist ferner bekannt, daß bei vielen grasfressenden Thie-
ren, wenn sie sich im Genuße frischer saftiger Pflanzen die
Verdauungswerkzeuge überladen haben, diese Stoffe in dem
Magen selbst der nämlichen Zersetzung unterliegen, die sie au-
ßerhalb des Körpers in gleicher Temperatur erfahren; sie gehen
in Gährung und Fäulniß über, wobei sich eine so große Menge
kohlensaures und entzündliches Gas entwickelt, daß diese Or-
gane auf eine ungewöhnliche Weise (zuweilen bis zum Zer-
sprengen) aufgetrieben werden. Nach der Einrichtung ihres
Magens oder ihrer Mägen, können diese Gase durch den
Schlund nicht entweichen, man sieht aber nach einigen Stunden
schon den aufgetriebenen Leib kleiner werden, und nach 24
Stunden ist von allem Gase keine Spur mehr vorhanden 26).


Umſetzung der Gebilde.
Geweben angehört; wir beobachten ſie in dem lebenden Kör-
per in gleichem Grade wie an den todten Subſtanzen.

Man weiß, daß bei Lungenverletzungen nicht ſelten ein
eigenthümlicher Zuſtand entſteht, wo beim Athmen die atmo-
ſphäriſche Luft von den Luftwegen aus in das angränzende
Zellgewebe eindringt. Dieſe Luft wird durch die Reſpira-
tionsbewegungen von der Wundſtelle aus in dem Zellgewebe
immer weiter fortgetrieben und bildet ſo den unter dem
Namen Emphyſem bekannten Krankheitszuſtand. Sobald das
fernere Eindringen der atmoſphäriſchen Luft in das Zellge-
webe frühzeitig genug verhindert wird, verliert ſich dieſer
Zuſtand allmälig von ſelbſt wieder, der Sauerſtoff dieſer
Luft iſt, wie man nicht zweifeln kann, in Verbindung getreten,
das Stickſtoffgas iſt durch Haut und Lunge ausgeathmet worden.

Es iſt ferner bekannt, daß bei vielen grasfreſſenden Thie-
ren, wenn ſie ſich im Genuße friſcher ſaftiger Pflanzen die
Verdauungswerkzeuge überladen haben, dieſe Stoffe in dem
Magen ſelbſt der nämlichen Zerſetzung unterliegen, die ſie au-
ßerhalb des Körpers in gleicher Temperatur erfahren; ſie gehen
in Gährung und Fäulniß über, wobei ſich eine ſo große Menge
kohlenſaures und entzündliches Gas entwickelt, daß dieſe Or-
gane auf eine ungewöhnliche Weiſe (zuweilen bis zum Zer-
ſprengen) aufgetrieben werden. Nach der Einrichtung ihres
Magens oder ihrer Mägen, können dieſe Gaſe durch den
Schlund nicht entweichen, man ſieht aber nach einigen Stunden
ſchon den aufgetriebenen Leib kleiner werden, und nach 24
Stunden iſt von allem Gaſe keine Spur mehr vorhanden 26).


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="117"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Um&#x017F;etzung der Gebilde.</hi></fw><lb/>
Geweben angehört; wir beobachten &#x017F;ie in dem lebenden Kör-<lb/>
per in gleichem Grade wie an den todten Sub&#x017F;tanzen.</p><lb/>
          <p>Man weiß, daß bei Lungenverletzungen nicht &#x017F;elten ein<lb/>
eigenthümlicher Zu&#x017F;tand ent&#x017F;teht, wo beim Athmen die atmo-<lb/>
&#x017F;phäri&#x017F;che Luft von den Luftwegen aus in das angränzende<lb/>
Zellgewebe eindringt. Die&#x017F;e Luft wird durch die Re&#x017F;pira-<lb/>
tionsbewegungen von der Wund&#x017F;telle aus in dem Zellgewebe<lb/>
immer weiter fortgetrieben und bildet &#x017F;o den unter dem<lb/>
Namen Emphy&#x017F;em bekannten Krankheitszu&#x017F;tand. Sobald das<lb/>
fernere Eindringen der atmo&#x017F;phäri&#x017F;chen Luft in das Zellge-<lb/>
webe frühzeitig genug verhindert wird, verliert &#x017F;ich die&#x017F;er<lb/>
Zu&#x017F;tand allmälig von &#x017F;elb&#x017F;t wieder, der Sauer&#x017F;toff die&#x017F;er<lb/>
Luft i&#x017F;t, wie man nicht zweifeln kann, in Verbindung getreten,<lb/>
das Stick&#x017F;toffgas i&#x017F;t durch Haut und Lunge ausgeathmet worden.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t ferner bekannt, daß bei vielen grasfre&#x017F;&#x017F;enden Thie-<lb/>
ren, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich im Genuße fri&#x017F;cher &#x017F;aftiger Pflanzen die<lb/>
Verdauungswerkzeuge überladen haben, die&#x017F;e Stoffe in dem<lb/>
Magen &#x017F;elb&#x017F;t der nämlichen Zer&#x017F;etzung unterliegen, die &#x017F;ie au-<lb/>
ßerhalb des Körpers in gleicher Temperatur erfahren; &#x017F;ie gehen<lb/>
in Gährung und Fäulniß über, wobei &#x017F;ich eine &#x017F;o große Menge<lb/>
kohlen&#x017F;aures und entzündliches Gas entwickelt, daß die&#x017F;e Or-<lb/>
gane auf eine ungewöhnliche Wei&#x017F;e (zuweilen bis zum Zer-<lb/>
&#x017F;prengen) aufgetrieben werden. Nach der Einrichtung ihres<lb/>
Magens oder ihrer Mägen, können die&#x017F;e Ga&#x017F;e durch den<lb/>
Schlund nicht entweichen, man &#x017F;ieht aber nach einigen Stunden<lb/>
&#x017F;chon den aufgetriebenen Leib kleiner werden, und nach 24<lb/>
Stunden i&#x017F;t von allem Ga&#x017F;e keine Spur mehr vorhanden <hi rendition="#sup">26</hi>).</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0141] Umſetzung der Gebilde. Geweben angehört; wir beobachten ſie in dem lebenden Kör- per in gleichem Grade wie an den todten Subſtanzen. Man weiß, daß bei Lungenverletzungen nicht ſelten ein eigenthümlicher Zuſtand entſteht, wo beim Athmen die atmo- ſphäriſche Luft von den Luftwegen aus in das angränzende Zellgewebe eindringt. Dieſe Luft wird durch die Reſpira- tionsbewegungen von der Wundſtelle aus in dem Zellgewebe immer weiter fortgetrieben und bildet ſo den unter dem Namen Emphyſem bekannten Krankheitszuſtand. Sobald das fernere Eindringen der atmoſphäriſchen Luft in das Zellge- webe frühzeitig genug verhindert wird, verliert ſich dieſer Zuſtand allmälig von ſelbſt wieder, der Sauerſtoff dieſer Luft iſt, wie man nicht zweifeln kann, in Verbindung getreten, das Stickſtoffgas iſt durch Haut und Lunge ausgeathmet worden. Es iſt ferner bekannt, daß bei vielen grasfreſſenden Thie- ren, wenn ſie ſich im Genuße friſcher ſaftiger Pflanzen die Verdauungswerkzeuge überladen haben, dieſe Stoffe in dem Magen ſelbſt der nämlichen Zerſetzung unterliegen, die ſie au- ßerhalb des Körpers in gleicher Temperatur erfahren; ſie gehen in Gährung und Fäulniß über, wobei ſich eine ſo große Menge kohlenſaures und entzündliches Gas entwickelt, daß dieſe Or- gane auf eine ungewöhnliche Weiſe (zuweilen bis zum Zer- ſprengen) aufgetrieben werden. Nach der Einrichtung ihres Magens oder ihrer Mägen, können dieſe Gaſe durch den Schlund nicht entweichen, man ſieht aber nach einigen Stunden ſchon den aufgetriebenen Leib kleiner werden, und nach 24 Stunden iſt von allem Gaſe keine Spur mehr vorhanden 26).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/141
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/141>, abgerufen am 21.11.2024.