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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Vorwort.
müssen. Die Chemiker und Physiker behalten stets ihr Ziel
im Auge, dem einen gelingt es, streckenweise den geraden
Weg zu verfolgen, allein alle sind auf die Umwege vorbe-
reitet; des Erfolgs ihrer Anstrengungen bei Beharrlichkeit
und Ausdauer gewiß, wächst die Begierde und ihr Muth
mit den Schwierigkeiten.

Einzelne Beobachtungen ohne Zusammenhang sind auf
einer Ebene zerstreute Punkte, die uns nicht gestatten, einen
bestimmten Weg zu wählen. In der Chemie hatte man
Jahrhunderte lang nichts als diese Punkte, deren Zwischen-
räume auszufüllen Mittel genug in Anwendung kamen; allein
bleibende Entdeckungen, wahre Fortschritte wurden erst dann
gemacht, als man ihre Verknüpfung nicht mehr der Phantasie
überließ.

Ich habe den Zweck gehabt, die Kreuzungspunkte der Phy-
siologie und Chemie in diesem Buche hervorzuheben und die
Stellen anzudeuten, wo beide Wissenschaften gegenseitig in
einander greifen. Es enthält eine Sammlung von Aufga-
ben, so wie sie gegenwärtig von der Chemie gestellt werden,
und eine Anzahl von Schlüssen, die nach ihren Regeln aus
den vorhandenen Erfahrungen sich ergeben.

Diese Fragen und Aufgaben werden ihre Lösung erhal-
ten, und kein Zweifel kann darüber sein, daß wir alsdann
eine neue Physiologie und eine rationelle Pathologie haben
werden. Gewiß ist unser Senkblei nicht lang genug, um die
Tiefe des Meeres zu messen, allein es verliert deshalb seinen
Werth für uns nicht; wenn es uns vorläufig nur hilft, um

Vorwort.
müſſen. Die Chemiker und Phyſiker behalten ſtets ihr Ziel
im Auge, dem einen gelingt es, ſtreckenweiſe den geraden
Weg zu verfolgen, allein alle ſind auf die Umwege vorbe-
reitet; des Erfolgs ihrer Anſtrengungen bei Beharrlichkeit
und Ausdauer gewiß, wächſt die Begierde und ihr Muth
mit den Schwierigkeiten.

Einzelne Beobachtungen ohne Zuſammenhang ſind auf
einer Ebene zerſtreute Punkte, die uns nicht geſtatten, einen
beſtimmten Weg zu wählen. In der Chemie hatte man
Jahrhunderte lang nichts als dieſe Punkte, deren Zwiſchen-
räume auszufüllen Mittel genug in Anwendung kamen; allein
bleibende Entdeckungen, wahre Fortſchritte wurden erſt dann
gemacht, als man ihre Verknüpfung nicht mehr der Phantaſie
überließ.

Ich habe den Zweck gehabt, die Kreuzungspunkte der Phy-
ſiologie und Chemie in dieſem Buche hervorzuheben und die
Stellen anzudeuten, wo beide Wiſſenſchaften gegenſeitig in
einander greifen. Es enthält eine Sammlung von Aufga-
ben, ſo wie ſie gegenwärtig von der Chemie geſtellt werden,
und eine Anzahl von Schlüſſen, die nach ihren Regeln aus
den vorhandenen Erfahrungen ſich ergeben.

Dieſe Fragen und Aufgaben werden ihre Löſung erhal-
ten, und kein Zweifel kann darüber ſein, daß wir alsdann
eine neue Phyſiologie und eine rationelle Pathologie haben
werden. Gewiß iſt unſer Senkblei nicht lang genug, um die
Tiefe des Meeres zu meſſen, allein es verliert deshalb ſeinen
Werth für uns nicht; wenn es uns vorläufig nur hilft, um

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[XV/0021] Vorwort. müſſen. Die Chemiker und Phyſiker behalten ſtets ihr Ziel im Auge, dem einen gelingt es, ſtreckenweiſe den geraden Weg zu verfolgen, allein alle ſind auf die Umwege vorbe- reitet; des Erfolgs ihrer Anſtrengungen bei Beharrlichkeit und Ausdauer gewiß, wächſt die Begierde und ihr Muth mit den Schwierigkeiten. Einzelne Beobachtungen ohne Zuſammenhang ſind auf einer Ebene zerſtreute Punkte, die uns nicht geſtatten, einen beſtimmten Weg zu wählen. In der Chemie hatte man Jahrhunderte lang nichts als dieſe Punkte, deren Zwiſchen- räume auszufüllen Mittel genug in Anwendung kamen; allein bleibende Entdeckungen, wahre Fortſchritte wurden erſt dann gemacht, als man ihre Verknüpfung nicht mehr der Phantaſie überließ. Ich habe den Zweck gehabt, die Kreuzungspunkte der Phy- ſiologie und Chemie in dieſem Buche hervorzuheben und die Stellen anzudeuten, wo beide Wiſſenſchaften gegenſeitig in einander greifen. Es enthält eine Sammlung von Aufga- ben, ſo wie ſie gegenwärtig von der Chemie geſtellt werden, und eine Anzahl von Schlüſſen, die nach ihren Regeln aus den vorhandenen Erfahrungen ſich ergeben. Dieſe Fragen und Aufgaben werden ihre Löſung erhal- ten, und kein Zweifel kann darüber ſein, daß wir alsdann eine neue Phyſiologie und eine rationelle Pathologie haben werden. Gewiß iſt unſer Senkblei nicht lang genug, um die Tiefe des Meeres zu meſſen, allein es verliert deshalb ſeinen Werth für uns nicht; wenn es uns vorläufig nur hilft, um

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/21>, abgerufen am 21.11.2024.