Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Was schaust du nach allen Seiten hin, Die Feinde blies der Wind aus allen Richtungen auf dich, Schon sind sie nahe mit funkelnden Augen, Siehst auf der Aegis du Gorgos schreckliches Haupt -- Und kein Ausweg. Hörst du sie heulen, hörst du das Donnern der Hufe? Und eh' einmal der gierige Geier über dir Den trägen Flügel schlägt, Haben dich tausend Pfeile durchbohrt, Haben tausend Speere dein Herz zerstoßen. Sursum corda! Was hältst du, o Freund, die Hand deines Weibes. Sie ruht weiß und kalt und tot, und so schwer, Dein Kind liegt neben ihr im Sterben. Du stützt das Haupt in die Hand, Verzweiflungsvoll. Wer wagt in deinen Kisten und Kasten zu wühlen. Wehe dir Armen, Die Gläubiger sind's, Die ohn' Erbarmen Alles pfänden und nehmen, Nichts bleibt zurück, Ach, kleinste Erinnerungen selbst. Hat Hochmut, Eitelkeit, hat Schuld und Unglück gestürzt dich. Weltklug, das Eiseswort, kanntest du nimmer, Doch, ohne weltklug zu sein, Freund, kommst du nicht durch -- Und kein Ausweg. Hörst du sie zischeln, hörst du das Lachen der Menschen, Und eh' einmal der erzene Künder über dir Vom Turm die Stunde ruft, Haben dich tausend Siebe zerspellt, Haben tausend Zungen dein Herz zerstoßen. Sursum corda? Was ſchauſt du nach allen Seiten hin, Die Feinde blies der Wind aus allen Richtungen auf dich, Schon ſind ſie nahe mit funkelnden Augen, Siehſt auf der Aegis du Gorgos ſchreckliches Haupt — Und kein Ausweg. Hörſt du ſie heulen, hörſt du das Donnern der Hufe? Und eh’ einmal der gierige Geier über dir Den trägen Flügel ſchlägt, Haben dich tauſend Pfeile durchbohrt, Haben tauſend Speere dein Herz zerſtoßen. Surſum corda! Was hältſt du, o Freund, die Hand deines Weibes. Sie ruht weiß und kalt und tot, und ſo ſchwer, Dein Kind liegt neben ihr im Sterben. Du ſtützt das Haupt in die Hand, Verzweiflungsvoll. Wer wagt in deinen Kiſten und Kaſten zu wühlen. Wehe dir Armen, Die Gläubiger ſind’s, Die ohn’ Erbarmen Alles pfänden und nehmen, Nichts bleibt zurück, Ach, kleinſte Erinnerungen ſelbſt. Hat Hochmut, Eitelkeit, hat Schuld und Unglück geſtürzt dich. Weltklug, das Eiſeswort, kannteſt du nimmer, Doch, ohne weltklug zu ſein, Freund, kommſt du nicht durch — Und kein Ausweg. Hörſt du ſie ziſcheln, hörſt du das Lachen der Menſchen, Und eh’ einmal der erzene Künder über dir Vom Turm die Stunde ruft, Haben dich tauſend Siebe zerſpellt, Haben tauſend Zungen dein Herz zerſtoßen. Surſum corda? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0106" n="98"/> <lg n="2"> <l>Was ſchauſt du nach allen Seiten hin,</l><lb/> <l>Die Feinde blies der Wind aus allen Richtungen auf dich,</l><lb/> <l>Schon ſind ſie nahe mit funkelnden Augen,</l><lb/> <l>Siehſt auf der Aegis du Gorgos ſchreckliches Haupt —</l><lb/> <l>Und kein Ausweg.</l><lb/> <l>Hörſt du ſie heulen, hörſt du das Donnern der Hufe?</l><lb/> <l>Und eh’ einmal der gierige Geier über dir</l><lb/> <l>Den trägen Flügel ſchlägt,</l><lb/> <l>Haben dich tauſend Pfeile durchbohrt,</l><lb/> <l>Haben tauſend Speere dein Herz zerſtoßen.</l><lb/> <l> <hi rendition="#c">Surſum corda!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was hältſt du, o Freund, die Hand deines Weibes.</l><lb/> <l>Sie ruht weiß und kalt und tot, und ſo ſchwer,</l><lb/> <l>Dein Kind liegt neben ihr im Sterben.</l><lb/> <l>Du ſtützt das Haupt in die Hand,</l><lb/> <l>Verzweiflungsvoll.</l><lb/> <l>Wer wagt in deinen Kiſten und Kaſten zu wühlen.</l><lb/> <l>Wehe dir Armen,</l><lb/> <l>Die Gläubiger ſind’s,</l><lb/> <l>Die ohn’ Erbarmen Alles pfänden und nehmen,</l><lb/> <l>Nichts bleibt zurück,</l><lb/> <l>Ach, kleinſte Erinnerungen ſelbſt.</l><lb/> <l>Hat Hochmut, Eitelkeit, hat Schuld und Unglück geſtürzt</l><lb/> <l> <hi rendition="#c">dich.</hi> </l><lb/> <l>Weltklug, das Eiſeswort, kannteſt du nimmer,</l><lb/> <l>Doch, ohne weltklug zu ſein, Freund, kommſt du</l><lb/> <l> <hi rendition="#c">nicht durch —</hi> </l><lb/> <l>Und kein Ausweg.</l><lb/> <l>Hörſt du ſie ziſcheln, hörſt du das Lachen der Menſchen,</l><lb/> <l>Und eh’ einmal der erzene Künder über dir</l><lb/> <l>Vom Turm die Stunde ruft,</l><lb/> <l>Haben dich tauſend Siebe zerſpellt,</l><lb/> <l>Haben tauſend Zungen dein Herz zerſtoßen.</l><lb/> <l> <hi rendition="#c">Surſum corda?</hi> </l> </lg> </lg> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [98/0106]
Was ſchauſt du nach allen Seiten hin,
Die Feinde blies der Wind aus allen Richtungen auf dich,
Schon ſind ſie nahe mit funkelnden Augen,
Siehſt auf der Aegis du Gorgos ſchreckliches Haupt —
Und kein Ausweg.
Hörſt du ſie heulen, hörſt du das Donnern der Hufe?
Und eh’ einmal der gierige Geier über dir
Den trägen Flügel ſchlägt,
Haben dich tauſend Pfeile durchbohrt,
Haben tauſend Speere dein Herz zerſtoßen.
Surſum corda!
Was hältſt du, o Freund, die Hand deines Weibes.
Sie ruht weiß und kalt und tot, und ſo ſchwer,
Dein Kind liegt neben ihr im Sterben.
Du ſtützt das Haupt in die Hand,
Verzweiflungsvoll.
Wer wagt in deinen Kiſten und Kaſten zu wühlen.
Wehe dir Armen,
Die Gläubiger ſind’s,
Die ohn’ Erbarmen Alles pfänden und nehmen,
Nichts bleibt zurück,
Ach, kleinſte Erinnerungen ſelbſt.
Hat Hochmut, Eitelkeit, hat Schuld und Unglück geſtürzt
dich.
Weltklug, das Eiſeswort, kannteſt du nimmer,
Doch, ohne weltklug zu ſein, Freund, kommſt du
nicht durch —
Und kein Ausweg.
Hörſt du ſie ziſcheln, hörſt du das Lachen der Menſchen,
Und eh’ einmal der erzene Künder über dir
Vom Turm die Stunde ruft,
Haben dich tauſend Siebe zerſpellt,
Haben tauſend Zungen dein Herz zerſtoßen.
Surſum corda?
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