Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.Zweite Thatsache: Ohne die famose "Rückendeckung" Abgesehen von Jtalien, das nicht zählt -- sind sämmtliche euro- Aus obigen zwei Thatsachen folgert nun die dritte Thatsache, Trotz der notorischen russischen Sympathien unseres Reichskanzlers Wohlan -- Dank der unerwarteten Widerstandskraft, welche Unglücklicher Weise macht Fürst Bismarck keine Wie das zu erklären ist: ob Fürst Bismarck sich irgend -- ge- Aber wir wissen, daß Fürst Bismarck noch immer auf's Eifrigste Zweite Thatſache: Ohne die famoſe „Rückendeckung‟ Abgeſehen von Jtalien, das nicht zählt — ſind ſämmtliche euro- Aus obigen zwei Thatſachen folgert nun die dritte Thatſache, Trotz der notoriſchen ruſſiſchen Sympathien unſeres Reichskanzlers Wohlan — Dank der unerwarteten Widerſtandskraft, welche Unglücklicher Weiſe macht Fürſt Bismarck keine Wie das zu erklären iſt: ob Fürſt Bismarck ſich irgend — ge- Aber wir wiſſen, daß Fürſt Bismarck noch immer auf’s Eifrigſte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0032" n="28"/> <p><hi rendition="#g">Zweite Thatſache: Ohne die famoſe „Rückendeckung‟<lb/> durch das deutſche Reich, die in der Sprache unſeres<lb/> Reichskanzlers „Neutralität‟ heißt, hätte Rußland<lb/> den Krieg nicht führen können</hi>.</p><lb/> <p>Abgeſehen von Jtalien, das nicht zählt — ſind ſämmtliche euro-<lb/> päiſche Mächte, außer Deutſchland, zweifellos Gegner der ruſſiſchen<lb/> Politik. Warum haben ſie trotzdem den Krieg ruhig vom Zaun brechen<lb/> laſſen? Einfach, weil ſie durch die Bismarck’ſche Politik lahm gelegt<lb/> wurden. Der öſterreichiſchen Regierung wurde die Schlinge des „Drei-<lb/> kanzlerbündniſſes‟ um den Hals geworfen, und was dieſe Schlinge nicht<lb/> bewirkte, das bewirkte die Angſt vor einem „kühnen Griff‟ nach Wien<lb/> und Deutſch-Oeſterreich. Frankreich empfing aus Berlin <hi rendition="#g">einen</hi> „Strahl<lb/> kalten Waſſers‟ nach dem anderen, und mußte dem ſchwierigen Problem,<lb/> einen Krieg mit Deutſchland zu vermeiden, ſeine ganze Aufmerkſamkeit<lb/> zuwenden. England konnte für ſich allein nicht zur Aktion ſchreiten.</p><lb/> <p>Aus obigen zwei Thatſachen folgert nun die <hi rendition="#g">dritte</hi> Thatſache,<lb/> daß jetzt, — nachdem zum Mindeſten zwei der genannten drei Mächte<lb/> den Willen zu erkennen gegeben haben, Rußland nicht länger „freie<lb/> Hand‟ zu gewähren, — <hi rendition="#g">ein europäiſcher Krieg nur dann<lb/> zu befürchten iſt, wenn Fürſt Bismarck direkt auf Sei-<lb/> ten Rußlands tritt</hi>.</p><lb/> <p>Trotz der notoriſchen ruſſiſchen Sympathien unſeres Reichskanzlers<lb/> glauben wir nicht, daß er freiwillig und gern Rußland in der bis-<lb/> herigen Weiſe unterſtützt hat: die Dienſte, welche er dem „Erbfreund‟<lb/> geleiſtet, waren die nothwendigen Konſequenzen der Blut- und Eiſen-<lb/> volitik von 1866 und 1870/71. Verweigerte er Rußland die geheiſchte<lb/> Unterſtützung, ſo drohte ihm eine <hi rendition="#g">ruſſiſch-franzöſiſche</hi> Allianz.</p><lb/> <p>Wohlan — Dank der unerwarteten <hi rendition="#g">Widerſtandskraft,</hi> welche<lb/> die <hi rendition="#g">Türkei,</hi> und der ebenſo unerwarteten <hi rendition="#g">Schwäche,</hi> welche <hi rendition="#g">Ruß-<lb/> land</hi> in dieſem Kriege entwickelt hat, kann die Gefahr eines ruſſiſch-<lb/> franzöſiſchen Bündniſſes als beſeitigt gelten. Und das iſt ein großes<lb/> Glück für Deutſchland und die Welt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Unglücklicher Weiſe macht Fürſt Bismarck keine<lb/> Miene, dieſen Vortheil auszunutzen</hi>. Jm Gegentheil: er<lb/> thut ſein Mögliches, um das ruſſiſche Preſtige und die ruſſiſche Macht<lb/> wieder herzuſtellen.</p><lb/> <p>Wie das zu erklären iſt: ob Fürſt Bismarck ſich irgend — ge-<lb/> bunden hat, ob vielleicht die Affaire <hi rendition="#g">Benedetti</hi> zur Abwechſelung<lb/> einmal <hi rendition="#g">umgedreht</hi> worden iſt — wir wiſſen es nicht.</p><lb/> <p>Aber wir wiſſen, daß Fürſt Bismarck noch immer auf’s Eifrigſte<lb/> die ruſſiſche Politik unterſtützt. Die Folge davon iſt: <hi rendition="#g">an die Stelle<lb/> der Gefahr eines ruſſiſch-franzöſiſchen Bündniſſes<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0032]
Zweite Thatſache: Ohne die famoſe „Rückendeckung‟
durch das deutſche Reich, die in der Sprache unſeres
Reichskanzlers „Neutralität‟ heißt, hätte Rußland
den Krieg nicht führen können.
Abgeſehen von Jtalien, das nicht zählt — ſind ſämmtliche euro-
päiſche Mächte, außer Deutſchland, zweifellos Gegner der ruſſiſchen
Politik. Warum haben ſie trotzdem den Krieg ruhig vom Zaun brechen
laſſen? Einfach, weil ſie durch die Bismarck’ſche Politik lahm gelegt
wurden. Der öſterreichiſchen Regierung wurde die Schlinge des „Drei-
kanzlerbündniſſes‟ um den Hals geworfen, und was dieſe Schlinge nicht
bewirkte, das bewirkte die Angſt vor einem „kühnen Griff‟ nach Wien
und Deutſch-Oeſterreich. Frankreich empfing aus Berlin einen „Strahl
kalten Waſſers‟ nach dem anderen, und mußte dem ſchwierigen Problem,
einen Krieg mit Deutſchland zu vermeiden, ſeine ganze Aufmerkſamkeit
zuwenden. England konnte für ſich allein nicht zur Aktion ſchreiten.
Aus obigen zwei Thatſachen folgert nun die dritte Thatſache,
daß jetzt, — nachdem zum Mindeſten zwei der genannten drei Mächte
den Willen zu erkennen gegeben haben, Rußland nicht länger „freie
Hand‟ zu gewähren, — ein europäiſcher Krieg nur dann
zu befürchten iſt, wenn Fürſt Bismarck direkt auf Sei-
ten Rußlands tritt.
Trotz der notoriſchen ruſſiſchen Sympathien unſeres Reichskanzlers
glauben wir nicht, daß er freiwillig und gern Rußland in der bis-
herigen Weiſe unterſtützt hat: die Dienſte, welche er dem „Erbfreund‟
geleiſtet, waren die nothwendigen Konſequenzen der Blut- und Eiſen-
volitik von 1866 und 1870/71. Verweigerte er Rußland die geheiſchte
Unterſtützung, ſo drohte ihm eine ruſſiſch-franzöſiſche Allianz.
Wohlan — Dank der unerwarteten Widerſtandskraft, welche
die Türkei, und der ebenſo unerwarteten Schwäche, welche Ruß-
land in dieſem Kriege entwickelt hat, kann die Gefahr eines ruſſiſch-
franzöſiſchen Bündniſſes als beſeitigt gelten. Und das iſt ein großes
Glück für Deutſchland und die Welt.
Unglücklicher Weiſe macht Fürſt Bismarck keine
Miene, dieſen Vortheil auszunutzen. Jm Gegentheil: er
thut ſein Mögliches, um das ruſſiſche Preſtige und die ruſſiſche Macht
wieder herzuſtellen.
Wie das zu erklären iſt: ob Fürſt Bismarck ſich irgend — ge-
bunden hat, ob vielleicht die Affaire Benedetti zur Abwechſelung
einmal umgedreht worden iſt — wir wiſſen es nicht.
Aber wir wiſſen, daß Fürſt Bismarck noch immer auf’s Eifrigſte
die ruſſiſche Politik unterſtützt. Die Folge davon iſt: an die Stelle
der Gefahr eines ruſſiſch-franzöſiſchen Bündniſſes
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