Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.trost mit jenem Staatsmanne wetteifern kann, der einst das geflügelte Entweder war es Ernst mit den Humanitäts-Phrasen und dem Oder die Humanitätsphrasen waren Vogelleim für die Gimpel; Jndeß ein Trost bleibt den Knuten- und Rubelskribenten und troſt mit jenem Staatsmanne wetteifern kann, der einſt das geflügelte Entweder war es Ernſt mit den Humanitäts-Phraſen und dem Oder die Humanitätsphraſen waren Vogelleim für die Gimpel; Jndeß ein Troſt bleibt den Knuten- und Rubelſkribenten und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="32"/> troſt mit jenem Staatsmanne wetteifern kann, der einſt das geflügelte<lb/> Wort von dem „Bischen Herzegowina‟ verübte. Heute pfeifen es die<lb/> Spatzen von den Dächern herab, daß das türkiſche Mediationsgeſuch<lb/> für die ruſſiſche Diplomatie — <hi rendition="#g">in</hi> Rußland und <hi rendition="#g">außerhalb</hi> Ruß-<lb/> lands — ein Blitzſchlag aus heiterem (voller Baßgeigen hängenden)<lb/> Himmel war — ein ſehr geſchickter, <hi rendition="#g">mit England verabredeter</hi><lb/> Schachzug, welcher die ruſſiſche Diplomatie zwar noch nicht matt ge-<lb/> ſetzt, aber in die größte Verlegenheit gebracht hat. Jetzt kann ſie nicht<lb/> länger fackeln, ſie muß mit ihren wahren Zielen hervorrücken, und das<lb/> iſt das denkbar Schlimmſte für ſie.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Entweder</hi> war es Ernſt mit den Humanitäts-Phraſen und dem<lb/><hi rendition="#g">Ehrenwort</hi> des Czaren, keine Eroberungen zu wollen. Gut, dann<lb/> iſt abſolut kein Grund zur Fortſetzung des Krieges vorhanden, ein<lb/> Waffenſtillſtand kann abgeſchloſſen, die Friedens-Verhandlungen können<lb/> begonnen werden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Oder</hi> die Humanitätsphraſen waren Vogelleim für die Gimpel;<lb/> trotz des <hi rendition="#g">Ehrenworts</hi> des Czaren, das beiläufig nicht zum erſtenmal<lb/> gebrochen würde (ſiehe <hi rendition="#g">Chiwa</hi>), will Rußland Eroberungen machen,<lb/> in Aſien direkt, indem es einen Theil von Armenien ſchluckt, in Europa<lb/> indirekt, indem es noch ein paar Vaſallenſtaatchen <hi rendition="#aq">à la</hi> Serbien, Monte-<lb/> negro und Rumänien errichtet. Und dann hat Rußland nicht bloß mit<lb/> der keineswegs ſchon erſchöpften Türkei zu rechnen, <hi rendition="#g">ſondern auch mit<lb/> England</hi>. Hieran iſt nun kein Zweifel mehr. Vergebens bemüht<lb/> ſich die Säbel- und Knutenpreſſe, die Berufung des Parlaments auf<lb/> den 17. Januar — 3 Wochen vor der Zeit — als einen harmloſen<lb/> Scherz, und die notoriſchen <hi rendition="#g">Rüſtungen Englands zu Waſſer und<lb/> zu Land</hi> als Spielereien, als eine neue Art von Weihnachtsvergnügungen<lb/> hinzuſtellen. Einige Pfiffikuſſe, denen dieſe Auslegung doch etwas zu<lb/> kindiſch erſcheinen mochte, haben die ſcharfſinnige Entdeckung gemacht,<lb/> England rüſte gegen die — <hi rendition="#g">Türkei</hi>; es wolle, da das Kismet (Ver-<lb/> hängniß) vom Osmanenreich nicht abzuwenden, das Ende der Türken-<lb/> herrſchaft in Europa unwiderruflich gekommen ſei, ſich wenigſtens ein<lb/> tüchtig Stück Beute ſichern und auf <hi rendition="#g">Egypten,</hi> vielleicht noch einige<lb/> andere fette Biſſen, die Hand legen. Die ſo reden, wiſſen nicht, oder<lb/> haben vergeſſen, daß <hi rendition="#g">Rußland</hi> eines Tages durch den Mund des<lb/><hi rendition="#g">Czaren</hi> in Perſon, England die Theilung der Türkei vorgeſchlagen<lb/> und <hi rendition="#g">Egypten</hi> als Beutetheil angeboten hat; <hi rendition="#g">und, daß die Antwort<lb/> Englands der Krimkrieg war.</hi> Englands Jntereſſe erheiſcht heute<lb/> die Aufrechterhaltung der Türkei und die Zurückdämmung der ruſſiſchen<lb/> Macht ebenſo gebieteriſch wie vor einem Vierteljahrhundert.</p><lb/> <p>Jndeß ein Troſt bleibt den Knuten- und Rubelſkribenten und<lb/> -Agenten: „Angenommen auch, England habe die ernſthafte Abſicht,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0036]
troſt mit jenem Staatsmanne wetteifern kann, der einſt das geflügelte
Wort von dem „Bischen Herzegowina‟ verübte. Heute pfeifen es die
Spatzen von den Dächern herab, daß das türkiſche Mediationsgeſuch
für die ruſſiſche Diplomatie — in Rußland und außerhalb Ruß-
lands — ein Blitzſchlag aus heiterem (voller Baßgeigen hängenden)
Himmel war — ein ſehr geſchickter, mit England verabredeter
Schachzug, welcher die ruſſiſche Diplomatie zwar noch nicht matt ge-
ſetzt, aber in die größte Verlegenheit gebracht hat. Jetzt kann ſie nicht
länger fackeln, ſie muß mit ihren wahren Zielen hervorrücken, und das
iſt das denkbar Schlimmſte für ſie.
Entweder war es Ernſt mit den Humanitäts-Phraſen und dem
Ehrenwort des Czaren, keine Eroberungen zu wollen. Gut, dann
iſt abſolut kein Grund zur Fortſetzung des Krieges vorhanden, ein
Waffenſtillſtand kann abgeſchloſſen, die Friedens-Verhandlungen können
begonnen werden.
Oder die Humanitätsphraſen waren Vogelleim für die Gimpel;
trotz des Ehrenworts des Czaren, das beiläufig nicht zum erſtenmal
gebrochen würde (ſiehe Chiwa), will Rußland Eroberungen machen,
in Aſien direkt, indem es einen Theil von Armenien ſchluckt, in Europa
indirekt, indem es noch ein paar Vaſallenſtaatchen à la Serbien, Monte-
negro und Rumänien errichtet. Und dann hat Rußland nicht bloß mit
der keineswegs ſchon erſchöpften Türkei zu rechnen, ſondern auch mit
England. Hieran iſt nun kein Zweifel mehr. Vergebens bemüht
ſich die Säbel- und Knutenpreſſe, die Berufung des Parlaments auf
den 17. Januar — 3 Wochen vor der Zeit — als einen harmloſen
Scherz, und die notoriſchen Rüſtungen Englands zu Waſſer und
zu Land als Spielereien, als eine neue Art von Weihnachtsvergnügungen
hinzuſtellen. Einige Pfiffikuſſe, denen dieſe Auslegung doch etwas zu
kindiſch erſcheinen mochte, haben die ſcharfſinnige Entdeckung gemacht,
England rüſte gegen die — Türkei; es wolle, da das Kismet (Ver-
hängniß) vom Osmanenreich nicht abzuwenden, das Ende der Türken-
herrſchaft in Europa unwiderruflich gekommen ſei, ſich wenigſtens ein
tüchtig Stück Beute ſichern und auf Egypten, vielleicht noch einige
andere fette Biſſen, die Hand legen. Die ſo reden, wiſſen nicht, oder
haben vergeſſen, daß Rußland eines Tages durch den Mund des
Czaren in Perſon, England die Theilung der Türkei vorgeſchlagen
und Egypten als Beutetheil angeboten hat; und, daß die Antwort
Englands der Krimkrieg war. Englands Jntereſſe erheiſcht heute
die Aufrechterhaltung der Türkei und die Zurückdämmung der ruſſiſchen
Macht ebenſo gebieteriſch wie vor einem Vierteljahrhundert.
Jndeß ein Troſt bleibt den Knuten- und Rubelſkribenten und
-Agenten: „Angenommen auch, England habe die ernſthafte Abſicht,
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