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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Umsetzung der Gebilde.
sich in den Eingeweiden, wie bei Fäulnißprocessen, Gase
mannigfaltiger Art, die festen Ausleerungen nehmen in
Farbe, Geruch u. s. w. eine veränderte Beschaffenheit an, und
wenn die Säfte in dem Saug- und Lymphgefäßsystem
eine ähnliche Umsetzung erfahren, so ist dies sogleich in der
Blutmischung sichtbar, und durch dieses nimmt alsdann der
Ernährungsproceß andere Formen an.

42. Keine von allen diesen Erscheinungen dürfte sich zei-
gen, wenn Nieren und Leber fähig wären, eine Zersetzung der
löslich gewordenen, im Ueberschuß zugeführten, Proteinver-
bindungen in Harnstoff, Harnsäure und Galle zu bewirken.
Durch alle Beobachtungen, die man hinsichtlich des Ein-
flusses der stickstoffhaltigen Nahrung auf die Bestandtheile des
Harns gemacht hat, ist diese Voraussetzung nicht im ent-
ferntesten bewiesen, denn dieser Einfluß ist einer andern und
weit einfacheren Interpretation fähig, wenn man mit der
Nahrung die Lebensweise und Gewohnheiten der Personen
in Betracht zieht, welche zu Gegenständen der Beobachtung
gedient haben. Harngries und Harnsteine finden sich bei
Personen, welche sehr wenig animalische Kost genießen. Nie
sind bis jetzt Harnsäure-haltige Concretionen bei Fleisch-fres-
senden Säugethieren, welche im freien, wilden Zustande
leben, beobachtet worden *), und bei Nationen, welche keine
andere Nahrung als Fleischspeisen genießen, sind Ablagerun-

*) Das Vorkommen des harnsauren Ammoniaks in dem Harnstein von ei-
nem Hunde, der von Lassaigne untersucht wurde, muß bezweifelt werden,
wenn er ihn nicht eigenhändig aus der Blase des Hundes genommen hat.

Umſetzung der Gebilde.
ſich in den Eingeweiden, wie bei Fäulnißproceſſen, Gaſe
mannigfaltiger Art, die feſten Ausleerungen nehmen in
Farbe, Geruch u. ſ. w. eine veränderte Beſchaffenheit an, und
wenn die Säfte in dem Saug- und Lymphgefäßſyſtem
eine ähnliche Umſetzung erfahren, ſo iſt dies ſogleich in der
Blutmiſchung ſichtbar, und durch dieſes nimmt alsdann der
Ernährungsproceß andere Formen an.

42. Keine von allen dieſen Erſcheinungen dürfte ſich zei-
gen, wenn Nieren und Leber fähig wären, eine Zerſetzung der
löslich gewordenen, im Ueberſchuß zugeführten, Proteinver-
bindungen in Harnſtoff, Harnſäure und Galle zu bewirken.
Durch alle Beobachtungen, die man hinſichtlich des Ein-
fluſſes der ſtickſtoffhaltigen Nahrung auf die Beſtandtheile des
Harns gemacht hat, iſt dieſe Vorausſetzung nicht im ent-
fernteſten bewieſen, denn dieſer Einfluß iſt einer andern und
weit einfacheren Interpretation fähig, wenn man mit der
Nahrung die Lebensweiſe und Gewohnheiten der Perſonen
in Betracht zieht, welche zu Gegenſtänden der Beobachtung
gedient haben. Harngries und Harnſteine finden ſich bei
Perſonen, welche ſehr wenig animaliſche Koſt genießen. Nie
ſind bis jetzt Harnſäure-haltige Concretionen bei Fleiſch-freſ-
ſenden Säugethieren, welche im freien, wilden Zuſtande
leben, beobachtet worden *), und bei Nationen, welche keine
andere Nahrung als Fleiſchſpeiſen genießen, ſind Ablagerun-

*) Das Vorkommen des harnſauren Ammoniaks in dem Harnſtein von ei-
nem Hunde, der von Laſſaigne unterſucht wurde, muß bezweifelt werden,
wenn er ihn nicht eigenhändig aus der Blaſe des Hundes genommen hat.
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[149/0173] Umſetzung der Gebilde. ſich in den Eingeweiden, wie bei Fäulnißproceſſen, Gaſe mannigfaltiger Art, die feſten Ausleerungen nehmen in Farbe, Geruch u. ſ. w. eine veränderte Beſchaffenheit an, und wenn die Säfte in dem Saug- und Lymphgefäßſyſtem eine ähnliche Umſetzung erfahren, ſo iſt dies ſogleich in der Blutmiſchung ſichtbar, und durch dieſes nimmt alsdann der Ernährungsproceß andere Formen an. 42. Keine von allen dieſen Erſcheinungen dürfte ſich zei- gen, wenn Nieren und Leber fähig wären, eine Zerſetzung der löslich gewordenen, im Ueberſchuß zugeführten, Proteinver- bindungen in Harnſtoff, Harnſäure und Galle zu bewirken. Durch alle Beobachtungen, die man hinſichtlich des Ein- fluſſes der ſtickſtoffhaltigen Nahrung auf die Beſtandtheile des Harns gemacht hat, iſt dieſe Vorausſetzung nicht im ent- fernteſten bewieſen, denn dieſer Einfluß iſt einer andern und weit einfacheren Interpretation fähig, wenn man mit der Nahrung die Lebensweiſe und Gewohnheiten der Perſonen in Betracht zieht, welche zu Gegenſtänden der Beobachtung gedient haben. Harngries und Harnſteine finden ſich bei Perſonen, welche ſehr wenig animaliſche Koſt genießen. Nie ſind bis jetzt Harnſäure-haltige Concretionen bei Fleiſch-freſ- ſenden Säugethieren, welche im freien, wilden Zuſtande leben, beobachtet worden *), und bei Nationen, welche keine andere Nahrung als Fleiſchſpeiſen genießen, ſind Ablagerun- *) Das Vorkommen des harnſauren Ammoniaks in dem Harnſtein von ei- nem Hunde, der von Laſſaigne unterſucht wurde, muß bezweifelt werden, wenn er ihn nicht eigenhändig aus der Blaſe des Hundes genommen hat.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/173>, abgerufen am 27.11.2024.