Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Am Waldrand weilt der Mann vor einem Häuschen, Bei dessen Thür ein kleiner Knabe spielt. Und in die Arme nimmt er rasch den Jungen, Und küßt die Lippen ihm, die großen Augen, Die wunderbaren, dunkelblauen Augen, Von langen, schwarzen Wimpern scharf beschützt. Und trägt ihn dann in's Haus. Ein Mütterchen Tritt ihm entgegen mit Bewillkommsgruß. Bald sitzen sie vereint am Sofatisch. Der Jäger schaukelt auf den Knie'n den Knaben, Und lacht und scherzt, und läßt in seinen Taschen Den Kleinen nach Bonbons und Spielwerk suchen -- Und sieht ihm immer in die großen Augen, Die wunderbaren, dunkelblauen Augen, Von langen schwarzen Wimpern scharf beschützt. Und wieder rollt im Trab, diesmal zurück, Der Viererzug. Und hält am Schloßportal. Die stolze, blasse, üppig große Frau Empfängt den Schloßherrn, kalt, in Balltoilette. Rasch ist er umgekleidet. Beide fahren Durch gaserhellte Straßen zur Soiree. Der Jäger wird von Hunderten beneidet, Die heute sich begrüßen in den Sälen, Um seine stolze, wunderschöne Frau. Er liebt sie nicht; ja, ihre sammtne Haut, Erregt ihm Schauder schon, berührt er sie. Einmal, fast laut, im Lärmen eines Toastes, Eh' noch das Glas die Lippen ihm berührt, Flüstert er wie zerstreut und abwesend: Ach, süßes Herz, was gingst du fort von mir. Am Waldrand weilt der Mann vor einem Häuschen, Bei deſſen Thür ein kleiner Knabe ſpielt. Und in die Arme nimmt er raſch den Jungen, Und küßt die Lippen ihm, die großen Augen, Die wunderbaren, dunkelblauen Augen, Von langen, ſchwarzen Wimpern ſcharf beſchützt. Und trägt ihn dann in’s Haus. Ein Mütterchen Tritt ihm entgegen mit Bewillkommsgruß. Bald ſitzen ſie vereint am Sofatiſch. Der Jäger ſchaukelt auf den Knie’n den Knaben, Und lacht und ſcherzt, und läßt in ſeinen Taſchen Den Kleinen nach Bonbons und Spielwerk ſuchen — Und ſieht ihm immer in die großen Augen, Die wunderbaren, dunkelblauen Augen, Von langen ſchwarzen Wimpern ſcharf beſchützt. Und wieder rollt im Trab, diesmal zurück, Der Viererzug. Und hält am Schloßportal. Die ſtolze, blaſſe, üppig große Frau Empfängt den Schloßherrn, kalt, in Balltoilette. Raſch iſt er umgekleidet. Beide fahren Durch gaserhellte Straßen zur Soiree. Der Jäger wird von Hunderten beneidet, Die heute ſich begrüßen in den Sälen, Um ſeine ſtolze, wunderſchöne Frau. Er liebt ſie nicht; ja, ihre ſammtne Haut, Erregt ihm Schauder ſchon, berührt er ſie. Einmal, faſt laut, im Lärmen eines Toaſtes, Eh’ noch das Glas die Lippen ihm berührt, Flüſtert er wie zerſtreut und abweſend: Ach, ſüßes Herz, was gingſt du fort von mir. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0135" n="127"/> <lg n="7"> <l>Am Waldrand weilt der Mann vor einem Häuschen,</l><lb/> <l>Bei deſſen Thür ein kleiner Knabe ſpielt.</l><lb/> <l>Und in die Arme nimmt er raſch den Jungen,</l><lb/> <l>Und küßt die Lippen ihm, die großen Augen,</l><lb/> <l>Die wunderbaren, dunkelblauen Augen,</l><lb/> <l>Von langen, ſchwarzen Wimpern ſcharf beſchützt.</l><lb/> <l>Und trägt ihn dann in’s Haus.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l> <hi rendition="#et">Ein Mütterchen</hi> </l><lb/> <l>Tritt ihm entgegen mit Bewillkommsgruß.</l><lb/> <l>Bald ſitzen ſie vereint am Sofatiſch.</l><lb/> <l>Der Jäger ſchaukelt auf den Knie’n den Knaben,</l><lb/> <l>Und lacht und ſcherzt, und läßt in ſeinen Taſchen</l><lb/> <l>Den Kleinen nach Bonbons und Spielwerk ſuchen —</l><lb/> <l>Und ſieht ihm immer in die großen Augen,</l><lb/> <l>Die wunderbaren, dunkelblauen Augen,</l><lb/> <l>Von langen ſchwarzen Wimpern ſcharf beſchützt.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Und wieder rollt im Trab, diesmal zurück,</l><lb/> <l>Der Viererzug. Und hält am Schloßportal.</l><lb/> <l>Die ſtolze, blaſſe, üppig große Frau</l><lb/> <l>Empfängt den Schloßherrn, kalt, in Balltoilette.</l><lb/> <l>Raſch iſt er umgekleidet. Beide fahren</l><lb/> <l>Durch gaserhellte Straßen zur Soiree.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Der Jäger wird von Hunderten beneidet,</l><lb/> <l>Die heute ſich begrüßen in den Sälen,</l><lb/> <l>Um ſeine ſtolze, wunderſchöne Frau.</l><lb/> <l>Er liebt ſie nicht; ja, ihre ſammtne Haut,</l><lb/> <l>Erregt ihm Schauder ſchon, berührt er ſie.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Einmal, faſt laut, im Lärmen eines Toaſtes,</l><lb/> <l>Eh’ noch das Glas die Lippen ihm berührt,</l><lb/> <l>Flüſtert er wie zerſtreut und abweſend:</l><lb/> <l>Ach, ſüßes Herz, was gingſt du fort von mir.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [127/0135]
Am Waldrand weilt der Mann vor einem Häuschen,
Bei deſſen Thür ein kleiner Knabe ſpielt.
Und in die Arme nimmt er raſch den Jungen,
Und küßt die Lippen ihm, die großen Augen,
Die wunderbaren, dunkelblauen Augen,
Von langen, ſchwarzen Wimpern ſcharf beſchützt.
Und trägt ihn dann in’s Haus.
Ein Mütterchen
Tritt ihm entgegen mit Bewillkommsgruß.
Bald ſitzen ſie vereint am Sofatiſch.
Der Jäger ſchaukelt auf den Knie’n den Knaben,
Und lacht und ſcherzt, und läßt in ſeinen Taſchen
Den Kleinen nach Bonbons und Spielwerk ſuchen —
Und ſieht ihm immer in die großen Augen,
Die wunderbaren, dunkelblauen Augen,
Von langen ſchwarzen Wimpern ſcharf beſchützt.
Und wieder rollt im Trab, diesmal zurück,
Der Viererzug. Und hält am Schloßportal.
Die ſtolze, blaſſe, üppig große Frau
Empfängt den Schloßherrn, kalt, in Balltoilette.
Raſch iſt er umgekleidet. Beide fahren
Durch gaserhellte Straßen zur Soiree.
Der Jäger wird von Hunderten beneidet,
Die heute ſich begrüßen in den Sälen,
Um ſeine ſtolze, wunderſchöne Frau.
Er liebt ſie nicht; ja, ihre ſammtne Haut,
Erregt ihm Schauder ſchon, berührt er ſie.
Einmal, faſt laut, im Lärmen eines Toaſtes,
Eh’ noch das Glas die Lippen ihm berührt,
Flüſtert er wie zerſtreut und abweſend:
Ach, ſüßes Herz, was gingſt du fort von mir.
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