Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite
Abschied und Rückkehr.


I.
Vorbei, vorbei, auf feuchter Spur
Irrt trostlos nun mein Blick ins Weite.
Vorbei, vorbei, die Möwe nur
Giebt mir ein trauriges Geleite.
Nun kehrt auch sie, fernab, fernab
Ist längst mein Vaterland geblieben.
Aus meiner Heimat, wo mein Grab
Ich schon gewählt, bin ich vertrieben.
Als gestern ich im Abschiedszorn
Voll Schmerz den Lindenzweig gerüttelt,
Als ich den Rebhahn hört' im Korn,
Es hat ein Fieber mich geschüttelt.
Es wogt mein Schiff, es sinkt und hebt,
Ein Sturmlied singen die Matrosen.
Es wogt mein Herz, es ringt und bebt,
Es schlägt der Sturm den Heimatlosen.
II.
Aus Wogen taucht ein blasser Strand,
Es schimmert fern durch meine Thränen
Des Vaterlandes Küstenrand,
Erschöpft muß ich am Maste lehnen.
Der Flieder blüht, die Schwalbe zieht,
Und auf den Dächern schwatzen Staare,
Der Orgeldreher dreht sein Lied,
Ein linder Wind küßt mir die Haare.

Abſchied und Rückkehr.


I.
Vorbei, vorbei, auf feuchter Spur
Irrt troſtlos nun mein Blick ins Weite.
Vorbei, vorbei, die Möwe nur
Giebt mir ein trauriges Geleite.
Nun kehrt auch ſie, fernab, fernab
Iſt längſt mein Vaterland geblieben.
Aus meiner Heimat, wo mein Grab
Ich ſchon gewählt, bin ich vertrieben.
Als geſtern ich im Abſchiedszorn
Voll Schmerz den Lindenzweig gerüttelt,
Als ich den Rebhahn hört’ im Korn,
Es hat ein Fieber mich geſchüttelt.
Es wogt mein Schiff, es ſinkt und hebt,
Ein Sturmlied ſingen die Matroſen.
Es wogt mein Herz, es ringt und bebt,
Es ſchlägt der Sturm den Heimatloſen.
II.
Aus Wogen taucht ein blaſſer Strand,
Es ſchimmert fern durch meine Thränen
Des Vaterlandes Küſtenrand,
Erſchöpft muß ich am Maſte lehnen.
Der Flieder blüht, die Schwalbe zieht,
Und auf den Dächern ſchwatzen Staare,
Der Orgeldreher dreht ſein Lied,
Ein linder Wind küßt mir die Haare.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0085" n="77"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Ab&#x017F;chied und Rückkehr.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">V</hi>orbei, vorbei, auf feuchter Spur</l><lb/>
              <l>Irrt tro&#x017F;tlos nun mein Blick ins Weite.</l><lb/>
              <l>Vorbei, vorbei, die Möwe nur</l><lb/>
              <l>Giebt mir ein trauriges Geleite.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Nun kehrt auch &#x017F;ie, fernab, fernab</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t läng&#x017F;t mein Vaterland geblieben.</l><lb/>
              <l>Aus meiner Heimat, wo mein Grab</l><lb/>
              <l>Ich &#x017F;chon gewählt, bin ich vertrieben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Als ge&#x017F;tern ich im Ab&#x017F;chiedszorn</l><lb/>
              <l>Voll Schmerz den Lindenzweig gerüttelt,</l><lb/>
              <l>Als ich den Rebhahn hört&#x2019; im Korn,</l><lb/>
              <l>Es hat ein Fieber mich ge&#x017F;chüttelt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Es wogt mein Schiff, es &#x017F;inkt und hebt,</l><lb/>
              <l>Ein Sturmlied &#x017F;ingen die Matro&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Es wogt mein Herz, es ringt und bebt,</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;chlägt der Sturm den Heimatlo&#x017F;en.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Aus Wogen taucht ein bla&#x017F;&#x017F;er Strand,</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;chimmert fern durch meine Thränen</l><lb/>
              <l>Des Vaterlandes Kü&#x017F;tenrand,</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;chöpft muß ich am Ma&#x017F;te lehnen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Der Flieder blüht, die Schwalbe zieht,</l><lb/>
              <l>Und auf den Dächern &#x017F;chwatzen Staare,</l><lb/>
              <l>Der Orgeldreher dreht &#x017F;ein Lied,</l><lb/>
              <l>Ein linder Wind küßt mir die Haare.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0085] Abſchied und Rückkehr. I. Vorbei, vorbei, auf feuchter Spur Irrt troſtlos nun mein Blick ins Weite. Vorbei, vorbei, die Möwe nur Giebt mir ein trauriges Geleite. Nun kehrt auch ſie, fernab, fernab Iſt längſt mein Vaterland geblieben. Aus meiner Heimat, wo mein Grab Ich ſchon gewählt, bin ich vertrieben. Als geſtern ich im Abſchiedszorn Voll Schmerz den Lindenzweig gerüttelt, Als ich den Rebhahn hört’ im Korn, Es hat ein Fieber mich geſchüttelt. Es wogt mein Schiff, es ſinkt und hebt, Ein Sturmlied ſingen die Matroſen. Es wogt mein Herz, es ringt und bebt, Es ſchlägt der Sturm den Heimatloſen. II. Aus Wogen taucht ein blaſſer Strand, Es ſchimmert fern durch meine Thränen Des Vaterlandes Küſtenrand, Erſchöpft muß ich am Maſte lehnen. Der Flieder blüht, die Schwalbe zieht, Und auf den Dächern ſchwatzen Staare, Der Orgeldreher dreht ſein Lied, Ein linder Wind küßt mir die Haare.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/85
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/85>, abgerufen am 21.11.2024.