Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Die Mittagsonne brütet auf der Heide, Im Süden droht ein schwarzer Ring. Verdurstet hängt das magere Getreide, Behaglich treibt der Schmetterling. Ermattet ruhn der Hirt und seine Schafe, Die Ente träumt im Binsenkraut, Die Ringelnatter sonnt in trägem Schlafe Unregbar ihre Tigerhaut. Im Zickzack zuckt ein Blitz, und Wasserfluten Entstürzen gierig feuchtem Zelt. Es jauchzt der Sturm und peitscht mit seinen Ruten Erlösend meine Heidewelt. In Herbstestagen bricht mit starkem Flügel Der Reiher durch den Nebelduft. Wie still es ist, kaum hör' ich um den Hügel Noch einen Laut in weiter Luft. Auf eines Birkenstämmchens schwanker Krone Ruht sich ein Wanderfalke aus. Doch schläft er nicht, von seinem leichten Throne Aeugt er durchdringend scharf hinaus. Der alte Bauer mit verhaltnem Schritte Schleicht neben seinem Wagen Torf. Und holpernd, stolpernd schleppt mit lahmem Tritte Der alte Schimmel ihn in's Dorf. Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeschmeide, Doch ach! wie kurz ist Schein und Licht. Ein Nebel tropft, und traurig zieht im Leide Die Landschaft ihren Schleier dicht. Die Mittagſonne brütet auf der Heide, Im Süden droht ein ſchwarzer Ring. Verdurſtet hängt das magere Getreide, Behaglich treibt der Schmetterling. Ermattet ruhn der Hirt und ſeine Schafe, Die Ente träumt im Binſenkraut, Die Ringelnatter ſonnt in trägem Schlafe Unregbar ihre Tigerhaut. Im Zickzack zuckt ein Blitz, und Waſſerfluten Entſtürzen gierig feuchtem Zelt. Es jauchzt der Sturm und peitſcht mit ſeinen Ruten Erlöſend meine Heidewelt. In Herbſtestagen bricht mit ſtarkem Flügel Der Reiher durch den Nebelduft. Wie ſtill es iſt, kaum hör’ ich um den Hügel Noch einen Laut in weiter Luft. Auf eines Birkenſtämmchens ſchwanker Krone Ruht ſich ein Wanderfalke aus. Doch ſchläft er nicht, von ſeinem leichten Throne Aeugt er durchdringend ſcharf hinaus. Der alte Bauer mit verhaltnem Schritte Schleicht neben ſeinem Wagen Torf. Und holpernd, ſtolpernd ſchleppt mit lahmem Tritte Der alte Schimmel ihn in’s Dorf. Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeſchmeide, Doch ach! wie kurz iſt Schein und Licht. Ein Nebel tropft, und traurig zieht im Leide Die Landſchaft ihren Schleier dicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0048" n="40"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Mittagſonne brütet auf der Heide,</l><lb/> <l>Im Süden droht ein ſchwarzer Ring.</l><lb/> <l>Verdurſtet hängt das magere Getreide,</l><lb/> <l>Behaglich treibt der Schmetterling.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ermattet ruhn der Hirt und ſeine Schafe,</l><lb/> <l>Die Ente träumt im Binſenkraut,</l><lb/> <l>Die Ringelnatter ſonnt in trägem Schlafe</l><lb/> <l>Unregbar ihre Tigerhaut.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Im Zickzack zuckt ein Blitz, und Waſſerfluten</l><lb/> <l>Entſtürzen gierig feuchtem Zelt.</l><lb/> <l>Es jauchzt der Sturm und peitſcht mit ſeinen Ruten</l><lb/> <l>Erlöſend meine Heidewelt.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>In Herbſtestagen bricht mit ſtarkem Flügel</l><lb/> <l>Der Reiher durch den Nebelduft.</l><lb/> <l>Wie ſtill es iſt, kaum hör’ ich um den Hügel</l><lb/> <l>Noch einen Laut in weiter Luft.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Auf eines Birkenſtämmchens ſchwanker Krone</l><lb/> <l>Ruht ſich ein Wanderfalke aus.</l><lb/> <l>Doch ſchläft er nicht, von ſeinem leichten Throne</l><lb/> <l>Aeugt er durchdringend ſcharf hinaus.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Der alte Bauer mit verhaltnem Schritte</l><lb/> <l>Schleicht neben ſeinem Wagen Torf.</l><lb/> <l>Und holpernd, ſtolpernd ſchleppt mit lahmem Tritte</l><lb/> <l>Der alte Schimmel ihn in’s Dorf.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeſchmeide,</l><lb/> <l>Doch ach! wie kurz iſt Schein und Licht.</l><lb/> <l>Ein Nebel tropft, und traurig zieht im Leide</l><lb/> <l>Die Landſchaft ihren Schleier dicht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [40/0048]
Die Mittagſonne brütet auf der Heide,
Im Süden droht ein ſchwarzer Ring.
Verdurſtet hängt das magere Getreide,
Behaglich treibt der Schmetterling.
Ermattet ruhn der Hirt und ſeine Schafe,
Die Ente träumt im Binſenkraut,
Die Ringelnatter ſonnt in trägem Schlafe
Unregbar ihre Tigerhaut.
Im Zickzack zuckt ein Blitz, und Waſſerfluten
Entſtürzen gierig feuchtem Zelt.
Es jauchzt der Sturm und peitſcht mit ſeinen Ruten
Erlöſend meine Heidewelt.
In Herbſtestagen bricht mit ſtarkem Flügel
Der Reiher durch den Nebelduft.
Wie ſtill es iſt, kaum hör’ ich um den Hügel
Noch einen Laut in weiter Luft.
Auf eines Birkenſtämmchens ſchwanker Krone
Ruht ſich ein Wanderfalke aus.
Doch ſchläft er nicht, von ſeinem leichten Throne
Aeugt er durchdringend ſcharf hinaus.
Der alte Bauer mit verhaltnem Schritte
Schleicht neben ſeinem Wagen Torf.
Und holpernd, ſtolpernd ſchleppt mit lahmem Tritte
Der alte Schimmel ihn in’s Dorf.
Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeſchmeide,
Doch ach! wie kurz iſt Schein und Licht.
Ein Nebel tropft, und traurig zieht im Leide
Die Landſchaft ihren Schleier dicht.
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