Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.einen Mann, der nicht einmal ein Monarch ist, sondern nur der Für wie tief gesunken muß man unser Volk halten! Das Beleidigende für unser deutsches Volk wird noch dadurch Und was die beabsichtigte Jnterpellation im Reichstag Vor 70 Jahren erschien in Deutschland ein Buch, das den Doch ich gab den Gedanken auf, weil ich den Jnhalt durch -- -- -- -- -- -- -- -- Jm Augenblick, wo ich dies schreibe, spitzen die Dinge sich zu einen Mann, der nicht einmal ein Monarch iſt, ſondern nur der Für wie tief geſunken muß man unſer Volk halten! Das Beleidigende für unſer deutſches Volk wird noch dadurch Und was die beabſichtigte Jnterpellation im Reichstag Vor 70 Jahren erſchien in Deutſchland ein Buch, das den Doch ich gab den Gedanken auf, weil ich den Jnhalt durch — — — — — — — — Jm Augenblick, wo ich dies ſchreibe, ſpitzen die Dinge ſich zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="5"/><hi rendition="#g">einen</hi> Mann, der nicht einmal ein <hi rendition="#g">Monarch</hi> iſt, ſondern nur der<lb/><hi rendition="#g">Bedienſtete</hi> eines Monarchen — daß wir von dieſem <hi rendition="#g">einen</hi><lb/> Mann glauben ſollen: <hi rendition="#b">er</hi> <hi rendition="#g">iſt das Reich,</hi> er iſt die Allweisheit, er<lb/> denkt für uns, er handelt für uns — erdreiſtet ſich uns zuzumuthen,<lb/> daß wir Jntellekt, Mannhaftigkeit, Ehre, Alles im blinden Vertrauen<lb/> auf dieſen <hi rendition="#g">einen</hi> Mann opfern.</p><lb/> <p>Für wie tief geſunken muß man unſer Volk halten!</p><lb/> <p>Das Beleidigende für unſer deutſches Volk wird noch dadurch<lb/> verſchärft, daß dieſelben Reptilien, die über die <hi rendition="#g">deutſchen</hi> Volks-<lb/> verſammlungen Zeter ſchreien, ihr Anathema auskreiſchen, jedes <hi rendition="#g">eng-<lb/> liſche</hi> Winkelmeeting zu Gunſten der ruſſiſchen Politik als ein<lb/> Ereigniß, als eine geſunde nationale That preiſen. Die <hi rendition="#g">Eng-<lb/> länder</hi> haben das Recht, eine Meinung zu haben und zu äußern,<lb/> die <hi rendition="#g">Deutſchen</hi> nicht.</p><lb/> <p>Und was die beabſichtigte <hi rendition="#g">Jnterpellation</hi> im Reichstag<lb/> angeht — hat der Reichstag nicht etwa das <hi rendition="#g">Recht,</hi> Jnterpella-<lb/> tionen zu ſtellen? Hat er nicht die <hi rendition="#g">Pflicht,</hi> Jnterpellationen zu<lb/> ſtellen, <hi rendition="#g">wenn das Vaterland in Gefahr</hi> iſt und wenn —<lb/> die ſchlimmſte aller Gefahren — das Volk, weil ſyſtematiſch im<lb/> Dunkel gehalten, die Größe und Natur der Gefahr nicht <hi rendition="#g">kennt?</hi></p><lb/> <p>Vor 70 Jahren erſchien in Deutſchland ein Buch, das den<lb/> Titel trug: „Deutſchland in ſeiner tiefſten Erniedrigung.‟ Das<lb/> deutſche Volk, an ſeine Schmach erinnert, zitterte vor Scham und<lb/> Zorn; und der korſiſche Despot zitterte vor Angſt: er ließ den<lb/> Buchhändler erſchießen, der das Buch verlegt. Jch hätte faſt den<lb/> nämlichen Titel für dieſes Schriftchen gewählt; und er wäre zum<lb/> mindeſten ebenſo paſſend geweſen wie damals. Deutſchland zu den<lb/> Füßen Kaiſer Napoleon’s, das war gewiß tiefe Erniedrigung, aber<lb/> Deutſchland zu den Füßen Czar Alexander’s — das iſt noch tiefere<lb/> Erniedrigung. Der Bezwinger der franzöſiſchen Revolution war<lb/> auch ihr <hi rendition="#g">Erbe,</hi> ihr <hi rendition="#g">Teſtamentsvollſtrecker,</hi> er <hi rendition="#g">reformirte</hi>,<lb/> er trieb uns vorwärts, befreite uns von mittelalterlichem Wuſt.<lb/> Das „milde Väterchen‟ dagegen vertritt keine „Jdee‟ als das bru-<lb/> tale, viehiſche Knutenthum, verdeckt hinter heuchleriſchen Phraſen —</p><lb/> <p>Doch ich gab den Gedanken auf, weil ich den Jnhalt durch<lb/> den Titel deutlich bezeichnen wollte.</p><lb/> <p>— — — — — — — —</p><lb/> <p>Jm Augenblick, wo ich dies ſchreibe, ſpitzen die Dinge ſich zu<lb/> einer Entſcheidung zu. Die nächſten Stunden bringen uns den<lb/> Frieden oder den europäiſchen Krieg. Aber ſelbſt im günſtigſten<lb/> Fall, d. h. wenn das ſiegesberauſchte Rußland noch in letzter Mi-<lb/> nute vor dem gezückten Schwert Englands zurückweichen ſollte, wird<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [5/0009]
einen Mann, der nicht einmal ein Monarch iſt, ſondern nur der
Bedienſtete eines Monarchen — daß wir von dieſem einen
Mann glauben ſollen: er iſt das Reich, er iſt die Allweisheit, er
denkt für uns, er handelt für uns — erdreiſtet ſich uns zuzumuthen,
daß wir Jntellekt, Mannhaftigkeit, Ehre, Alles im blinden Vertrauen
auf dieſen einen Mann opfern.
Für wie tief geſunken muß man unſer Volk halten!
Das Beleidigende für unſer deutſches Volk wird noch dadurch
verſchärft, daß dieſelben Reptilien, die über die deutſchen Volks-
verſammlungen Zeter ſchreien, ihr Anathema auskreiſchen, jedes eng-
liſche Winkelmeeting zu Gunſten der ruſſiſchen Politik als ein
Ereigniß, als eine geſunde nationale That preiſen. Die Eng-
länder haben das Recht, eine Meinung zu haben und zu äußern,
die Deutſchen nicht.
Und was die beabſichtigte Jnterpellation im Reichstag
angeht — hat der Reichstag nicht etwa das Recht, Jnterpella-
tionen zu ſtellen? Hat er nicht die Pflicht, Jnterpellationen zu
ſtellen, wenn das Vaterland in Gefahr iſt und wenn —
die ſchlimmſte aller Gefahren — das Volk, weil ſyſtematiſch im
Dunkel gehalten, die Größe und Natur der Gefahr nicht kennt?
Vor 70 Jahren erſchien in Deutſchland ein Buch, das den
Titel trug: „Deutſchland in ſeiner tiefſten Erniedrigung.‟ Das
deutſche Volk, an ſeine Schmach erinnert, zitterte vor Scham und
Zorn; und der korſiſche Despot zitterte vor Angſt: er ließ den
Buchhändler erſchießen, der das Buch verlegt. Jch hätte faſt den
nämlichen Titel für dieſes Schriftchen gewählt; und er wäre zum
mindeſten ebenſo paſſend geweſen wie damals. Deutſchland zu den
Füßen Kaiſer Napoleon’s, das war gewiß tiefe Erniedrigung, aber
Deutſchland zu den Füßen Czar Alexander’s — das iſt noch tiefere
Erniedrigung. Der Bezwinger der franzöſiſchen Revolution war
auch ihr Erbe, ihr Teſtamentsvollſtrecker, er reformirte,
er trieb uns vorwärts, befreite uns von mittelalterlichem Wuſt.
Das „milde Väterchen‟ dagegen vertritt keine „Jdee‟ als das bru-
tale, viehiſche Knutenthum, verdeckt hinter heuchleriſchen Phraſen —
Doch ich gab den Gedanken auf, weil ich den Jnhalt durch
den Titel deutlich bezeichnen wollte.
— — — — — — — —
Jm Augenblick, wo ich dies ſchreibe, ſpitzen die Dinge ſich zu
einer Entſcheidung zu. Die nächſten Stunden bringen uns den
Frieden oder den europäiſchen Krieg. Aber ſelbſt im günſtigſten
Fall, d. h. wenn das ſiegesberauſchte Rußland noch in letzter Mi-
nute vor dem gezückten Schwert Englands zurückweichen ſollte, wird
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