Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].seinem Stuhl, und empfing sie mit seinen Armen, bis 9. Trit herzu. 10. Und er hob den goldenen Scepter auf, und 11. Und sie antwortete: Da ich dich ansahe, 12. Denn du bist sehr schrecklich und deine Gestalt 13. Und als sie so redete, sank sie abermals in 14. Der König aber erschrak sammt seinen Dienern Einer wunderschönen Jüdin Saß ich heute gegenüber, Aus den großen braunen Augen Klagte scheu Jerusalem. Eingeschlagen wie zwei Nägel, Blitzten in den kleinen Ohren Diamanten reinsten Wassers, Blitzten lüstern mir ins Herz. Unausstehlich war ihr Gatte, Grau, gelangweilt, Zähne stochernd, Dachte an Prioritäten, Eifersüchtig schien er auch. ſeinem Stuhl, und empfing ſie mit ſeinen Armen, bis 9. Trit herzu. 10. Und er hob den goldenen Scepter auf, und 11. Und ſie antwortete: Da ich dich anſahe, 12. Denn du biſt ſehr ſchrecklich und deine Geſtalt 13. Und als ſie ſo redete, ſank ſie abermals in 14. Der König aber erſchrak ſammt ſeinen Dienern Einer wunderſchönen Jüdin Saß ich heute gegenüber, Aus den großen braunen Augen Klagte ſcheu Jeruſalem. Eingeſchlagen wie zwei Nägel, Blitzten in den kleinen Ohren Diamanten reinſten Waſſers, Blitzten lüſtern mir ins Herz. Unausſtehlich war ihr Gatte, Grau, gelangweilt, Zähne ſtochernd, Dachte an Prioritäten, Eiferſüchtig ſchien er auch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0077" n="69"/> ſeinem Stuhl, und empfing ſie mit ſeinen Armen, bis<lb/> ſie wieder zu ſich kam, und ſprach ſie freundlich an:<lb/> Was iſt dir, Eſther? Ich bin dein Bruder, fürchte<lb/> dich nicht, du ſollſt nicht ſterben. Denn dies Verbot<lb/> betrifft alle andere, aber dich nicht.</p><lb/> <p>9. Trit herzu.</p><lb/> <p>10. Und er hob den goldenen Scepter auf, und<lb/> legte ihn auf ihre Achſeln, und küſſete ſie und ſprach:<lb/> Sage her.</p><lb/> <p>11. Und ſie antwortete: Da ich dich anſahe,<lb/> deuchte mich, ich ſähe einen Engel Gottes; darum<lb/> erſchrak ich vor deiner großen Majeſtät.</p><lb/> <p>12. Denn du biſt ſehr ſchrecklich und deine Geſtalt<lb/> iſt ganz herrlich.</p><lb/> <p>13. Und als ſie ſo redete, ſank ſie abermals in<lb/> eine Ohnmacht, und fiel darnieder.</p><lb/> <p>14. Der König aber erſchrak ſammt ſeinen Dienern<lb/> und tröſtete ſie.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Einer wunderſchönen Jüdin</l><lb/> <l>Saß ich heute gegenüber,</l><lb/> <l>Aus den großen braunen Augen</l><lb/> <l>Klagte ſcheu Jeruſalem.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Eingeſchlagen wie zwei Nägel,</l><lb/> <l>Blitzten in den kleinen Ohren</l><lb/> <l>Diamanten reinſten Waſſers,</l><lb/> <l>Blitzten lüſtern mir ins Herz.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Unausſtehlich war ihr Gatte,</l><lb/> <l>Grau, gelangweilt, Zähne ſtochernd,</l><lb/> <l>Dachte an Prioritäten,</l><lb/> <l>Eiferſüchtig ſchien er auch.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0077]
ſeinem Stuhl, und empfing ſie mit ſeinen Armen, bis
ſie wieder zu ſich kam, und ſprach ſie freundlich an:
Was iſt dir, Eſther? Ich bin dein Bruder, fürchte
dich nicht, du ſollſt nicht ſterben. Denn dies Verbot
betrifft alle andere, aber dich nicht.
9. Trit herzu.
10. Und er hob den goldenen Scepter auf, und
legte ihn auf ihre Achſeln, und küſſete ſie und ſprach:
Sage her.
11. Und ſie antwortete: Da ich dich anſahe,
deuchte mich, ich ſähe einen Engel Gottes; darum
erſchrak ich vor deiner großen Majeſtät.
12. Denn du biſt ſehr ſchrecklich und deine Geſtalt
iſt ganz herrlich.
13. Und als ſie ſo redete, ſank ſie abermals in
eine Ohnmacht, und fiel darnieder.
14. Der König aber erſchrak ſammt ſeinen Dienern
und tröſtete ſie.
Einer wunderſchönen Jüdin
Saß ich heute gegenüber,
Aus den großen braunen Augen
Klagte ſcheu Jeruſalem.
Eingeſchlagen wie zwei Nägel,
Blitzten in den kleinen Ohren
Diamanten reinſten Waſſers,
Blitzten lüſtern mir ins Herz.
Unausſtehlich war ihr Gatte,
Grau, gelangweilt, Zähne ſtochernd,
Dachte an Prioritäten,
Eiferſüchtig ſchien er auch.
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