Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Der chemische Proceß der
jetzt noch niemals weder eine Spur Amylon noch Zucker
aufgefunden worden ist, selbst nicht bei Thieren, die man
ausschließlich mit diesen Materien zu ernähren versuchte.
Diesen Materien kann man demnach, da sie in dem arteriel-
len Blute fehlen, keinen Antheil an dem Ernährungsprocesse
zuschreiben, und das Erscheinen von Zucker im Harne Dia-
betischer, von Zucker, welcher, nach allen Beobachtungen, von
der Nahrung stammt, sowie die völlige Abwesenheit dieses
Zuckers in dem Blute der an dieser Krankheit Leidenden,
beweis't offenbar, daß Amylon und Zucker als solche in die
Blutcirculation nicht aufgenommen werden.

72. Ueber die Anwesenheit gewisser Bestandtheile der Galle
im Blute des gesunden Menschen findet man in den Schrif-
ten der Physiologen viele Belege, wiewohl sie quantitativ
schwerlich bestimmbar darin ist; denken wir uns in der That,
daß in einer Minute zehn Pfund Blut (120 Unzen) durch
die Leber gehen und von diesem Blute 2 Tropfen Galle (zu
drei Gran den Tropfen) abgesondert würden, so macht dies
1/9600 von dem Gewichte der Blutmasse aus, ein Gehalt, der
durch die Analyse nicht mehr festgestellt werden kann.

73. Der größte Theil der Galle entsteht nach dem Vor-
hergehenden in dem Körper der Gras- und Körner-fressenden
Thiere, sowie in dem des Menschen, der an gemischte Nah-
rung gewöhnt ist, aus den Bestandtheilen seiner stickstoff-
freien Nahrungsmittel; ihre Bildung kann aber nicht gedacht
werden, ohne ein Hinzutreten eines stickstoffhaltigen Körpers,
denn die Galle ist eine Stickstoffverbindung. Alle bis

Der chemiſche Proceß der
jetzt noch niemals weder eine Spur Amylon noch Zucker
aufgefunden worden iſt, ſelbſt nicht bei Thieren, die man
ausſchließlich mit dieſen Materien zu ernähren verſuchte.
Dieſen Materien kann man demnach, da ſie in dem arteriel-
len Blute fehlen, keinen Antheil an dem Ernährungsproceſſe
zuſchreiben, und das Erſcheinen von Zucker im Harne Dia-
betiſcher, von Zucker, welcher, nach allen Beobachtungen, von
der Nahrung ſtammt, ſowie die völlige Abweſenheit dieſes
Zuckers in dem Blute der an dieſer Krankheit Leidenden,
beweiſ’t offenbar, daß Amylon und Zucker als ſolche in die
Blutcirculation nicht aufgenommen werden.

72. Ueber die Anweſenheit gewiſſer Beſtandtheile der Galle
im Blute des geſunden Menſchen findet man in den Schrif-
ten der Phyſiologen viele Belege, wiewohl ſie quantitativ
ſchwerlich beſtimmbar darin iſt; denken wir uns in der That,
daß in einer Minute zehn Pfund Blut (120 Unzen) durch
die Leber gehen und von dieſem Blute 2 Tropfen Galle (zu
drei Gran den Tropfen) abgeſondert würden, ſo macht dies
1/9600 von dem Gewichte der Blutmaſſe aus, ein Gehalt, der
durch die Analyſe nicht mehr feſtgeſtellt werden kann.

73. Der größte Theil der Galle entſteht nach dem Vor-
hergehenden in dem Körper der Gras- und Körner-freſſenden
Thiere, ſowie in dem des Menſchen, der an gemiſchte Nah-
rung gewöhnt iſt, aus den Beſtandtheilen ſeiner ſtickſtoff-
freien Nahrungsmittel; ihre Bildung kann aber nicht gedacht
werden, ohne ein Hinzutreten eines ſtickſtoffhaltigen Körpers,
denn die Galle iſt eine Stickſtoffverbindung. Alle bis

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0196" n="172"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der chemi&#x017F;che Proceß der</hi></fw><lb/>
jetzt noch niemals weder eine Spur Amylon noch Zucker<lb/>
aufgefunden worden i&#x017F;t, &#x017F;elb&#x017F;t nicht bei Thieren, die man<lb/>
aus&#x017F;chließlich mit die&#x017F;en Materien zu ernähren ver&#x017F;uchte.<lb/>
Die&#x017F;en Materien kann man demnach, da &#x017F;ie in dem arteriel-<lb/>
len Blute fehlen, keinen Antheil an dem Ernährungsproce&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu&#x017F;chreiben, und das Er&#x017F;cheinen von Zucker im Harne Dia-<lb/>
beti&#x017F;cher, von Zucker, welcher, nach allen Beobachtungen, von<lb/>
der Nahrung &#x017F;tammt, &#x017F;owie die völlige Abwe&#x017F;enheit die&#x017F;es<lb/>
Zuckers in dem Blute der an die&#x017F;er Krankheit Leidenden,<lb/>
bewei&#x017F;&#x2019;t offenbar, daß Amylon und Zucker als &#x017F;olche in die<lb/>
Blutcirculation nicht aufgenommen werden.</p><lb/>
          <p>72. Ueber die Anwe&#x017F;enheit gewi&#x017F;&#x017F;er Be&#x017F;tandtheile der Galle<lb/>
im Blute des ge&#x017F;unden Men&#x017F;chen findet man in den Schrif-<lb/>
ten der Phy&#x017F;iologen viele Belege, wiewohl &#x017F;ie quantitativ<lb/>
&#x017F;chwerlich be&#x017F;timmbar darin i&#x017F;t; denken wir uns in der That,<lb/>
daß in einer Minute zehn Pfund Blut (120 Unzen) durch<lb/>
die Leber gehen und von die&#x017F;em Blute 2 Tropfen Galle (zu<lb/>
drei Gran den Tropfen) abge&#x017F;ondert würden, &#x017F;o macht dies<lb/>
1/9600 von dem Gewichte der Blutma&#x017F;&#x017F;e aus, ein Gehalt, der<lb/>
durch die Analy&#x017F;e nicht mehr fe&#x017F;tge&#x017F;tellt werden kann.</p><lb/>
          <p>73. Der größte Theil der Galle ent&#x017F;teht nach dem Vor-<lb/>
hergehenden in dem Körper der Gras- und Körner-fre&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
Thiere, &#x017F;owie in dem des Men&#x017F;chen, der an gemi&#x017F;chte Nah-<lb/>
rung gewöhnt i&#x017F;t, aus den Be&#x017F;tandtheilen &#x017F;einer &#x017F;tick&#x017F;toff-<lb/>
freien Nahrungsmittel; ihre Bildung kann aber nicht gedacht<lb/>
werden, ohne ein Hinzutreten eines &#x017F;tick&#x017F;toffhaltigen Körpers,<lb/>
denn die Galle i&#x017F;t eine Stick&#x017F;toffverbindung. Alle bis<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0196] Der chemiſche Proceß der jetzt noch niemals weder eine Spur Amylon noch Zucker aufgefunden worden iſt, ſelbſt nicht bei Thieren, die man ausſchließlich mit dieſen Materien zu ernähren verſuchte. Dieſen Materien kann man demnach, da ſie in dem arteriel- len Blute fehlen, keinen Antheil an dem Ernährungsproceſſe zuſchreiben, und das Erſcheinen von Zucker im Harne Dia- betiſcher, von Zucker, welcher, nach allen Beobachtungen, von der Nahrung ſtammt, ſowie die völlige Abweſenheit dieſes Zuckers in dem Blute der an dieſer Krankheit Leidenden, beweiſ’t offenbar, daß Amylon und Zucker als ſolche in die Blutcirculation nicht aufgenommen werden. 72. Ueber die Anweſenheit gewiſſer Beſtandtheile der Galle im Blute des geſunden Menſchen findet man in den Schrif- ten der Phyſiologen viele Belege, wiewohl ſie quantitativ ſchwerlich beſtimmbar darin iſt; denken wir uns in der That, daß in einer Minute zehn Pfund Blut (120 Unzen) durch die Leber gehen und von dieſem Blute 2 Tropfen Galle (zu drei Gran den Tropfen) abgeſondert würden, ſo macht dies 1/9600 von dem Gewichte der Blutmaſſe aus, ein Gehalt, der durch die Analyſe nicht mehr feſtgeſtellt werden kann. 73. Der größte Theil der Galle entſteht nach dem Vor- hergehenden in dem Körper der Gras- und Körner-freſſenden Thiere, ſowie in dem des Menſchen, der an gemiſchte Nah- rung gewöhnt iſt, aus den Beſtandtheilen ſeiner ſtickſtoff- freien Nahrungsmittel; ihre Bildung kann aber nicht gedacht werden, ohne ein Hinzutreten eines ſtickſtoffhaltigen Körpers, denn die Galle iſt eine Stickſtoffverbindung. Alle bis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/196
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/196>, abgerufen am 07.05.2024.