Es ist in dieser Rechnung die durch den verbrennenden Wasserstoff, durch seinen Uebergang in Wasser, erzeugte Wär- memenge nicht in Anschlag gebracht. Wenn man sich nun erinnert, daß die specifische Wärme der Knochen, des Fet- tes, der Substanz der Organe weit geringer ist, als die des Wassers, daß sie also, um auf 37° erwärmt zu werden, weit weniger Wärme bedürfen, als ein gleiches Gewicht Wasser, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß, alle diese Verhältnisse mit in Rechnung gezogen, die durch den Verbrennungsproceß erzeugte Wärme vollkommen hinreicht, um die constante Temperatur des Körpers und die Verdun- stung zu erklären.
VI.
Alle Versuche der Physiker über die Sauerstoffmenge, die ein Thier in einer gegebenen Zeit verzehrt, so wie die Schlüsse, die man daraus auf die Entstehung der animali- schen Wärme gezogen hat, sind völlig bedeutungslos, denn diese Sauerstoffmengen wechseln, nach der Temperatur und der Dichtigkeit der Luft, nach dem Zustand der Bewegung, Arbeit und Anstrengung, sie ändern sich nach der Menge und Qualität der genossenen Nahrung, mit der mehr oder weniger warmen Kleidung, nach der Zeit, in welcher die Speise verzehrt wurde. Die Gefangenen in dem Zuchthaus (Arbeitshaus) zu Ma- rienschloß verzehren nicht über 21 Loth Kohlenstoff, die in dem Arresthaus zu Gießen, denen alle Bewegung mangelt,
Der chemiſche Proceß der
Es iſt in dieſer Rechnung die durch den verbrennenden Waſſerſtoff, durch ſeinen Uebergang in Waſſer, erzeugte Wär- memenge nicht in Anſchlag gebracht. Wenn man ſich nun erinnert, daß die ſpecifiſche Wärme der Knochen, des Fet- tes, der Subſtanz der Organe weit geringer iſt, als die des Waſſers, daß ſie alſo, um auf 37° erwärmt zu werden, weit weniger Wärme bedürfen, als ein gleiches Gewicht Waſſer, ſo kann es keinem Zweifel unterliegen, daß, alle dieſe Verhältniſſe mit in Rechnung gezogen, die durch den Verbrennungsproceß erzeugte Wärme vollkommen hinreicht, um die conſtante Temperatur des Körpers und die Verdun- ſtung zu erklären.
VI.
Alle Verſuche der Phyſiker über die Sauerſtoffmenge, die ein Thier in einer gegebenen Zeit verzehrt, ſo wie die Schlüſſe, die man daraus auf die Entſtehung der animali- ſchen Wärme gezogen hat, ſind völlig bedeutungslos, denn dieſe Sauerſtoffmengen wechſeln, nach der Temperatur und der Dichtigkeit der Luft, nach dem Zuſtand der Bewegung, Arbeit und Anſtrengung, ſie ändern ſich nach der Menge und Qualität der genoſſenen Nahrung, mit der mehr oder weniger warmen Kleidung, nach der Zeit, in welcher die Speiſe verzehrt wurde. Die Gefangenen in dem Zuchthaus (Arbeitshaus) zu Ma- rienſchloß verzehren nicht über 21 Loth Kohlenſtoff, die in dem Arreſthaus zu Gießen, denen alle Bewegung mangelt,
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Der chemiſche Proceß der
Es iſt in dieſer Rechnung die durch den verbrennenden
Waſſerſtoff, durch ſeinen Uebergang in Waſſer, erzeugte Wär-
memenge nicht in Anſchlag gebracht. Wenn man ſich nun
erinnert, daß die ſpecifiſche Wärme der Knochen, des Fet-
tes, der Subſtanz der Organe weit geringer iſt, als die des
Waſſers, daß ſie alſo, um auf 37° erwärmt zu werden,
weit weniger Wärme bedürfen, als ein gleiches Gewicht
Waſſer, ſo kann es keinem Zweifel unterliegen, daß, alle
dieſe Verhältniſſe mit in Rechnung gezogen, die durch den
Verbrennungsproceß erzeugte Wärme vollkommen hinreicht,
um die conſtante Temperatur des Körpers und die Verdun-
ſtung zu erklären.
VI.
Alle Verſuche der Phyſiker über die Sauerſtoffmenge, die
ein Thier in einer gegebenen Zeit verzehrt, ſo wie die
Schlüſſe, die man daraus auf die Entſtehung der animali-
ſchen Wärme gezogen hat, ſind völlig bedeutungslos, denn
dieſe Sauerſtoffmengen wechſeln, nach der Temperatur und der
Dichtigkeit der Luft, nach dem Zuſtand der Bewegung, Arbeit
und Anſtrengung, ſie ändern ſich nach der Menge und Qualität
der genoſſenen Nahrung, mit der mehr oder weniger warmen
Kleidung, nach der Zeit, in welcher die Speiſe verzehrt wurde.
Die Gefangenen in dem Zuchthaus (Arbeitshaus) zu Ma-
rienſchloß verzehren nicht über 21 Loth Kohlenſtoff, die in
dem Arreſthaus zu Gießen, denen alle Bewegung mangelt,
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/60>, abgerufen am 21.11.2024.
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