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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
weil er in sich selbst durch ein besonderes System von Ap-
paraten die zu dem Lebensproceß unentbehrliche Kraft der
Bewegung erzeugt.

Der Bildungsproceß, die Assimilation, der Uebergang des
in Bewegung befindlichen Stoffs in den Zustand der Ruhe
geht bei Pflanzen und Thieren in einerlei Weise vor sich,
es ist die nämliche Ursache, die in beiden die Zunahme an
Masse bedingt, es ist dies das eigentliche vegetative Leben,
es äußert sich ohne Bewußtsein.

In der Pflanze giebt sich die vegetative Lebensthätigkeit
unter Mitwirkung von äußeren Kräften, in Thieren durch
Thätigkeiten kund, die sich in ihrem Organismus erzeugen.
Die Verdauung, der Blutumlauf, die Absonderung der Säfte,
sie stehen jedenfalls unter der Herrschaft des Nervensystems,
allein es ist ein und dieselbe Kraft, welche dem Keim, dem
Blatt, der Wurzelfaser die nämlichen wunderbaren Eigen-
schaften giebt, welche die secernirende Haut, die Drüse be-
sitzen, welche jedes Organ im Thier befähigt, seinen eigenen
Funktionen vorzustehen; nur die Ursachen der Bewegungen
sind in beiden verschieden.

Während wir in den niedrigsten Thierklassen die Apparate
der Bewegung, wie im befruchteten Keim des Thierei's, in
dem sie sich zu allererst entwickeln, nie vermissen, finden wir
in höheren Thierklassen besondere Apparate des Gefühls und
Empfindens, des Bewußtseins und des höheren geistigen Lebens.

Der Patholog zeigt uns, daß das eigentlich vegetative
Leben keineswegs an das Vorhandensein dieser Apparate ge-

Der chemiſche Proceß der
weil er in ſich ſelbſt durch ein beſonderes Syſtem von Ap-
paraten die zu dem Lebensproceß unentbehrliche Kraft der
Bewegung erzeugt.

Der Bildungsproceß, die Aſſimilation, der Uebergang des
in Bewegung befindlichen Stoffs in den Zuſtand der Ruhe
geht bei Pflanzen und Thieren in einerlei Weiſe vor ſich,
es iſt die nämliche Urſache, die in beiden die Zunahme an
Maſſe bedingt, es iſt dies das eigentliche vegetative Leben,
es äußert ſich ohne Bewußtſein.

In der Pflanze giebt ſich die vegetative Lebensthätigkeit
unter Mitwirkung von äußeren Kräften, in Thieren durch
Thätigkeiten kund, die ſich in ihrem Organismus erzeugen.
Die Verdauung, der Blutumlauf, die Abſonderung der Säfte,
ſie ſtehen jedenfalls unter der Herrſchaft des Nervenſyſtems,
allein es iſt ein und dieſelbe Kraft, welche dem Keim, dem
Blatt, der Wurzelfaſer die nämlichen wunderbaren Eigen-
ſchaften giebt, welche die ſecernirende Haut, die Drüſe be-
ſitzen, welche jedes Organ im Thier befähigt, ſeinen eigenen
Funktionen vorzuſtehen; nur die Urſachen der Bewegungen
ſind in beiden verſchieden.

Während wir in den niedrigſten Thierklaſſen die Apparate
der Bewegung, wie im befruchteten Keim des Thierei’s, in
dem ſie ſich zu allererſt entwickeln, nie vermiſſen, finden wir
in höheren Thierklaſſen beſondere Apparate des Gefühls und
Empfindens, des Bewußtſeins und des höheren geiſtigen Lebens.

Der Patholog zeigt uns, daß das eigentlich vegetative
Leben keineswegs an das Vorhandenſein dieſer Apparate ge-

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[4/0028] Der chemiſche Proceß der weil er in ſich ſelbſt durch ein beſonderes Syſtem von Ap- paraten die zu dem Lebensproceß unentbehrliche Kraft der Bewegung erzeugt. Der Bildungsproceß, die Aſſimilation, der Uebergang des in Bewegung befindlichen Stoffs in den Zuſtand der Ruhe geht bei Pflanzen und Thieren in einerlei Weiſe vor ſich, es iſt die nämliche Urſache, die in beiden die Zunahme an Maſſe bedingt, es iſt dies das eigentliche vegetative Leben, es äußert ſich ohne Bewußtſein. In der Pflanze giebt ſich die vegetative Lebensthätigkeit unter Mitwirkung von äußeren Kräften, in Thieren durch Thätigkeiten kund, die ſich in ihrem Organismus erzeugen. Die Verdauung, der Blutumlauf, die Abſonderung der Säfte, ſie ſtehen jedenfalls unter der Herrſchaft des Nervenſyſtems, allein es iſt ein und dieſelbe Kraft, welche dem Keim, dem Blatt, der Wurzelfaſer die nämlichen wunderbaren Eigen- ſchaften giebt, welche die ſecernirende Haut, die Drüſe be- ſitzen, welche jedes Organ im Thier befähigt, ſeinen eigenen Funktionen vorzuſtehen; nur die Urſachen der Bewegungen ſind in beiden verſchieden. Während wir in den niedrigſten Thierklaſſen die Apparate der Bewegung, wie im befruchteten Keim des Thierei’s, in dem ſie ſich zu allererſt entwickeln, nie vermiſſen, finden wir in höheren Thierklaſſen beſondere Apparate des Gefühls und Empfindens, des Bewußtſeins und des höheren geiſtigen Lebens. Der Patholog zeigt uns, daß das eigentlich vegetative Leben keineswegs an das Vorhandenſein dieſer Apparate ge-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/28>, abgerufen am 21.11.2024.